Deutsches Stockholm-Syndrom

Transatlantismus Donald Trump erweist uns möglicherweise mit der Einfuhr von Auto-Zöllen einen Dienst für den Anfang des Endes einer naiven deutschen Sicht auf den Transatlantismus.

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The Transatlantic Dream is dead! Oder um es mit den Worten Angela Merkels in abgewandelter Form zu sagen: „Die transatlantische Partnerschaft halte ich für eine Lebenslüge.“

Wer es nicht glaubt, möge sich mit der wachsenden Ungeduld der Amerikaner beschäftigen, die versuchen mit der Brechstange dem deutschen merkelschen Starrsinn Garaus zu machen.

Dabei sind die Drohungen der potenziellen Einfuhr von Auto-Zöllen oder Sanktionen gegen Nord Stream 2, die einzigen von Donald Trumps geschaffenen Damokles-Schwertern über unseren Köpfen, denen ich sogar etwas abgewinnen kann. Schon vor zwei Jahren bei dessen Wahl wuchs in mir die Hoffnung, dass wenn von allen Unfähigen der Republikaner ausgerechnet er Präsident werden würde, am Ende irrwitzigerweise doch auch was sicherheitspolitisch für Europa und Deutschland dafür rausspringen müsste. Oder?

Man mag mir gerne Naivität unterstellen, aber meine Hoffnung war es und ist es immer noch, dass Trump dermaßen viel Schaden in den transatlantischen Beziehungen anrichtet, dass Deutschland sicherheitspolitisch erwachsen werden muss und seine Aufmerksamkeit fortan auf Europa konzentriert, indem es das Zusammenrücken der Union gemeinschaftlich mit den Anderen Ländern fördert und die USA zunehmend nicht anders als Russland und China behandelt. Als einen schwierigen Partner. Aber nicht als Hegemon.

Die erste meiner Hoffnungen hat sich erfüllt. Die Transatlantischen Beziehungen liegen am Boden wie noch nie zuvor. Eine europäische Emanzipation hat sich jedoch immer noch nicht entwickelt. Weil mal wieder die Bremser vom Dienst blockieren – Deutschland.

Ein Grund für die Blockade jener europäischen Emanzipation ist wohl nach wie vor das Stockholm-Syndrom der deutschen Transatlantiker*Innen, die die USA nach wie vor als großen Verbündeten wähnen.

Die ihre Freunde in New York und Washington besuchen gehen, um vereint gegen alles böse der Welt zu bestehen. Im Gegenzug bekommen sie aus Arlington ihre kostbaren Sicherheitsinformationen, ohne die sie vergehen würden. Wie eine Blume im Wind…

Mir ist immer noch eine Diskussion bei Anne Will zwischen der Publizistin Constanze Stelzenmüller und Oskar Lafontaine am Vorabend der Präsidentschaftswahl 2016 in Erinnerung geblieben, wo Frau Stelzenmüller krampfhaft versuchte Gründe für das große liberale Amerika zu zeichnen an das man doch bitte als Europa glauben müsse.

Auch hier zeigt sich ein fataler Irrtum. Transatlantiker*Innen sehen stets die weiße liberale Elite an den beiden Küsten wenn sie von Amerika sprechen. Sie ignorieren, dass es einerseits in den sogenannten „Fly Over States“ eher konservativ geprägte Menschen, unter anderem viele Republikaner*Innen und Trump Wähler*Innen, gibt. Andererseits, dass auch die weiße liberale Schicht nicht mehr widerspruchslos das Sagen hat. Die Black Lives Matter Bewegung und der Aufstieg von Politiker*Innen wie Alexandria Ocasio Cortez beweisen, dass es immer stärker sichtbare Emanzipationsbewegungen auch an den Küsten gibt. Wer also Amerika rein auf Menschen wie Barack Obama, Hillary Clinton und Nancy Pelosi reduziert, verhält sich ungleich antiamerikanischer da er oder sie klischeehaft und willkürlich festlegt, wen man als seine transatlantischen Freunde idealisiert und wen nicht.

Zum anderen zeugt der Unwille, in seine Sicherheit und die Zukunft Europas zu investieren, solange die Transatlantiker*Innen in Washington nicht das Sagen haben, eben von jener Ausnutzung die Trump Merkel jedes Mal geschickt vorhalten kann. Sind wir deshalb so masochistisch gegenüber den USA veranlagt, solange wir Sicherheitsinformationen bekommen und unsere Autos nicht mit Zöllen belegt werden? Nehmen wir deshalb alle in Europa in Geiselhaft, insbesondere wenn deutsche Interessen bedroht sind?

Ich unterstütze die französischen Regierung ausnahmesweise in ihrer Konfrontationspolitik gegenüber den USA. Wir sollten nicht einmal auf den Gedanken kommen uns auf Verhandlungen einzulassen! Nur zu gerne nehme ich Sanktionen für Nord Stream 2 und Autozölle in Kauf. Es wäre ein deutliches Zeichen an die Bundesregierung, dass Germany First in Europa und die Akzeptanz von America First nicht nebeneinander funktionieren.

Ich halte Donald Trump nicht für den Alptraum Europas oder der Deutschen. Sondern für den Alptraum Angela Merkels und der Transatlantiker*Innen.

Er ist nicht der Präsident den die Transatlantiker*Innen brauchen.

Aber er ist der Präsident den sie verdienen.

Destroy them, Donald!

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Geschrieben von

Blue Sweet Potato

narrenfreier parteiloser linker Aktivist der sich ungefragt zu Wort meldet gerade dann wenn es am meißten wehtut.

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