Bernd Neumann und Monika Grütters: Der alte Kulturstaatsminister und die Neue auf dem Posten haben auf den ersten Blick kaum mehr gemein als das CDU-Parteibuch. Mann und Frau, 72 und 52 Jahre alt. Er ist ein politischer Strippenzieher mit Hang zu staatstragend-humorfreien Reden, sie eine eloquente Kulturgenießerin mit starkem katholischen und kunsthistorischen Hintergrund. Doch ist nicht ausgemacht, wer das Amt am Ende besser geführt haben wird. Der disziplinierte Politiker mit den Goldknopfjacketts, dem erst eine Herzklappe für die Kultur eingepflanzt werden musste, wie ein Kollege der Berliner Zeitung schrieb, und der erst in Hintergrundgesprächen zu lockerer Form aufläuft. Oder die in der Wolle gefärbte Kulturfachfrau, die noch jede sperrige Operninsze
e Operninszenierung ehrlich als notwendiges Lebensmittel betrachtet.Kulturfragen stehen hier unter verschärfter Beobachtung, die Feuilletons räumen viel Platz dafür ein, obwohl sich das Amt eigentlich an Wichtigkeit kaum unterbieten lässt. Im Wahlkampf spielte Kultur überhaupt keine Rolle. Es gab einen kleinen Auftritt der damaligen Opposition, als der SPD-Kandidat Oliver Scheytt verkündete, er würde alles genauso machen wie der aktuelle CDU-Amtsinhaber. Er versteckte diese Wahrheit geschickt in einer kämpferischen Rede – warum hätte sonst jemand für den Wechsel sein sollen?Theater und AltersarmutWeiter war nichts. Kein Streit, kein Angriff, kein neuer Schwerpunkt, nichts. Das ist so, weil es in der Bundeskulturpolitik um nichts geht. Hier wird Haltung gezeigt, Meinung gebildet, vielleicht Protest formuliert, aber fast nichts entschieden. Nichts, was Künstler umtreibt. Hungergagen und Altersarmut, Verdrängungsmieten für Ateliers, drohende Theaterschließungen, Tarifungerechtigkeiten oder gar die Absicherung der kulturellen Infrastruktur – all das geht die Bundeskulturpolitik nichts an. Das ist, wenn es denn überhaupt irgendwo Beachtung findet, Ländersache.Schließlich finanzieren Länder und Kommunen im Wesentlichen die Kultur. Von den 9,3 Milliarden Euro, die Deutschland jährlich dafür ausgibt, beträgt der Anteil des Bundes nur knapp 1,3 Milliarden, also 13 Prozent. Es handelt sich um das Ressort mit dem kleinsten Budget. Die Staatsministerin hat streng genommen auch keinen Ministerrang, sondern den einer Staatssekretärin mit Kabinettssitz, ihr sperriger Titel heißt Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, BKM. Dafür sitzt sie im Kanzleramt in der Etage über Angela Merkel. Der Ausblick von dort ist groß, der finanzielle Spielraum klein. Zum Vergleich: Arbeitsministerin Andrea Nahles verantwortet mehr als 85 Milliarden Euro.An der Größe des Etats lässt sich ablesen, dass Bundesaufgaben kaum hier entschieden werden. Die stürmischen Begrüßungstexte für Monika Grütters listeten ihre Aufgaben auf, dass sie nun endlich die Reform des Urheberrechts, die Digitalisierung von Kulturgut voranbringen und die Ausnahmen für das Freihandelsgesetz mit den USA durchsetzen möge. Nicht zu vergessen die Rettung der Künstlersozialkasse.Schöne Aufgaben, gewiss, nur eben nicht Sache der Kulturstaatsministerin. Das Urheberrecht muss der SPD-Justizminister ändern – wenn er es an das Digitalzeitalter anpassen mag. Seine FDP-Vorgängerin mochte nicht – zu vermint das Terrain. Bernd Neumann hatte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zuletzt geradezu garstig zum Handeln aufgefordert. Schließlich geht es um geistiges Eigentum von Künstlern und Autoren, alles Menschen, die bei ihm auf der Matte standen und Lösungen erwarteten. Aber er war nicht zuständig.Nicht mal für die Künstlersozialkasse, eine Einrichtung, die ihre Klientel im Namen trägt und den Künstlern mehrheitlich überhaupt erst ihre Existenz erlaubt. Auch für sie zeichnet nicht das Kultur-, sondern das Arbeitsministerium verantwortlich. In diesem Fall zeigte sich die Zuständige gar nicht bockig. Ursula von der Leyen brachte die zwingende Gesetzesänderung über eine Absicherung und Kontrolle der Künstlerkasse rechtzeitig auf den Weg, wurde aber vom Parlament gestoppt, ganz absurd. Jetzt muss der sperrige Vorgang unter SPD-Vorzeichen wiederholt werden.Sollte nun der Eindruck entstehen, dieses Kulturamt verschaffe höchstes Ansehen bei minimalem Aufwand? Nein! Wieder trifft das Gegenteil zu. Denn tatsächlich ist Kultur zwar für kaum ein Gesetz verantwortlich, zeichnet aber für alles und jedes mit. Das heißt, in der Kulturbehörde müssen sie die Materie nicht nur beherrschen, sondern die Federführenden meist erst zum Jagen tragen. Wenn zum Beispiel ein freiberuflicher Regisseur zigtausend Euro Umsatzsteuern nachzahlen soll, weil sein Finanzamt eines Tages 19 statt wie üblich sieben Prozent berechnet, wenn plötzlich jedes Finanzamt freihändig seinen Steuersatz für Regisseure festlegt, erwartet der Künstler Unterstützung von seinem höchsten Kulturfachmann. Eine komplizierte Gesetzesänderung war das, bei der Neumann übrigens null Prozent Steuern durchsetzen ließ. Das Amt produziert Kilometer von Akten. Neumann hat sich da jedes Wochenende akribisch durchgefressen wie jetzt seine Nachfolgerin Monika Grütters.So viele BaustellenDeshalb ist es keineswegs egal, wer das Amt ausübt. Man täuscht sich. Neumann wurde vor acht Jahren missgelaunt als die „kleine Lösung“ zur Kenntnis genommen. Nach drei Intellektuellen – dem Verleger Michael Naumann, dem Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin, der Literaturwissenschaftlerin Christina Weiss – war er der erste Politiker in der Funktion. Auch der erste, der nach einem grandiosen Fehlstart eine volle Legislaturperiode durchhielt, bevor er fröhlich eine zweite dranhängte.Sein Erfolg gründete darauf, dass er sein Amt wie ein politisches ausübte, nicht wie ein künstlerisches. Er nutzte hemmungslos alle Kontakte, um seine Interessen durchzusetzen, brachte seine Behörde zum Rotieren, bis er irgendwann als „das Wunder von Bernd“ galt. Mit sturer Kraft stockte er seinen Haushalt um jährlich 240 Millionen Euro auf, Sonderposten extra. Ungezählte Schlösser, Kirchen, Denkmale konnten erhalten werden. Er setzte die Restitutionsforschung zur Raubkunst in Gang und entwickelte Gespür für Fallstricke der Erinnerungskultur. Der Filmstandort wurde so profitabel, dass Filmleute in München eine Straße nach ihm benannten.Insofern hinterlässt der Alte, den die Kanzlerin zu einer dritten Amtszeit überreden wollte, auch ein leicht vergiftetes Erbe. Erfolg wird am Ende doch an der Größe des Haushalts gemessen, nicht an Reden oder einem konzilianten Umgang. Kulturleute unterschätzen das, Monika Grütters eigentlich nicht. Die Politikerin ist Honorarprofessorin, war Sprecherin der Berliner Landesbank-Kulturstiftung und zehn Jahre Abgeordnete im Berliner Landesparlament, bevor sie 2005 in die Bundespolitik wechselte. Ehrgeizig hat sie stets alle Jobs bewältigt und sich durchzusetzen gelernt. Dennoch blieb sie mehr der Kultur verhaftet als der Politik, was Haushälter nicht schätzen. Geld zu besorgen, gehörte bisher nicht zu ihren Aufgaben.Den Topf für die Provenienzforschung wird sie nach dem Skandal um die Gurlitt-Bilder aufstocken können. Aber sonst? Die Halbierung der Filmförderung musste sie schon abwehren und der Koalitionsvertrag hat ihr noch gewaltige Wunschlisten ins Körbchen gelegt. Jeder braucht Geld: das einstige Reichsparteitagsgelände Nürnberg, das Pina-Bausch-Tanzzentrum in Wuppertal, das Residenzschloss in Dresden, das Romantik-Museum in Frankfurt/Main, das Bauhaus in Dessau. Von Berlin nicht zu reden. Hier heißen die Baustellen Neue Nationalgalerie, Bauhaus-Archiv, Einheitsdenkmal. Alles zusammen erfordert wohl eine Milliardensumme.Und Grütters steht als Berlinerin unter Verdacht, die Hauptstadt zu bevorzugen. Nach Nordrhein-Westfalen fließen jährlich fünf Millionen Euro Kulturmittel vom Bund, nach Berlin jetzt schon 400 Millionen. Überdies wird Grütters noch von Feuilletonisten befeuert, sich gegen die hässliche Ostfassade des künftigen Schlosses zu stellen. Noch stehen erst die Fundamente. Klar, würde sie am liebsten umplanen lassen. Aber sie ist nicht so dumm, sich als erstes mit der mächtigen Bundesbaupolitik anzulegen. Sie möchte noch in dem Amt bleiben, das sie strahlend angenommen hat. Zwar erklärte sie die Schloss-Frage früher schon zu ihrer Herzensangelegenheit. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie da auch was zu sagen hätte.
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