Gesucht: Klimaheldinnen und -helden

Klima Wir brauchen den Hype um Greta, das Klima aber braucht uns alle. Ein Kommentar

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Wer glaubt man könne heute wie Greta Thunberg mit Schulstreik und einem Pappschild auf der Straße sitzend weltweite Berühmtheit erlangen, hat sich eine gesunde Portion an Naivität bewahrt. Selbst bei einer der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wie dem Klimawandel, braucht es leider mehr: Es braucht eine PR-Kampagne. Und während die einen ihre rechten Verschwörungstheorien schimpfen und die anderen ihr neues Klima-Idol beschützen, wird die traurige Wahrheit sichtbar: Nämlich, dass es erst eine Klima-Heldin wie Greta braucht, um der breiten Masse die Dringlichkeit des Klimawandels vor Augen zu führen.

Die junge Klima-Aktivistin aus Stockholm wurde vom ersten Tag ihres Schulstreiks an von Ingmar Rentzhog und dessen Initiative „We don’t have time“ unterstützt. Rentzhog ist unter anderem Vorsitzender eines Think Tanks für nachhaltige Entwicklung und wurde im Oktober von der schwedischen Zeitschrift „Umwelt & Entwicklung” zum „Umwelt-Influencer 2018“ gewählt. Gefolgt von Greta auf dem zweiten Platz. Am Montag, 20. August 2018, schrieb Rentzhog auf Facebook:

„[…] Auf dem Weg zur Arbeit komme ich am Reichstagsgebäude vorbei. Dort sitzt Greta, 15 Jahre, und streikt einsam gegen die ganze Welt […] In der Zeit, in der ich dort war, kam lediglich einer der Vorbeigehenden und nahm ihr Infoblatt. Niemand sonst hat mit ihr gesprochen! So einsam kann man sich fühlen, wenn man den Ernst und das Akute der Klimakrise verstanden hat. Alle um einen herum setzen ihr Leben wie normal fort, während die Welt kurz davor ist zu zerfallen. […] Sei ein Held. Geh am Reichstagsgebäude vorbei. Rede mit Greta und zeige ihr, dass sie nicht allein ist. <3 Sie braucht jetzt deine Unterstützung! #WeDontHaveTime“

Bereits einen Tag später wird über Greta in den einschlägigen schwedischen und ersten ausländischen Nachrichten und Zeitungen berichtet. Und auch, wenn die Überzeugungen für die Greta einsteht ihre eigenen sind, global erhört wurden sie durch Rentzhogs Social Media Kompetenz. Und das ist auch kein Geheimnis. „Ich habe ihr geholfen, als sie auf sozialen Medien noch nicht so groß war und jetzt, wo sie global bekannter ist als ich, kann sie mir helfen“, erzählt Rentzhog bereits im Oktober im Interview mit dem Umweltmagazin „Umwelt & Entwicklung”. Wie die schwedische Tageszeitung „Svenska Dagbladet“ nun rausgefunden hat, hat Rentzhog mit Gretas Namen Aktienkapital von fast einer Million Euro gemacht. Vielfach wird Greta nun als Opfer einer PR-Maschinerie dargestellt. Abgesehen von dubiosen Werbedeals mit einer Minderjährigen ist allerdings Vorsicht geboten bei der Verteufelung all dessen, schließlich war es jene PR-Maschinerie, die Greta in unser Leben brachte.

Doch die ganze Aufregung über die neue Heldin im Klimaschutz verdeutlicht vor allem eines: Um die Welt beim Thema Klimawandel emotional zu berühren braucht es offensichtlich ein Idol wie Greta. Klima-Aktivismus an sich ist schließlich nichts neues. Etliche Aktivist*innen betonen seit Jahren die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit im Klimakampf. Die Aufmerksamkeit der breiten Masse allerdings kommt nun, im Hype um die Schwedin, die aufmüpfig den einflussreichsten Politiker*innen sagt was sie falsch machen – dass sie gar nichts machen. Auch ohne die geflochtenen und zu beiden Seiten hängenden Zöpfe ist die Analogie zu Pippi Langstrumpf nicht zu übersehen: Ein junges, schwedisches Mädchen, das nicht zur Schule geht und rebellisch Erwachsenen ihre Meinung geigt. Eine Teenagerin, die sich statt auf Makeup, Mode und Jungs zu fokussieren für die ernsthaften Konsequenzen und komplexen Zusammenhänge des Klimawandels interessiert?

Mit ihrer Reife und dem scheinbar untypischen Verantwortungsgefühl hat sie viele von uns aus engstirniger Apathie geweckt. Sie hat für den derzeit wohl wichtigsten Zweck Aufmerksamkeit gefordert, die wir vorher nicht bereit waren zu teilen. Dabei hätten wir klimaschützende Maßnahmen doch lieber bereits gestern unternommen. Nun reden alle über Greta. Aber wer spricht dann eigentlich noch vom Klimawandel und seinen Folgen? Vielleicht brauchen wir Greta, das Klima aber braucht uns alle. Das darf im Kult um die junge Aktivistin nicht unter gehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Birthe Bird

Mensch. Schreibe über Schweden, Feminismus und bedingungslose Grundeinkommen.

Birthe Bird

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