Neue Schlagbäume für den Kunsthandel

Kulturgutschutzgesetz Eines haben die Gesetzesnovelle, die den Handel mit Kunstwerken regulieren soll, und der Brexit gemeinsam: Es hapert an der Folgenabschätzung
Ausgabe 26/2016
Provenienz ungeklärt: „Mann und Frau am Fenster“ (1923) von Wilhelm Lachnit aus dem Schwabinger Kunstfund
Provenienz ungeklärt: „Mann und Frau am Fenster“ (1923) von Wilhelm Lachnit aus dem Schwabinger Kunstfund

Abblidung: Courtesy Lost Art Koordinierungsstelle Magdeburg/Getty Images

Der englische Brexit und das deutsche Kulturgutschutzgesetz haben einiges gemeinsam: Eine Folgenabschätzung fand nicht statt. Dass die Gesetzesnovelle am selben Tag im Bundestag beschlossen wurde, an dem das In-or-Out-Referendum lief, ist ein kurioser Zufall in Zeiten europäischer Sklerose. Nicht nur die Schotten und die britischen Remainer, auch die deutschen Kunsthändler hatten ihren Schwarzen Freitag. Mit dem neuen Gesetz dürfen beispielsweise Gemäde, die älter als 75 Jahre sind und deren Wert über 300.000 Euro liegt, künftig nur mit Genehmigung ins EU-Ausland verbracht oder verkauft werden. Die Ausfuhr von Werken, die als „national wertvoll“ auf eine entsprechende Liste gesetzt werden, wird ganz verboten.

Im Zuge der Brexit-Schockwelle wird der offene Warenverkehr im Binnenmarkt als die zentrale europäische Leistung beschworen. Merkt die Politik denn nicht, dass für Kulturgüter, die stets einen friedlichen Austausch innerhalb der Nationen ermöglichen, gerade wieder Schlagbäume errichtet werden? Durch die niedrig angesetzten Wert- und Altersgrenzen erweisen sich die Beteuerungen von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, nur „emblematische Kunstwerke“ als national wertvoll herauszufiltern, als Irreführung.

Auch der Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten hinkt. Denn ein Dutzend Länder gewährt Besitzern beim Ausfuhrstopp eines Kunstwerks, das als national wertvoll eingestuft wird, den öffentlichen Erwerb zu einem fair market value. Eine solche Regelung wurde in die Novelle nun zwar eingefügt, doch nur als rein fakultative Bestimmung. Können die nötigen Mittel nicht aufgebracht werden: Pech gehabt. Erst nach fünf Jahren darf der Betroffene – ob Privatsammler oder Händler – bei den Behörden wieder vorsprechen.

An ein paar Stellen wurde der ursprüngliche Gesetzesentwurf jetzt schönheitskorrigiert, Untiefen wie die absurde 30-jährige Aufbewahrungspflicht von Geschäftsunterlagen wurden indes beibehalten. Neu ist: Ein Verwaltungsrat soll künftig alle offenen Probleme klären. Die Verfasser erkennen erst jetzt die Hyperkomplexität der Normen. Kein Wunder, beim Verbacken von drei Gesetzen nebst einer UNESCO-Konvention und einer EU-Richtlinie in 90 Paragrafen auf 150 Seiten. Obendrein könnte dieses Konvolut durch eine Veto-Ermächtigung des Bundes nicht nur die Länder-, sondern auch die Sachverständigenkompetenzen in Fragen „nationalen Kulturgutes“ aushebeln.

Die zweite Stoßrichtung der Novelle: Dem Verkäufer von außereuropäischem Kulturgut werden Herkunftsnachweise aufgenötigt, die in der Praxis kaum zu erbringen sind. Ähnlich verhält es sich mit den Provenienznachweisen für Kunstwerke, die vor 1945 entstanden sind. Der Offenbarungseid der Task Force, die nur eine Handvoll der Werke aus der Sammlung Gurlitt überhaupt als NS-Raubkunst recherchieren konnte, wird dabei ebenso ausgeblendet wie die Tatsache, dass in den meisten Museen Provenienzforschung nicht ansatzweise begonnen hat. Was der Staat nicht zu leisten vermag, wird dem Handel wider besseres Wissen aufgebürdet. Bleibt nun zu hoffen, dass der Bundesrat die Verschleierung der Kosten, die auf die Länder durch Verwaltung, Datenbankerstellung und Gremien zurollen, durchschaut – und die Sache zu Fall bringt.

Birgit Maria Sturm ist Kunsthistorikerin und Geschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V.

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