Man hatte die Kürzungswellen schon vorhergesehen, nun scheinen sie auch de facto hereinzubrechen. Wie das Aktionsbündnis „Mainzer Theater für alle“ in einer Pressemeldung mitteilt, plant die Kommunalverwaltung Einsparungen beim Staatstheater Mainz. Derzeit verfügt es noch über einen Gesamtetat von rund 26 Millionen Euro, es geht um Kürzungen in Höhe von 300.000 im laufenden und 600.000 Euro im kommenden Jahr. Die Summen aus der Streichung sollen dabei aus eigentlich tariflich verbürgten Lohnerhöhungen für die ungefähr 500 Mitarbeiter*innen generiert werden. Vor zehn Jahren unternahm das örtliche Finanzdezernat schon einmal den Versuch, das – wohlbemerkt! – einzige Staatstheater von Rheinland-Pfalz um drei Millionen zu schröpfen. Doch prompt hatten die damaligen Kämmerer das Nachsehen, nicht zuletzt wegen erheblichen Widerstands aus der Bevölkerung.
Noch bevor die Bundestagswahl überhaupt entschieden ist, nehmen manche Parteien es offenbar schon nicht mehr so ernst mit ihren Versprechen. Rufe nach mehr Sockelfinanzierung, mehr Kontinuität vernimmt man derzeit in den Programmen der Bewerber*innen links der Mitte. Dass nun gerade eine Ampelkoalition in der Rheinmetropole für die geplanten Streichungen verantwortlich zeichnet, mutet pikant an. Denn setzen sich nicht vor allem die Sozialdemokraten auf allen Ebenen für verbindliche Tarifvereinbarungen ein? Ebenso wenig können die in Stadt und Land mitregierenden Grünen über Widersprüche hinwegtäuschen, fordern sie doch gerade auf der Ebene der Bundespolitik 1.200 Euro Existenzgeld für die durch Lockdowns gebeutelten Künstler*innen und generell mehr Investitionsmut für die Kultur.
Hinzu kommt die mangelnde Wertschätzung für die beachtliche Entwicklung des Staatstheaters, das unter der Intendanz von Markus Müller mehr und mehr an überregionaler Strahlkraft gewann. Mit zahlreichen Uraufführungen, darunter zuletzt innovative Formate wie Einfache Leute (2021) und das Tal der Ahnen (2020), in den Sparten Schauspiel, Oper und Tanz traf das Haus nicht nur auf eine wohlwollende Resonanz in den Feuilletons. Auch die Einnahmen-Erlöse waren (vor Corona) die höchsten seit Beginn der Aufzeichnung je erzielten. Dokumentiert sind somit sowohl ein wirtschaftlicher Spitzenerfolg als auch ein gestiegener Zuspruch durch das Publikum. Neben den Nibelungenfestspielen stellt das Mainzer Ensemble letztlich das theatrale Aushängeschild von Rheinland-Pfalz dar, das mit namhaften Bühnenhäusern ansonsten eher wenig üppig ausgestattet ist.
Kultur ins Grundgesetz!
Aller Bekenntnis- und Betroffenheitsrhetorik einiger Politiker*innen zum Trotz wird dieses Kürzungsvorhaben vermutlich kein Einzelfall bleiben. Zwar mag der erneute Budget-Eingriff auch auf eine gewisse Skepsis örtlicher Akteure gegenüber der Hochkultur zurückzuführen sein. Gleichwohl verbirgt sich dahinter eine Systemschwäche. Denn klamme Kassen zwingen zahlreiche Bürgermeister und Bürgermeisterinnen zur Haushaltskonsolidierung. Als sogenannte freiwillige Leistung fällt daher oft zuerst die Kultur dem Rotstift zum Opfer. Gerade paritätisch finanzierte Einrichtungen treffen derlei Entscheidungen hart.
Nur wie lässt sich jenseits von zivilem Protest die Problemlage beheben? Längerfristig könnte sicher die Aufnahme der Kultur ins Grundgesetz beziehungsweise in die Landesverfassungen für Zuversicht sorgen. Unter diesen Umständen wären kommunale Träger nämlich verpflichtet, einen entsprechenden Etat für Museen und Bühnenstätten bereitzustellen. Kurzfristig wäre hingegen mehr Engagement seitens der Landesregierungen geboten. In Rheinland-Pfalz wäre etwa die frisch gekürte grüne Staatsministerin für Kultur, Katharina Binz, gut beraten, den Zuschuss aus ihrem Haus zu erhöhen, um die in finanzielle Nöte geratene Universitätsstadt zu entlasten. Alternativ oder ergänzend sollten auch höhere Zuschüsse durch den Bund in Betracht gezogen werden. Klug hat die CDU in ihrem ansonsten vagen Wahlprogramm erkannt, dass Kultur auch in ländlichen Regionen einer stärkeren Unterstützung bedarf. Wenn Kulturstaatsministerin Monika Grütters schon ein millionenschweres „Humboldt Forum“ im mit Ausstellungsorten und Theatern ohnehin reich gesegneten Berlin ermöglicht, so ließe sich ebenso über angemessene Subventionen für künstlerisches Wirken in Flächenländern nachdenken. Klar ist jedenfalls: Mainz sollte kein Negativmodell werden.
Kommentare 6
Wo die Ampel auf Gelb steht, sind Streichungen immer drin. Ansonsten verstehe ich folgenden Satz nicht so recht:
»Die Summen aus der Streichung sollen dabei aus eigentlich tariflich verbürgten Lohnerhöhungen für die ungefähr 500 Mitarbeiter*innen generiert werden.«
Sicher – das Deckeln von Löhnen, um Betriebskassen zu entlasten, ist auch bei den Kommunen nichts Ungewöhnliches. Notfalls externalisiert man kommunale Dienste wie den Öffentlichen Nahverkehr eben an Private – gern auch an solche der Sorte, die den Begriff »Tarif« erst im Duden nachschlagen müssen. Hier ergibt die Absicht allerdings nicht so recht einen Sinn: Wenn ich es richtig verstehe, werden die Etatkürzungen doch bereits vermittels des städtischen Haushalts verhängt und im Erfolgsfall somit auch generiert. Will die Formulierung jetzt sagen, dass die Stadt den Theateretat kürzt UND zusätzlich an den Geldbeuteln der Beschäftigten Hand anlegt? Oder sind das zwei alternierende Schienen?
Sicher – der genaue Sachverhalt ließe sich nachrecherchieren. Im Sinn der Leserinnen und Lesern des Beitrags allerdings finde ich die Darstellung in der Passage etwas mißverständlich.
Da muss ich mal anders Wörter hierzu benutzen.
Irgendwie ist zur Zeit alles Schizophren in verschiedensten Weltanschauungen verkörpert, was unsere Vorstellung von einer Transformation, Energiewende und Konservatismus im bewahren von alten Strukturen und Mustern für das beste Wohlempfinden einer Gesellschaft doch so sei und in öffentlichen Räumen mit spezifischer Wortwahl erzählt wird.
Dafür brauch ich kein Theater mehr, oder auch andere Kunst, weil die Wirklichkeit schon das beste an gestalterischer Darbietung, uns unser Unvermögen beim verändern von Arbeit, so die beste Unterhaltung aufzeigt.
Alles andere ist dann nur ein Framing, um sich seiner eigenen monetären Interessen zu sicheren, damit man seine bisherige Arbeit im umweltschädlichen Modus fortführen kann.
Ich fände es gut, wenn schon mal das Schizophrene in unserer Weltanschauung verschwindet, weil das wäre schon ein großer Schritt in die richtige Richtung, um mit dem was in der Wirklichkeit um uns herum passiert, auch in die richtige Richtung arbeiten zu können und da ist Kunst, so wie wir das immer noch verstehen zweitrangig.
Kunst, Bildung, Erziehung, Sport und Politik, wie Ökonomie mal anders ausgedrückt, ist nur ein optimieren von Vergangenheitsbezogenen Bebilderungen in unseren Köpfen, als Wahrnehmung für ein erstrebenswerten neuen Istzustand mit unterschiedlichen Besitzansprüchen und das Gegenwärtige was nach neuen Wegen auffordert, wird gar nicht beachtet und so verbrennen wir dann weiter die Erde und unsere Zukunft als Menschheit.
Das Ziel worauf es ankommt ist ein Bewusstsein zu schaffen für ein neues Wasser, Feuer und Boden Management als neue umweltfreundliche Arbeit, die wir alle praktizieren und das verändert auch das soziale, das bildende, die Erziehung, den Charakter und vieles mehr, sowie auch am End die künstlerischen Darbietungen, weil das jetzige an Kunst keine Sinn mehr ergibt und auch nicht mehr subventioniert werden muss.
Und jetzt könnt ihr mich hassen.
Erinnert etwasan den sozialistischen Realismus.
Aus meiner Sicht ein verqueres und sehr eingeschränktes Kulturverständnis.
Nein, dass habe ich nicht im Sinn, wenn ich ein neues Management einfordere. Da stecken neue Gesetzmäßigkeiten drin und dazu benötigt man Kreativität und Phantasie beim umsetzen dieser Aufgaben.
Es ist doch schon mal ein Fortschritt wenn man das Ziel in einem Satz beschreiben kann und Wörter wie Transformation und grüne Energiewende darin als Wahrnehmungsfalle für unsere nachhaltige Art und Weise, wie wir kultiviert leben wollen, hierbei nicht verwendet werden müssen.
Und ich werde nicht vorgeben und beschuldigen bei nicht einhalten der Pflicht wer, wie, was hierbei umzusetzen hat, denn das regeln die neuen Arbeitsanforderungen, um dies Ziel zu erreichen.
Da reicht schon das mit einbinden der Uni in Osnabrück für die politische Arbeit.
BMBF-Wasserstudie - Universität Osnabrückhttps://www.usf.uni-osnabrueck.de › forschung › bmbf...
Ich, Künstlerin, denke schon länger, dass Kunst tot ist, ausgegessen, abgelutscht. Ist nicht systemkritisch, spricht nicht mehr zu mir. Ich meine, es liegt am Fördersystem, dass Netzwerk und ein Händchen für angesagte Themen verlangt (also nicht den Finger in die Wunde legen). Sodann haben viele Beteiligte einen moralischen Duktus angenommen, etwas dass sie mit der Politik eint. Die Wirklichkeit sieht halt leider anders aus, Mobbing, Karrieregeilheit, Ausbeutung.
Das kann ich bestätigen. Mit dem was ich bisher gemacht habe kann ich nicht in den öffentlich Raum und müsste ein angepasstes, wie konform kritsch weiches Programm zusamenstellen.
Da habe ich auch keine Lust drauf und lass das.