Gerhard Schröder muss einsehen, dass sein Freund ein Kriegsverbrecher ist

Ukraine-Krieg Gerhard Schröder ist eine Belastung für die SPD, aber vor allem für den Frieden in Europa. Seine Partei steht für Ukraine-Solidarität und muss ihn allein deswegen rauswerfen, findet Jan Bühlbecker, ein SPD-Ortsvereinsvorsitzender.

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Gerhard Schröder wird es nicht beeindrucken, wenn ich einen Appell an ihn richte, aber trotzdem finde ich es wichtig genau das zu tun, nachdem er sich, dieses Mal in einem Interview mit den New York Times, erneut auf erschreckende Weise zu Wort gemeldet hat. Schröder schafft es immer noch nicht, den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit klaren Worten zu verurteilen - Und das obwohl sein Nein zum Irakkrieg einst sein historisches Vermächtnis sein sollte. Schlimmer noch aber ist, dass Schröder es nicht schafft, die Kriegsverbrechen, die von russischen Soldat*innen in der Ukraine begangen werden, klar zu verurteilen und den politischen Verantwortlichen, den russischen Machthaber Wladmir Putin, eindeutig zu benennen. Dabei ist völlig klar, dass das Morden an Zivilist*innen, die Vergewaltigungen von Frauen und Kindern nicht ohne Wissen und Duldung oder sogar auf Anweisung Putins möglich wären. Schröder hatte lang genug Zeit einzusehen, dass sein Freund ein Kriegsverbrecher ist und er hatte genug Möglichkeiten die richtige Konsequenz daraus zu ziehen: Die Beendigung der Freundschaft, das klare Wort der Verurteilung und der Reue, die bedingungslose Solidarität mit der Ukraine.

Gerhard Schröder hat sich für die Freundschaft mit einem Kriegsverbrecher entschieden und damit sein historisches Vermächtnis zerstört, dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und dem Frieden in Europa schweren Schaden zugefügt. Insbesondere letzteres ist unvereinbar mit den Werten der SPD, der Partei, der Gerhard Schröder alles verdankt und die er mit seinem unentschuldbaren Verhalten dennoch massiv belastet. Ich sehe ein, dass es sinnlos ist, an den Anstand Gerhard Schröders zu appellieren, weil er diesen offenbar an einen faschistischen Imperialisten verkauft hat und dennoch fordere ich Gerhard Schröder auf die SPD endlich zu verlassen: Wir sind eine Friedenspartei - Und Sie, Herr Schröder, stehen für den Krieg!

Ich bin SPD Ortsvereinsvorsitzender, trage also Verantwortung in der Partei von August Bebel, Otto Wels, Willy Brandt und Regine Hildebrandt. Gemeinsam mit vielen Genoss*innen engagiere ich mich für sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt. Gemeinsam mit vielen Genoss*innen engagiere ich mich für Geflüchtete aus der Ukraine und kämpfe für eine Politik, die an der Seite ihres Landes steht. Wir sind eine verantwortungsbewusste Partei, eine transatlantische Partei und eine Partei, die anders als Gerhard Schröder auf der richtigen Seite der Geschichte steht. Wir haben mit ihm abgeschlossen. Und wenn er nicht endlich von selbst geht, dann schmeißen wir ihn eben raus. Aber unsere Politik machen wir ohnehin unabhängig von ihm, selbst ich trage als Ortsvereinsvorsitzender heute mehr Verantwortung in der SPD. Und das ist mir wichtig: Nicht Gerhard Schröder spricht heute für die SPD, sondern 400.000 andere Genoss*innen, die gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz für Frieden, Freiheit und Demokratie kämpfen. Mit der Ukraine. Jeden Tag.

Doch wegen Gerhard Schröder und auch wegen seines Parteibuchs wird meine Partei gerade und zurecht besonders kritisch beäugt. Und in der Tat gibt es in der SPD noch immer Politiker*innen, die sich nicht klar von der imperialistischen Aggression Russlands distanzieren, die es nicht schaffen, Putin als Kriegsverbrecher zu bennenen und die das furchtbare Fehlverhalten von Gerhard Schröder relativieren. Sie sind in der Minderheit - Und dennoch tun sie mir weh. Für mich bedeuten ihre Äußerungen darum vor allem eine Verpflichtung: Innerhalb und außerhalb für eine solidarische Ukraine-Politik zu kämpfen, welche den Kurs des Bundeskanzlers stärkt, mehr Waffenlieferungen ermöglicht und der Ukraine die Chance gibt, den Krieg gegen Russland zu gewinnen, denn diese Solidarität verdient die Ukraine und dieses Kriegsergebnis ist auch wichtig für Europa, weil es unzweifelhaft ist, dass Putin andernfalls seine Aggression ausweiten würde. So werden die Grenzen Schwedens und Finnlands seit Jahren von Russland verletzt: Putins Soldat*innen dringen mit Kampfjets in ihren Luftraum ein, Raketensysteme sind an ihren Grenzen stationiert. Darüber hinaus hat Russland durch Kaliningrad auch eine direkte Grenze zu Polen, dort sind Kurzstreckenraketen stationiert. All diese Waffen können atomar bewaffnet werden. Putin-Vertraute forderten zuletzt auch die "Entnazifizierung" Polens, was der gleiche Vorwand ist, unter dem Russland die Ukraine überfiel. Endziel Putins ist laut Dmitri Medwedew sogar ein Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok.

Deswegen halte ich es auch für falsch Gerhard Schröder mehr Aufmerksamkeit zu geben, als die, die notwendig ist, um ihm den Weg aus der SPD zu weisen, weil jedes Wort Schröders false balancing ist und die politische Debatte sich gerade nicht um zukünftige Beziehungen zu Putin drehen darf, wenn damit nicht gemeint ist, wie man ihn vor den internationalen Strafgerichtshof stellt. Geben wir unsere Aufmerksamkeit darum lieber den Menschen in der Ukraine, denen, die für Freiheit und Demokratie kämpfen und denen, die durch brutale Kriegsverbrechen ermordet worden sind. Sie sind Held*innen unserer Zeit. Und sie haben meine, verdienen unsere Solidarität.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Bühlbecker

Jan Bühlbecker. Slam Poet, Jungsozialist & Sozialdemokrat. Liebt Queer-Feminismus, Fußball, das Existenzrecht Israels & Hashtags.

Jan Bühlbecker

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