Weil es gerecht ist, verdammt

Ehe für alle Die saarländische Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer und Erika Steinbach haben sich kritisch zur "Homo-Ehe" geäußert. Jan Bühlbecker antwortet mit einem offenen Brief

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Sollte es auch in Deutschland geben: Die Ehe für alle
Sollte es auch in Deutschland geben: Die Ehe für alle

Bild: Don Arnold/Getty Images

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer, sehr geehrte Frau Steinbach,

ich schreibe Ihnen stellvertretend für all Ihre Partei- und Fraktionsfreunde, die zum Thema der #Ehefüralle ähnliches gedacht oder gesagt haben; falls Sie dies also gerade lesen, die letzten Aussagen der beiden CDU-Politikerinnen gut fanden und nicht Kramp-Karrenbauer oder Steinbach heißen - Fühlen Sie sich gerne angesprochen.

https://janbuehlbeckersblog.files.wordpress.com/2015/06/img_3339.jpgZunächst einmal: Es stimmt, Frau Steinbach, es geht um Meinungsfreiheit, ja sogar um Freiheit im Allgemeinen. Ich weiß nicht, wer Ihnen das Recht auf freie Meinungsäußerung abgesprochen hat, bin mir zudem sicher, dass es keine ganze Bevölkerungsgruppe war und bitte Sie deswegen auch, in Zukunft weniger reißerisch zu formulieren, auch wenn Sie es vielleicht nur so schaffen, im Gespräch zu bleiben. Denn, wissen Sie was: Sie sind hier gar nicht der Benachteiligte, ganz im Gegenteil. Womit wir wieder beim Thema wären. Es geht um Freiheit, die Freiheit zu lieben, wen man will und dabei die selben Rechte zu haben, wie jeder andere auch und vor allem ohne dafür auch im persöhnlichen Kontakt benachteiligt zu werden.

Weil Sie, Frau Kramp-Karrenbauer, in Ihrem letzten Zeitungsinterview damit ein gewisses Problem hatten, Homosexualität sogar mit Inzucht gleichsetzten, wurden Sie nun sogar angezeigt. Zurecht, finde ich, einige Aussagen waren - mit Verlaub - so polemisch und damit dumm, dass ich sie hier gar nicht kommentieren möchte. Hier verlinke ich Ihnen aber die Hintergründe.

Apropos: Worum geht es? Am letzten Wochenende haben die Iren in einem Volksentscheid mit deutlicher Mehrheit und bei ordentlicher Wahlbeteiligung entschieden, dass homosexuelle Menschen auch die Möglichkeit haben sollen zu heiraten, sich also wirklich zu trauen und nicht nur - Ohne die Symbolik und die steuerlichen Vorteile - verpartnern zu lassen. Der Vatikan hat das als "Niederlage für die Menschheit" bezeichnet und in Deutschland ist daraufhin die Diskussion über die Einführung der absurderweise sogenannten "Homo-Ehe" neu entfacht. Die SPD würde sie gerne einführen, aber die Union fühlt sich dabei - Zitat - "irgendwie unwohl", weswegen es hierzulande gerade nur in kleinen Schritten voran geht - Justizminister Heiko Maas macht diesbezüglich übrigens einen guten, pragmatischen Job. Darüber hinaus beginnt gerade eine Bundesratsinitative.

Frau Kramp-Karrenbauer, Frau Steinbach - Was ist Ihr Problem?

Ich habe gelernt, dass Liebe das wohl wichtigste in unserem Leben, geliebt zu werden erstrebenswert ist. Jede Liebe hat ihre Berechtigung, zu glauben, dass Homosexualität unnatürlich wäre, widerspricht wenig überraschender Wiese nämlich nicht nur der Natur selbst, sondern auch der Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Sich dagegen zu profilieren ist wie gesagt billig, Frau Steinbach. Ich gönne jedem sein Glück. Und wenn Sie zwei sich gegenseitig in der Öffentlichkeit küssende Männer oder Frauen stören, können Sie ja zur Ablenkung immer noch in die nächste BILD-"Zeitung" gucken. Ne, mal im Ernst: Als Politikerinnen wollen Sie doch das Beste für Ihre Mitbürger_innen - Warum stört es Sie dann, wenn zwei homosexuelle Menschen einander/Glück finden? Warum glauben Sie ernsthaft zu wissen, welche Liebe richtig und welche falsch ist? Ich möchte Ihnen kurz ein Video von einem Text eines befreundeten Kollegen zeigen, Sven Hensel heißt er, Sie finden es hier.

Lassen Sie uns nun konkret werden. Frau Kramp-Karrenbauer, in Ihrem Interview, ich habe es hier verlinkt, gibt es auch Dinge, über die ich mit Ihnen diskutieren möchte, Sie sagen unter anderem: "Das ist mehr als Symbolik. Es stellt sich die Frage, ob wir grundlegende Definitionen unserer Gesellschaft verändern wollen, und zwar mit womöglich weitreichenden Folgen." Ich sage Ihnen: Das haben wir schon öfter getan und fast immer hatte es positive Folgen. Die Rolle und die Rechte der Frau haben sich im letzten Jahrhundert beispielsweise dramatisch und zwar zum absolut positiven verändert. Hätte es diese - ja, man kann fast sagen - Revolution nicht gegeben dürften Sie heute weder wählen noch ohne Zustimmung Ihres Ehemannes arbeiten gehen. In Ländern, die diesen gesellschaftlichen Wandel noch nicht bewältigt bekommen haben, kritisieren wir genau das. Ohne Veränderungen gibt es also keine Weiterentwicklungen - Dementsprechend, nur Mut!

Sie sagen aber auch: "Seit Jahren heißt es, dass für die Entwicklung von Kindern Vater und Mutter die beste Konstellation ist. In der Kita oder in der Grundschule beklagen wir, dass es zu wenige männliche Vorbilder gibt. Mir will nicht ganz einleuchten, dass das im engsten Umfeld, in dem Kinder geprägt werden, gar keine Rolle spielen soll. Gerade diese Frage (die der Volladoption, Anm. d. Autoren) dürfen wir nicht daran festmachen, ob sich jemand diskriminiert fühlt oder nicht – sondern allein am Kindeswohl." Ich habe recherchiert: In Deutschland gibt es 1,6 Millionen alleinerziehende Eltern. Geht es all ihren Kindern wirklich schlecht(er)? In meinem Bekanntenkreis gibt es Kinder alleinerziehender Eltern und Alleinerziehende. Beide machen einen anderen Eindruck, die Kinder kommen schließlich an verschiedensten Stellen in den Genuss männlicher und weiblicher Vorbilder: Privat, in der Schule, im Sportverein,... . Und glauben Sie mir: Das Kindeswohl definiert sich nicht über die Geschlechtsmerkmale der Eltern, sondern darüber, ob es geliebt, erzogen und gefördert wird und all das in einem kindgerechten Umfeld. Ich kenne einige homosexuelle Paare, die Kinder großziehen - Und sie entwickeln sich gut.

Diskriminierung beginnt nicht nur in den Köpfen - Diskriminierung beginnt auch in der Politik.

An dieser Stelle müssen wir wohl auch kurz über Geld reden. Ein häufiges Argument gegen die vollständige Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft ist, dass Mann und Frau indem sie Kinder kriegen und großziehen einen unersetzlichen Beitrag zum fortbestehen unserer Gesellschaft leisten. Nicht alle Verheirateten bekommen Kinder. Und wenn wir nun allen verheirateten Paaren erlauben, gemeinsam Kinder zu adoptieren, können auch Schwule und Lesben eben diesen Beitrag leisten. Also verdienen sie auch das Ehegattensplitting (welches wohl besser Ehepartner_innensplitting genannt würde, enthielte nämlich weit weniger Rollenklischee, wir sprachen drüber, meine Damen).

Haben Sie´s gemerkt: Ihre Argumente sind alle zu entkräften. Also lassen Sie uns den Begriff Ehe doch mal neu definieren, nämlich als "Gemeinschaft zweier Menschen, die sich lieben, eine dauerhafte Partnerschaft eingehen und eine Familie werden/gründen wollen". Ihre Parteivorsitzende, Frau Kram-Karrenbauer, Frau Steinbach, die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Begriff Familie übrigens einmal schon so definiert: "Familie ist da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen." Ich finde, besser kann man es gar nicht sagen. Nur wie sie von da aus nicht auf die #Ehefüralle gekommen ist, ist mir bis heute ein Rätsel.

Darum bitte ich Sie: Haben Sie jetzt einfach mal Mut!

Nicht nur als Mehrheitsbeschaffer, nein, ich möchte Sie aus Überzeugung für diesen Fortschritt gewinnen. Sie wissen: Ohne Veränderungen gibt es keinen Fortschritt. Ich verspreche: Wenn Fortschritt zu mehr Liebe und weniger Diskriminierung führt, ist es alle Mühen wert. Also, lassen Sie uns die #Ehefüralle einführen. Weil es gerecht ist, verdammt.

Herzlichst,

Ihr

Jan Bühlbecker

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Bühlbecker

Jan Bühlbecker. Slam Poet, Jungsozialist & Sozialdemokrat. Liebt Queer-Feminismus, Fußball, das Existenzrecht Israels & Hashtags.

Jan Bühlbecker

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