Weniger als eine Woche haben sie gedauert, die Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD. Und gleich beim ersten Treffen wurde klar, dass die Ergebnissoffenheit, die die SPD-Spitze beim SPD Bundesparteitag im Dezember versichert hatte, nicht würde eingehalten werden können. Und so überrascht es nicht, dass heute Morgen die Parteichefin der CDU und ihre männlichen Gegenspieler von CSU und SPD das Eintreten in Verhandlungen über die Aufnahme einer Neuauflage der großen Koalition, nicht aber über Tolerierungs- oder Kooperationsmodelle empfahlen – "Das bilden einer stabilen Regierung" ist das Berliner Codewort hierfür.
Eine Überraschung ist jedoch, was Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz da heute für ein Papier vorlegeten: Zwar dürften nur wirklich wenige rund um die GroKo-Sondierungen viel erwartet haben, aber das, was Martin Schulz heute morgen mit Angela Merkel und Horst Seehofer vorgestellt hat, untertrifft zumindest meine Erwartungen trotzdem noch einmal: Eine Formulierung zum Rückkehrrecht aus Teil- in Vollzeit, die noch hinter dem zurück bleibt, was im beschlossenen Koalitionsvertrag von 2013 stand, keine Bürgerversicherung, keine mutige Außenpolitik, mehr Rüstungs- statt Entwicklungshilfeaufwendungen, nicht mehr Gerechtigkeit in der Steuerpolitik, dafür ein Obergrenze-Bekenntnis und statt einem Europa der Solidarität ein „Europa der Wettbewerbsfähigkeit“.
Zur Sonne, zur Freiheit?
Die nächste Bundesregierung müsste neue Hoffnungen machen und diese auch belegen können. Doch dafür fehlt ein linkes Aufbruchssignal. Die Digitalisierung hätte ein Themenfeld hierfür seien können. Doch statt dem Umgang mit Big Data oder der Sicherung von Teilhabeperspektiven und der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie geht es in diesem Themenbereich fast nur um Breitbandausbau. Wer seit der Bundestagswahl gesagt hat, dass die Erneuerung der SPD über Inhalte entschieden wird, muss heute sagen, dass diese Erneuerung mit einer Zustimmung zu diesem Papier krachend gescheitert wäre! Wie die SPD sich so inhaltlich profilieren möchte – und das hätte sie dringend nötig, zeigt das letzte Wahlergebnis doch wie verwässert sie ist – bleibt mir ein Rätsel.
Doch die großen Antworten auf Zukunftsfragen wollen die Sondierenden offenbar nicht liefern, weder bei der Digitalisierung, noch bei der Rente, bei den dringend benötigten neuen Beschäftigungsperspektiven, einer moderneren Bildungspolitik oder bei Europa. Das zeigt, dass der Erneuerungsprozess der SPD noch nicht die nötige Fahrtgeschwindigkeit aufgenommen hat oder – schlimmer! – noch nicht einmal Konsens über die Fahrtrichtung besteht. Die SPD muss weg von ihrer Zeitgeist- und Umfragenhörigkeit, die ihr mit der Agenda 2010 schon einmal riesige Vertrauensverluste einbrockte und die sie nun mit der Besprechnung der Heimat und Leitkultur und der Zustimmung zu einer restriktiven Asylpolitik vollständig zu marginalisieren droht. Verantwortung zu übernehmen heißt aber genau das zu verhindern, denn ob der genannten Herausforderungen wird eine starke linke Kraft wie eh und je gebraucht.
Auch die Vereinbarungen zur Arbeitsweise lassen böses erahnen: Nicht die Union, die in der letzten GroKo u. a. bei der Solidarrente und in der geschäftsführenden Bundesregierung bei der Glyphosat-Verlängerung schwerwiegende Vertrauensbrüche beging, soll vor den Koalitionsverhandlungen in Vorleistungen gehen, sondern die SPD verpflichtet sich dazu, noch im Januar einer Ausweitung der Aussetzung des Familiennachzugs zuzustimmen. Die minimale Erhöhung der Parlamentsbefragungen der Bundeskanzlerin kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPD der AfD die Oppositionsführer*innenschaft überlassen müsste, daher bleibt es unverantwortlich, dass die Union Gespräche über eine Minderheitsregierung oder andere Kooperationsbedingungen blockiert hat.
Auf, auf zum Kampf!
Martin Schulz mag diese Ergebnisse „hervorragend“ nennen – ich weiß jetzt zumindest, warum er nicht Scheidungsanwalt geworden ist. Die Sondierungsergebnisse sind eine Aufforderung zum Kampf: Gegen eine Fortsetzung der großen Koalition, für eine echte Belebung der parlamentarischen Demokratie und das Fortbestehen der Sozialdemokratie! Oder einfach: Für die vielen Menschen in diesem Land.
Kommentare 6
wo bleibt Ihr respekt vor großen taten?
schließlich hat unser hl. martin den drachen
mit einem beherzten lanzen-stroß erstochen,
der als regierungs-losigkeit herum-würmte.
das auf-teilen des herrlich-wärmenden mantels an bedürftige
wird bloß für 4 jahre aufgeschoben
( auch wenn dem hl. gregor in seiner schneider-werkstatt
die verquere reihen-folge nicht paßt).
also:
verderben Sie uns nicht die heroik der legende!
Also nichts Neues: Wer hat uns verraten…
Die „Erfolge“ der SPD in den Sondierungen bestehen darin, die schlimmsten Ungerechtigkeiten der Agenda 2010 ein bisschen abzumildern, ohne das Grundprinzip anzutasten.
Herr Schulz erklärte am 24.09.2017 direkt nach der Wahl die Große Koalition für beendet, Frau Nahles wollte der Union "auf die Fresse" geben, der Parteivorstand beschloss Wochen später einstimmig die Unmöglichkeit einer neuen Großen Koalition, Herr Schulz versicherte, niemals Minister unter einer Kanzlerin Merkel werden zu wollen.
Jetzt rühmt Herr Schulz das Sondierungsergebnis zur Großen Koalition als "hervorragend", Frau Nahles will die kommende Große Koalition als Fraktionsvorsitzende bedingungslos unterstützen und Herr Schulz mann sich vorstellen, unter Kanzlerin Merkel ein Ministeramt zu bekleiden.
Zentrale SPD-Forderungen, z.B. die Bürgerversicherung, die Abschaffung sachgrundloser Befristungen, die Abschaffung der Quellensteuer von 25 Prozent statt Besteuerung mit dem Einkommenssteuertarif, eine bessere Erbschaftssteuer usw., tauchen im Sondierungspapier gar nicht auf, wurden also aufgegeben.
Fazit: Die SPD krankt nicht an dieser oder jener programmatischen Schwäche, sie krankt an einem grundsätzlichen Mangel an Glaubwürdigkeit, inhaltlich wie auch personell!
Hm, hab mir Mühe gegeben, aber ich kann nicht 1 ihrer Sätze bestreiten.
Was der Schulz da macht, kürt ihn zum Wendehals der Nation. Ein Mann mit Rückrat macht so was nicht. Das ist ein Mensch der sein Fähnlein nach dem Wind richtet. Der sollte lieber stehen bleiben und jetzt die Reissleine ziehen, alles was jetzt noch weiter unternommen wird, ist eh nichts anderes als einen toten Patienten mit künstlichen Mittelchen am Leben zu erhalten. Zombie Politik nennt man so was. GroKo ist nicht nur der Stillstand der Politik, sondern das politische Grab der SPD, welches sie bei der nächsten Wahl beziehen müssen. Beim Parteitag morgen ist die letzte Chance vom Train-To Nowhere auszusteigen. Warum kapieren die das nicht? Der Schulz muss weg, dass ist der Totengräber der SPD. Wie man bei den Griechenland-Verhandlungen gesehen hat, ist das ein neoliberaler Hardliner, dem es hauptsächlich darum ging als Als Präsident im Euro Parlament politisch zu überleben. Er hat eine Menge Schwachsinn verzapft und Deutschland als Hegemon stark gemacht, während vor allem das Nord-Süd Gefälle der Euro Zone keine Rolle spielte und schwächere Länder noch schwächer und ärmer wurden. Wenn der von sozialer Gerechtigkeit und Ausgleich redet, dann ist das der letzte, dem ich auch nur ein Wörtchen glaube.
An Schulz denke ich schon gar nicht mehr, er ist verbrannt. Er hatte seine Chance und diese nicht genutzt. Wobei man sagen muß, mit DIESER SPD konnte man sie vielleicht auch gar nicht nutzen.
Der Weg geht seit Jahren abwärts und die SPD ist standhaft bereit diesen Trend fortzusetzen. Wehe einer wagt es das zu stoppen.
Viele haben bei A 2010 wohl in die Hände geklatscht. Die CDU hätte das nie durchbekommen. Nun müssen sie mit dem Makel leben, nur eine kleine Hilfstruppe der CDU zu sein.
Die Zeit beginnt wohl zu der man sich langsam fragen kann, ob die SPD noch gebraucht wird. Wir haben Parteien und neue können sich bilden. Wieso soll man sich wegen der SPD noch Jahrzehnte die Haare raufen?
Von den Stimmen % der AFD und FDP sind sie nicht so weit entfernt, insofern steht auch die Bezeichnung Volkspartei zur Disposition.
Nur die Mitglieder können noch etwas retten indem sie den Austausch der gesamten Führungsriege fordern und sich ihre Partei zurückholen.