Auf, auf zum Kampf!

#NoGroKo Für Martin Schulz sind die Sondierungsergebnisse "hervorragend", sie sollten jedoch eine Aufforderung zum Kampf sein. Eine Abrechnung

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Hand drauf, auf eine weitere Runde Groko? Besser nicht. Es bräuchte einen Kampf für sozialdemokraitsche Politik in diesem Land
Hand drauf, auf eine weitere Runde Groko? Besser nicht. Es bräuchte einen Kampf für sozialdemokraitsche Politik in diesem Land

Foto: Steffi Loos/Getty Images

Weniger als eine Woche haben sie gedauert, die Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD. Und gleich beim ersten Treffen wurde klar, dass die Ergebnissoffenheit, die die SPD-Spitze beim SPD Bundesparteitag im Dezember versichert hatte, nicht würde eingehalten werden können. Und so überrascht es nicht, dass heute Morgen die Parteichefin der CDU und ihre männlichen Gegenspieler von CSU und SPD das Eintreten in Verhandlungen über die Aufnahme einer Neuauflage der großen Koalition, nicht aber über Tolerierungs- oder Kooperationsmodelle empfahlen – "Das bilden einer stabilen Regierung" ist das Berliner Codewort hierfür.

Eine Überraschung ist jedoch, was Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz da heute für ein Papier vorlegeten: Zwar dürften nur wirklich wenige rund um die GroKo-Sondierungen viel erwartet haben, aber das, was Martin Schulz heute morgen mit Angela Merkel und Horst Seehofer vorgestellt hat, untertrifft zumindest meine Erwartungen trotzdem noch einmal: Eine Formulierung zum Rückkehrrecht aus Teil- in Vollzeit, die noch hinter dem zurück bleibt, was im beschlossenen Koalitionsvertrag von 2013 stand, keine Bürgerversicherung, keine mutige Außenpolitik, mehr Rüstungs- statt Entwicklungshilfeaufwendungen, nicht mehr Gerechtigkeit in der Steuerpolitik, dafür ein Obergrenze-Bekenntnis und statt einem Europa der Solidarität ein „Europa der Wettbewerbsfähigkeit“.

Zur Sonne, zur Freiheit?

Die nächste Bundesregierung müsste neue Hoffnungen machen und diese auch belegen können. Doch dafür fehlt ein linkes Aufbruchssignal. Die Digitalisierung hätte ein Themenfeld hierfür seien können. Doch statt dem Umgang mit Big Data oder der Sicherung von Teilhabeperspektiven und der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie geht es in diesem Themenbereich fast nur um Breitbandausbau. Wer seit der Bundestagswahl gesagt hat, dass die Erneuerung der SPD über Inhalte entschieden wird, muss heute sagen, dass diese Erneuerung mit einer Zustimmung zu diesem Papier krachend gescheitert wäre! Wie die SPD sich so inhaltlich profilieren möchte – und das hätte sie dringend nötig, zeigt das letzte Wahlergebnis doch wie verwässert sie ist – bleibt mir ein Rätsel.

Doch die großen Antworten auf Zukunftsfragen wollen die Sondierenden offenbar nicht liefern, weder bei der Digitalisierung, noch bei der Rente, bei den dringend benötigten neuen Beschäftigungsperspektiven, einer moderneren Bildungspolitik oder bei Europa. Das zeigt, dass der Erneuerungsprozess der SPD noch nicht die nötige Fahrtgeschwindigkeit aufgenommen hat oder – schlimmer! – noch nicht einmal Konsens über die Fahrtrichtung besteht. Die SPD muss weg von ihrer Zeitgeist- und Umfragenhörigkeit, die ihr mit der Agenda 2010 schon einmal riesige Vertrauensverluste einbrockte und die sie nun mit der Besprechnung der Heimat und Leitkultur und der Zustimmung zu einer restriktiven Asylpolitik vollständig zu marginalisieren droht. Verantwortung zu übernehmen heißt aber genau das zu verhindern, denn ob der genannten Herausforderungen wird eine starke linke Kraft wie eh und je gebraucht.

Auch die Vereinbarungen zur Arbeitsweise lassen böses erahnen: Nicht die Union, die in der letzten GroKo u. a. bei der Solidarrente und in der geschäftsführenden Bundesregierung bei der Glyphosat-Verlängerung schwerwiegende Vertrauensbrüche beging, soll vor den Koalitionsverhandlungen in Vorleistungen gehen, sondern die SPD verpflichtet sich dazu, noch im Januar einer Ausweitung der Aussetzung des Familiennachzugs zuzustimmen. Die minimale Erhöhung der Parlamentsbefragungen der Bundeskanzlerin kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPD der AfD die Oppositionsführer*innenschaft überlassen müsste, daher bleibt es unverantwortlich, dass die Union Gespräche über eine Minderheitsregierung oder andere Kooperationsbedingungen blockiert hat.

Auf, auf zum Kampf!

Martin Schulz mag diese Ergebnisse „hervorragend“ nennen – ich weiß jetzt zumindest, warum er nicht Scheidungsanwalt geworden ist. Die Sondierungsergebnisse sind eine Aufforderung zum Kampf: Gegen eine Fortsetzung der großen Koalition, für eine echte Belebung der parlamentarischen Demokratie und das Fortbestehen der Sozialdemokratie! Oder einfach: Für die vielen Menschen in diesem Land.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Bühlbecker

Jan Bühlbecker. Slam Poet, Jungsozialist & Sozialdemokrat. Liebt Queer-Feminismus, Fußball, das Existenzrecht Israels & Hashtags.

Jan Bühlbecker

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