Lass mich meinen Glauben feiern, wie ich will

Stille Feiertage Gestern war Karfreitag. Karfreitag war vieles verboten, alles was laut ist, beispielsweise. Warum stille religiöse Feiertage keine gute Idee sind erklärt Jan Bühlbecker.

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Ich war gestern zu besuch bei meinen Großeltern. Es gab Mittagessen, drei Gänge (natürlich ohne Fleisch), Kaffe, Kuchen und Abendbrot. Holla, danach hätte ich aber platzen können. Und dagegen gab es einen Schnaps - Angestoßen, "auf Jesus", mit dem Großvater. Nein, ich glaube nicht, dass ich den Karfreitag so christlich wie möglich begangen habe.

In Bochum treffen sich jedes Jahr am Freitag einige Atheisten und schauen sich den Film 'das Leben des Brain' an. Rechtlich ist die Umsetzung der Veranstaltung immer etwas kompliziert, in der öffentlichen Diskussion wird sie immer lauthals kritisiert. Aber ich glaube nicht, dass eine Gruppe Jugendlicher Atheisten in einem geschlossenen Raum, unabhänig davon, was sie in diesem tun, einen praktizierenden Christen an der würdigen Gestaltung des Karfreitags hindern oder ihn auch nur dabei stören.

In der Welt schrieb Matthias Matthussek gestern: "Der Staat verbietet Karfreitag das Tanzen. Viele tanzen trotzdem – aus Prinzip. Das ist bedenklich. Denn eine Gesellschaft, die Trauer nicht erträgt und Religion nicht ernst nehmen kann, ist krank." Und er bezieht auch Stellung für das Tanzverbot an Karfreitag, zwei Drittel aller Menschen in Deutschland seien Christen sagt er und wir hätten der Kirche auch einiges zu verdanken. Dem widerspreche ich nicht.

Doch die eigentliche Frage lautet: Braucht es an Karfreitag überhaupt einen stillen Feiertag? Ich möchte hier jetzt gar nicht über die Bedeutung der Kreuzigung aus christlicher Sicht diskutieren, das verstehe ich, sie ist unbestritten, aber ich frage mich schon, ob Atheisten, Muslime, Juden oder sonstwie Andersgläubige an diesem Tag auch Inne halten müssen. Und ich frage mich woher der Staat weiß, warum die Christen am Karfreitag ein Tanzverbot brauchen.

Zurück zum Anfang des Artikels: Meine Großmutter ist die gläubigste Frau, die ich kenne. Sie hat gestern mit unserem Hund gespielt, gekocht, gegessen und einen besagten Schnaps mitgetrunken. Zwei dieser vier Dinge (trinken und mit den Hund spielen) macht sie nicht, wenn kein Feiertag ist. Ich glaube, Gott liebt sie trotzdem. Ich glaube, jede Priester würde ihr einen vorzüglichen Lebenswandel bescheinigen. Und deswegen glaube ich, diese staaltliche Bevormundung braucht es nicht.

Feiertage sind wie Sonntage: Man sollte nicht Rasenmähen dürfen, finde ich oder die Mittagsruhe waren müssen, klar und auch sonst sollte man sich an einem Sonn- oder Feiertag so benehmen, dass man seine Mitmenschen nicht stört. Man sollte Rücksicht nehmen, an religösen Feiertagen besonders auf die religösen Gefühle seiner Mitmenschen, man sollte sie nicht provoziern. Aber Verbote die den Einzelnen betreffen sind nicht gerechtfertigt - Stoppt das Tanzverbot, beendet die Bevormundung!

Das alles gilt für religöse Feiertage (die in ihrer Zahl übrigens unbedingt erhalten bleiben sollten). Denn gänzlich verzichten möchte ich auf stille Feiertage auch nicht. Aber ich finde, stille Feiertage passen nicht, wenn ihr Grund nur einen Teil der Bevölkerung betreffen. Ein stiller Feiertag könnte also beispielsweise der Volkstrauertag sein. Mit Tanzverbot, gemeinsamer Andacht und allen Pipapo. Denn da bin ich wieder bei Matthussek: Ein Volk sollte sich die Zeit nehmen, zusammen zu feiern und zusammen zu trauern. "Denn eine Gesellschaft, die Trauer nicht erträgt und Religion nicht ernst nehmen kann, ist krank."

Nur mit dem Tanzverbot an Karfreitag hat der Satz für mich rein gar nichts mit zu tun...

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Geschrieben von

Jan Bühlbecker

Jan Bühlbecker. Slam Poet, Jungsozialist & Sozialdemokrat. Liebt Queer-Feminismus, Fußball, das Existenzrecht Israels & Hashtags.

Jan Bühlbecker

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