Herzlichen Glückwunsch Jess Franco!

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Heute vor 80 Jahren am 12. Mai 1930 wurde Jesus Franco Manera, auch bekannt als Jess Franco, Clifford Brown, Wolfgang Frank, A.M. Frank, etc., allein die IMDB listet ungefähr 60 Pseudonyme auf, geboren. Was aber viel wichtiger ist, er hat bei ungefähr 200 Filmen Regie geführt, die IMDB spricht von 192, das deutsche Pendant die OFDB weist ihm 187 Filme zu, aber eines ist sicher, mit der genauen Anzahl werden sich noch in Jahrzehnten die Filmwissenschaftler und Trashfreaks beschäftigen müssen. Ich bezweifle, dass er selbst weiss, wieviele Filme er gedreht hat. Es gibt wohl keinen Regisseur, der wie er über Jahrzehnte mehrere Filme pro Jahr rausgehauen hat. Der Nachteil dieser Produktivität dieses nur vor wenig zurückschreckenden Spaniers ist aber nicht zu übersehen, viele seiner Filme werden bestenfalls als besonders schlechte Filme in Erinnerung bleiben. Was oft an ihm selbst lag, oft am niedrigen Budget, dass ihm Produzentenlegenden wie Arthur Brauner oder Erwin C. Dietrich anvertrauten. Aber es gibt auch Highlights unter seinem ausuferndem Gesamtkunstwerk. So hat er einige Filme mit Klaus Kinski und oder Christopher Lee gedreht. In seiner Jack The Ripper Verfilmung, die bis heute nicht ungekürzt in Deutschland erhältlich ist, aber auf einer hervorragenden Schweizer DVD, spielten Kinski, Geraldine Chaplin und Herbert Fux mit. Dies gilt auch als sein bester Film, wobei Erwin C. Dietrich im Audiokommentar andeutet, dass Klaus Kinski oft die Regie übernahm. Er hat wohl auch die Idee zu dieser Verfilmung gehabt. Auch wagte sich Jess Franco öfters an Literaturverfilmungen, wie "Venus im Pelz" von Sacher Masoch oder "Justine" von de Sade, beide übrigens auch mit Klaus Kinski und in Justine gab die blutjunge Romina Power ihr Filmdebüt (für die Unwissenden, sie nervte uns später mit italienischem Schlagerpop als Duo zusammen mit ihrem Ex-Gatten Al Bano). Auch unsere deutsche TV-Krimi-Legende Horst Tappert kam bei Franco zu filmischen Ehren. Er durfte in Filmen wie "Sie tötete in Ekstase" oder "Der Teufel kam aus Akasava" und "Der Todesrächer von Soho" (alle 1971!) mitwirken, wobei die letzten beiden zu den Pseudo-Edgar-Wallace-Verfilmungen gehören, die in den Siebzigern in Massen in die Kinos kamen und da Jess Franco bei allem mitmachte was ein paar Peseten versprach schreckte er auch davor nicht zurück. Für Arthur Brauner drehte (vielmehr kurbelte) er dann auch 2 Fu-Man-Chu-Filme ab.

Aber wie kam es zu diesem Workaholic, der mit Orson Welles und Klaus Kinski arbeitete? Der Filme für ein ordentliches Budget drehte und wenig später wieder zwei Filme zum Preis von einer Lindenstraßenfolge drehte. Geboren wurde er, wie oben beschrieben am 12. Mai 1930. Er wuchs wohl in Madrid unter der Franco-Diktatur auf. Mit sechs soll er schon eigene Musik komponiert haben und später Film an der Sorbonne studiert haben. Der mittlerweile recht zahnlos und rollstuhlfahrende aber immer noch aktive Regisseur drehte 1958 seinen ersten Film "Tenemos 18 anos", laut IMDB eine Komödie über 2 Mädels und ihre surrealen Ferien. Diesem Erfolgsrezept sollte er über Jahrzehnte unfreiwilligerweise treu bleiben. Frauen in surrealen Situationen, meist sexuell und in Gefangenschaft geraten, auf einer Reise, auch die Komik blieb nicht außen vor, später allerdings eher unfreiwillig.

Er war nie wählerisch, er drehte das von dem er glaubte, sein Publikum wolle es sehen. Das konnten dann Filme wie "Nachts wenn Dracula erwacht" (mit Klaus Kinski und Christopher Lee) sein oder aber "Frauengefängnis", "Greta, Haus ohne Männer" (mit Dyanne Thorne, der Ilsa-Darstellerin (liebe filmisch unbewanderten bitte bemüht Google)) oder "Sadomania" meist waren es, wie die letzten drei Filme sadistische Frauengefängnisfilme oder surreal anmutende Männerfantasien, wie "Blue Rita" oder "Der goldene Tempel der Amazonen" Seine Darstellerinnen mussten fast in allen Filmen ab den Siebzigern eine exhibitionistische Ader gehabt haben. Oft spielten seine Stammdarstellerinnen, Maria Rohm, Lina Romay oder Susan Hemingway die Hauptrolle, in den früheren Filmen war oft Soledad Miranda zu sehn, die aber früh verstarb, als sie mit ihrem Mann unterwegs war um mit Artur Brauner über einen Vertrag über sechs deutsche Großproduktionen zu verhandeln, der ihr wohl den europäischen Durchbruch zum echten Star gebracht hätte.

Es gibt kaum ein Genre, dass er nicht abgeritten haben dürfte, nach eigener Aussage hat er aber nie einen Porno gedreht, entsprechende Szenen seien immer von den Produzenten hineinmontiert worden. Trotzdem kann man sagen, dass er zumindest grenzwertig gedreht hat. Viele seiner Filme enthalten explizite Aufnahmen der weiblichen Anatomie und Selbstbefriedigungsszenen, was in vielen Ländern, damals sicherlich auch als Pornografie eingestuft wurde. Die deutschen Zensur- / Jugendschutzbehörden wären allein von seinen Filmen ausreichend ausgelastet gewesen. Bis heute sind viele seiner Filme indiziert. Beschlagnahmt ist, soweit ich weiß, keiner mehr.

Es ist sehr schwer hier das Gesamtwerk Fracos abzudecken, aber es sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass er bis heute Filme dreht, zwar keine fünf oder sechs mehr pro Jahr, aber alle paar Jahre haut er wieder einen raus. Die aber anscheinend nur von einer kleinen Freundesschaar goutiert werden. Sein letzter nennenswert beachteter Film ist "Killer Barbys vs. Dracula" von 2002, eine deutsch-spanische Co-Produktion in der die Band "Killer Barbys" und Bela B. mitspielen. Ebenfalls eine Rolle abbekommen haben Dan van Husen und Katja Bienert. Dan van Husen hat in den Siebzigern in einer ganzen Reihe von Italowestern und in Francos "Perverse Emanuelle" mitgespielt. Katja Bienert war für Franco, die "Lolita am Scheideweg" und das mit 13 Jahren. Sie hat in insgesamt 6 Franco-Filmen mitgespielt.

Eine lobende Erwähnung sollte aus seinem Filmkanon der Film "Vampyros Lesbos" haben. Ein surreales Meisterwerk des abgefilmten LSD-Trips. Soledad Miranda in der Hauptrolle als Vampirin, die am hellichten Tag Mädels in ihr Penthouse lockt. Soviel Style hat kein Francofilm mehr gehabt. Das ist pures Kino, vollkommen sinnfrei, aber allemal unterhaltsamer als alle Bruckheimer-Gurken zusammen. Leider ist der Film als deutsche DVD nicht mehr zu bekommen, allerdings bietet das Ausland Bezugsmöglichkeiten.

Empfehlenswerte Filme (soweit ich sie kenne):

  • Vampyros Lesbos
  • Nachts wenn Dracula erwacht (läuft öfters im Fernsehen)
  • Jack The Ripper
  • Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne
  • Frauengefängnis (nicht wegen seiner Qualität)
  • Necronomicon - Geträumte Sünden (Berlinale 1968!)
  • Der Todekuß des Dr. Fu Manchu
  • Sie tötete in Ekstase
  • Jungfrau in den Krallen von Vampiren
  • Das Frauenhaus aka Blue Rita
  • der goldene Tempel der Amazonen
  • Killer Barbys vs. Dracula

ich denke mit dieser Liste hat man so ziemlich seine gesamten Perioden abgearbeitet. Allerdings sollte man für einige seiner Filme doch eher weniger Probleme mit Endlosauspeitschungen von Darstellerinnen haben. Auch angedeuteter Sex mit Tieren kann schon mal vorkommen. Nebenbei, die katholische Kirche hat ihn in den Siebzigern als den gefährlichsten Regisseur zusammen mit Luis Bunuel eingestuft. Was dann auch zu einer Bekanntschaft der beiden geführt haben soll.

Dieser Text soll eine Einladung sein, sich mal abseits der breitgetretenen Pfade des europäischen Kulturkinos zu bewegen. Neben Franco gibt es da noch eine Reihe weiterer Filmemacher zu entdecken.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

bkhdk

Ich finde es wird von Tag zu Tag schlimmer...

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