Die menschliche Beerdigungskultur ist schon für sich genommen nicht gerade freundlich. Der Körper des Verstorbenen wird in einen meist entbehrlichen Anzug gesteckt, mit Chemikalien vollgepumpt, in einen dunklen Sarg gelegt, und schließlich in der Erde vergraben – oder bei etwa 900 Grad Celsius verbrannt. Die Kirche warnte Jahrhunderte lang vor den Qualen des Höllenfeuers, hat aber keine Probleme damit, ihre Toten zum Abschied in den Ofen zu schieben.
Abgesehen von der groben Behandlung der meisten Leichen ist die moderne Bestattung aber vor allem eines: eine gewaltige Umweltverschmutzung. Die Standardbeerdigung in den USA gilt als besonders ökofeindlich. Die Leichen werden mit verschiedenen chemischen Lösungen behandelt, in metallene oder lackierte Holzsärge gelegt und mit Seide-, Messing- und Plastik-Accessoires verschönert, bevor sie samt Beiwerk in einem Betongewölbe verschwindet.
Die Herstellung des Materials allein verbraucht Unmengen Energie. Nicht zu vergessen, was dem Boden zugemutet wird. Forscher an der Cornell University haben ausgerechnet, dass US-Bestatter jährlich 3,7 Millionen Liter Balsamierungflüssigkeit, meist das krebserregende Formaldehyd, 1,6 Millionen Tonnen Beton, 104.000 Tonnen Stahl, 2.700 Tonnen Kupfer und Bronze in der Erde versenken. Mit dem Holz, das auf einem einzigen Friedhof verscharrt liegt, könnte man 40 Einfamilienhäuser bauen. Hinzu kommt, dass das viele Material Platz braucht, der für weitere Gräber fehlt. Die Pflanzen auf dem Grab werden schließlich noch mit giftigen Herbiziden gepflegt.
Ökologische Beerdigungen sollen gleich mehrere Probleme lösen: Die Leichen werden nicht mit Chemikalien behandelt, die Särge bestehen nur aus biologisch abbaubarem Material. Das Holz für die Särge stammt aus lokalen Wäldern. Die Leichen werden wiederum in einem nachhaltig bewirtschafteten Wald vergraben – unterhalb eines Baumes, an dem ein Schild auf den Verstorbenen hinweist. Herbizide und Monokultur sind tabu.
Eine der ersten dieser Anlagen war das Ramsey Creek Preserve in Westminster, USA, gegründet von George William Campbell. Der Arzt bezog Wissenschaftler in das Projekt mit ein, um Vorurteile zu widerlegen – etwa, dass unbehandelte Leichen Krankheitserreger ins Trinkwasser spülen würden. „Die meisten Viren sterben in wenigen Stunden ab – sie können die Tiefe des Trinkwassers in dieser Zeit nicht erreichen“, erklärt Campbell. Lediglich wenn sehr viele Leichen an einer Stelle begraben werden, sollte man das Trinkwasser im Umkreis von etwa 20 Metern meiden.
Grüne Beerdigungen sind in den USA inzwischen gefragt. Der Umweltjournalist Mark Harris, Ex-Kolumnist der Los Angeles Times, erklärt das zunehmende Interesse in Grave Matters so: „Grüne Beerdigungen kosten weniger, sind leichter durchzuführen, besinnen sich auf alte Traditionen, sind mit praktisch allen religiösen Ansichten vereinbar, und sie sind klimafreundlich.“ Die umsatzstarke Beerdigungsindustrie hält sich noch bedeckt. Harris vermutet, dass die Unternehmen abwarten, wie sich der Trend entwickelt.
Chemiemix im Grundwasser
Im umweltbewussten Deutschland hält sich die Begeisterung ebenfalls in Grenzen. Der Bundesverband Deutscher Bestatter meint, dass „grüne Beerdigungen“ ohnehin ein irreführender Begriff sei. „In Deutschland sind die Gesetze so gefasst, dass ökologische Kriterien stärker als in anderen Ländern vorgeschrieben sind“, sagt Oliver Wirthmann vom Bundesverband. Man arbeite bereits ökologisch. Trotzdem werden lösemittelhaltiger Leim, Sarggriffe aus Metall oder Kunststoff, und lackiertes Holz verwendet – der unappetitliche Chemiemix sickert über Jahre ins Grundwasser.
Einige Bestatter haben daher Eigeninitiative ergriffen. David Blank aus dem süddeutschen Hersbruck etwa bietet Särge aus unbehandeltem Holz an, frei von Metall und Lösungsmitteln, mit Holzdübeln statt Schrauben und mit Sarggriffen aus Hanf sowie eine Einbettung aus Natur-Leinenstoff. „Wir haben schon länger festgestellt, dass Kunden sich über die Umweltaspekte bei Beerdigungen Gedanken machen“, sagt David Blank. Er entwickelte deshalb den grünen Sarg gemeinsam mit seinem Hersteller. 40 bis 50 Särge hat er seit einem Jahr verkauft.
Da allein der Holzkorpus eines Sargs 10 bis 20 Jahre braucht, ehe er zersetzt ist, gilt die Einäscherung als umweltfreundlichste Bestattung. Die Öko-Särge von David Blank werden deshalb auch verbrannt – die Asche wiederum kommt in Urnen, die nach drei bis sechs Jahren rückstandsfrei zerfallen. Eine Kombination aus Einäscherung und grüner Bestattung im Wald bietet das Unternehmen FriedWald in Griesheim. Ähnlich wie in den US-Parks werden die Verstorbenen nach der Einäscherung in ihrer Öko-Urne im Wald beerdigt. Die Menschen können praktisch den Baum buchen, an dem ihr Namensschild angebracht sein wird.
FriedWald kommt den natürlichen Beerdigungen in den USA am nächsten – und ist sehr beliebt. Knapp 25.000 Menschen wurden in Deutschland bisher auf diese Weise bestattet, mehr als 80.000 wünschen sich eine FriedWald-Beerdigung. Ein Grund dürfte sein, dass die komplette Grabpflege von der Natur übernommen wird. Das Unternehmen forscht bereits nach neuen Wäldern, doch die müssen strenge Kriterien erfüllen. „Ein Laub-Mischwald, ruhig gelegen, aber dennoch mit guter Infrastruktur“, sagt Sprecherin Corinna Brod. „Ein Wanderparkplatz und ein natürliches Wegenetz sollten vorhanden sein.“ Die Wälder bleiben im Besitz der Kommunen und werden vom Forstamt betreut – die Verwaltung der Bestattungen übernimmt FriedWald.
In der Kälte zerbröselt
Allerdings ist auch die Einäscherung ökologisch nicht ganz unproblematisch: Menschen bestehen keineswegs mehr aus reiner Biomasse, sie haben zum Beispiel Amalgamfüllungen, aus denen in der Hitze Quecksilber entweicht. Zwar wird der Ausstoß durch ein zweifaches Brenn- und Filterverfahren minimiert, aber eben nicht hinreichend. Die Biologin Susanne Wiigh-Mäsak hat für die schwedische Firma Promessa ein Verfahren entwickelt, das den Körper ökologischer pulverisiert: Die Toten werden erst auf minus 18 Grad gekühlt, der Sarg dann in flüssigen Stickstoff getaucht. Das nun brüchige Material wird durch Vibration in ein organisches Granulat zerbröselt, dem dann das Wasser und die Schwermetallen entzogen werden können. Falls nötig wird es auch noch desinfiziert.
„Schon nach 6 bis 12 Monaten in der Erde ist das Granulat abgebaut“, sagt Susanne Wiigh-Mäsak. Die meisten Lizenznehmer für die Methode kommen derzeit aus Südkorea und Südafrika – in Südkorea ist fruchtbarer Boden knapp, in Südafrika ist die Sterblichkeitsrate überdurchschnittlich hoch. Schon jetzt hätten aber auch gut 40 deutsche Unternehmen Interesse gezeigt, sagt die Schwedin, die nebenbei auch noch einen Bioladen betreibt. Sie hat sogar eine Organisation gegründet, Prolifera, die für die Methode wirbt. Leider gibt es einen Haken: Flüssiger Stickstoff ist teuer und benötigt viel Energie in der Herstellung.
Ökologische Beerdigungen sind für viele aber nicht nur aus Umweltschutzgründen attraktiv. Die US-Filmemacher Amy Browne und Jeremy Kaplan arbeiten derzeit an einer Dokumentation über natürliche Beerdigungen, die 2012 zu sehen sein soll. Sie waren von den Abschieds-Zeremonien im Wald beeindruckt. „Die Bestattungen sind viel intimer und persönlicher, es gibt keine vorgegeben Standards“, sagt Jeremy Kaplan. Amy Browne ergänzt: „Grüne Beerdigungen betonen den Lebenszyklus – wo etwas stirbt, entsteht etwas neues. Das macht den Tod weniger angsteinflößend.“ Susanne Wiigh-Mäsak stimmt dem zu: Es sei in der westlichen Gesellschaft verhasst, übers Sterben und über Beerdigungen zu sprechen – mit der Leichenkonservierung verneine man den Tod symbolisch. Vertreter der grünen Beerdigungen dagegen gingen mit dem Sterben eher positiv um.
Journalist Mark Harris möchte später selbst natürlich beerdigt werden und engagiert sich für einen grünen Abschnitt auf dem Friedhof seiner Heimatstadt. „Es wird ein schöner Ort sein, um sich auszuruhen – zu gegebener Zeit.“
Boris Hänßler schreibt im Freitag vor allem über die Beschränkungen menschlicher Existenz in der Weite des Universums
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