Eigentlich möchte ich gern Chef des WDR-Hörfunks in Köln werden, vielleicht sogar Intendant", sagt Arkadiusz Luba grinsend. "Das wäre meine Traumvorstellung von europäischer Freizügigkeit", legt der junge Radiojournalist in akzentfreiem Deutsch nach. Arek, wie er genannt wird, gehört zur Elite gut ausgebildeter, selbstbewusster junger Polen, die weit über die Grenzen ihres Vaterlandes hinaus blicken und sich auch ohne EU-Mitgliedschaft längst als Europäer verstehen. Sie besuchen ihre Nachbarländer, belegen Sprachkurse im Ausland und sind in den Kulturen Westeuropas zu Hause.
Natürlich, so Arek, sei das Referendum ein wichtiges Thema bei Radio Olsztyn, auch in der deutschen Redaktion des öffentlich-rechtlichen Senders, für die er in den Masuren arbeitet. Wichtig sei es dabei, den Ängsten und Hoffnungen der Menschen Raum zu geben. "In der älteren Generation stößt der EU-Beitritt auf mehr Zustimmung als bei jungen Leuten, die sind eher skeptisch." Arek befürwortet den Schritt seines Landes, wenn er auch nicht als EU-Enthusiast gelten will. Vielleicht sei Polen wirtschaftlich wirklich noch nicht reif für eine Vollmitgliedschaft - für Jan Kowalski jedenfalls - den polnischen "Otto Normalverbraucher" - sieht er keine schnellen Vorteile. "Wer es bisher schwer hatte, wird es auch weiter schwer haben. Und mein Traum von der europaweiten Niederlassungsfreiheit wird diesen Menschen herzlich egal sein. Migration und freie Arbeitsplatzwahl eröffnen ja nur den Gutausgebildeten eine Chance."
Und natürlich bleibe das Problem Landwirtschaft. "Wer da nicht in der Lage ist, die Formulare richtig auszufüllen, bekommt kein Geld. In unseren ländliche Regionen haben die meisten nie gelernt, betriebsstrategisch zu denken. Genau das aber wird nun gebraucht, leider hilft ihnen niemand beim Umlernen." Allein Polens Großbauern mit 150 und mehr Hektar Fläche gelten heute als EU-kompatibel. Sie besitzen etwa zehn Prozent der 1,8 Millionen polnischen Höfe und erbringen fast 90 Prozent der gesamten Agrarproduktion. Das Gros der Landwirte jedoch bewirtschaftet Flächen von weniger als zehn Hektar, oft fast ausschließlich zum Eigenbedarf. Gerade sie sollen durch ein jetzt aufgelegtes Regierungsprogramm an die Wahlurnen gelockt werden. Danach kann jeder Bauer, der über 55 Jahre alt ist und mindestens drei Hektar seines Bodens an einen anderen Landwirt abgibt, eine "Strukturrente" erhalten. Das zielt einerseits auf rentable Hofgrößen, andererseits soll der radikalpopulistischen Bewegung Samoobrona (s. oben) der Wind aus den Segeln genommen werden.
Besonders die Wojewodschaft Warmia und Mazury, Arek Lubas ärmliche Heimatregion im Nordosten Polens, spürt eine stetig wachsende Kluft zum Lebensstandard in den Städten weiter westlich oder der Boomtown Warschau. Arbeitslosenquoten von weit über 40 Prozent sind die Regel in Masurens Dörfern, mehr als vier Fünftel der Betroffenen müssen ohne Leistungen des Arbeitsamtes überleben. Um eine offene Stelle schlagen sich 500 Bewerber. Ob der EU-Beitritt ab 2004 daran etwas ändert, bezweifelt Arek und ist damit nicht so zweckoptimistisch wie Präsident Aleksander Kwasniewski, der Mitte Mai auf seiner Referendumstour auch Masurens Hauptstadt Olsztyn besuchte und den Tourismus als ökonomischen Heilsbringer der Region pries. Immerhin, jüngste Umfragen weisen gerade für diesen Teil Polens mit 78 Prozent eine hohe Zustimmungsrate aus. Selbst in den ländlichen Gebieten werden landesweit mittlerweile etwa 50 Prozent Ja-Stimmen erwartet.
Fährt man durch Polen in diesen Tagen, nimmt man kaum wahr, dass ein für das Land so gewichtiges Votum ansteht. Kaum Plakatwände und keine Infostände zwischen Szczecin und Suwalki - McDonalds ist sehr viel präsenter als das Referendum. Die selbst von ihren Betreibern als blass geschmähte Regierungskampagne unter dem Motto "Ja, ich stimme ab" wirkt eher peinlich. Wirkungsvoller erscheint die Fernsehkampagne in den öffentlich-rechtlichen Anstalten, die 79 Nichtregierungsorganisationen je eine halbe Stunde kostenlose Sendezeit für ihre Spots einräumen. Am meisten überzeugt noch der im Vormonat begonnene EU-Werbefeldzug des populären Präsidenten, wenn auch das Motto "Ja für Polen!" zumindest missverständlich klingt.
Auf die Frage, welchen Ausgang des Referendums er erwarte, meint Arek Luba: "Ich weiß es nicht, auch wenn die Demoskopen der Institute CBOS und OBOP eine Wahlbeteiligung von 65 Prozent vorher sagen, glaube ich, dass es knapp wird. Auf jeden Fall knapper als in der Slowakei." Nasz Dziennik, viertgrößte Tageszeitung des Landes und Sprachrohr der rechten Katholiken, titelt in der Woche vor dem Votum unverdrossen: "Das Ende des Traumes von der Souveränität Polens".
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