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Ein Leben ohne Kindheit Die Biografie des amerikanischen Literaturwissenschaftlers Sander L. Gilman über Jurek Becker schwankt zwischen Nähe und Distanz
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Gleich zu Beginn seiner jüngst erschienenen Biografie über Jurek Becker schildert der US-amerikanische Kulturwissenschaftler und Literaturhistoriker Sander L. Gilman die komplizierte Beziehung zwischen Becker und seinem Vater. Sie führt mitten hinein in die deutsch-jüdische Geschichte voller Schuld, Scham und Verdrängungen.

Becker war 1937 in Lódz´ in einer polnisch-jüdischen Familie geboren worden. Wie das meiste aus seiner Kindheit ist selbst das Datum seiner Geburt fraglich. Seit seinem zweiten Lebensjahr kannte der Junge Krieg, Verfolgung, Ghettoisierung. Als Sechsjähriger wurde er mit seiner Mutter aus dem Ghetto Lódz´ nach Ravensbrück deportiert, der Vater nach Auschwitz und später Sachsenhausen. Wenige Wochen nach der B