Wörter, Spaß und Rock´n´Roll

Poetry Slam Poetry Slam ist in aller Munde, doch neben den bekannten Gesichtern gibt es auch Nachwuchsstars. Jan Bühlbecker berichtet über die U20-Meisterschaften am Wochenende.

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Es war an einem Abend in der vergangenen Woche, ob es am Mittwoch, am Donnerstag, am Freitag oder am Samstag war, ist egal, denn alle Nächte waren gemeinschaftlich: Eine Gruppe junger Poetry Slammer, ein paar Slammaster und Gäste standen in der Straße vor dem Hostel, in dem sie untergebracht waren und lieferten sich eine spontane Freestyle-Challange, als ein Regensburger-Jungbürger vorbei kam und fragte, was denn hier los sei. "Poetry Slam? Ich dachte, dass wäre nur was für Streber", entgegnete er auf den Lagebericht, doch er ließ sich schnell eines besseren belehren: Poetry Slam ist ein moderner Dichterwettstreit, Slam Poeten stellen sich mit ihren selbstgeschriebenen Texten, aber ohne Hilfmittel auf eine Bühne und treten dann - Mit Hilfe von Publikumsbewertungen - gegeneinander an. Lustig kann das sein, nachdenklich auch, die Texte sind lyrisch, prosaisch, gereimt, ungereimt. Sie behandeln Themen aus dem Alltag, aus der Politik, sind Kurzgeschichten, kontrovers, wunderschön. Ein Text der verstehen helfen soll. Und am vergangenen Wochenende, genauer vom 10. bis zum 13. Juni, fanden in Regensburg die deutschsprachigen U20-Meisterschaften in dieser Diszliplin statt. 66 Poetry Slammer, keiner älter als 20 Jahre, begeisterten insgesamt über 1.000 Zuschauer und sich selbst mit einer tollen Zeit.

Mein Weg nach Bayern begann am Mittwochmorgen, mit Schlaf in den Augen am Hintereingang des Bochumer Hauptbahnhofs. Da, wo sich prominente Persöhnlichkeiten, wie der Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert, aus der Verkehrszentrale der Ruhrgebietsstadt herausschleichen, tanzten wir fünf, eine NRW-Fahrgemeinschaft aus Essen, Bochum, Düsseldorf (2x) und eben Wattenscheid, singend in das Auto des Bochumer Starters Sven Hensel und fuhren los. Mit Zwischenstopp, Selfie und einer Benjamin-Blümchen-Wundertüte im Gepäck - Das muss ich erklären: Wir waren mit einer anderen Reisegruppe aus Norddeutschland den Wettstreit, wer an Raststätten das bessere Geschenk für 6€ findet, eingegangen - kamen wir am Nachmittag an, checkten ein, trafen bekannte Gesichter und machten uns schließlich auf zur Eröffnungsshow am ersten Abend. Der aktuelle deutssprachige Slam-Champ im Bereich Ü20 Lars Ruppel trug Texte vor, genauso wie der da noch U20 Meister Johannes Berger, das legendäre Slam-Team Allen Earnstyzz, die französische U20-Meisterin Constance, Fatima Moumouni, Hazel Brugger und der Erfindes des Poetry Slams Marc Kelly Smith aus Chicago - Zu ihm später mehr. Kurzum: Der Wahnsinn der Wörter! Anschließend: Aftershow-Party und Verabredung zum Fußball am nächsten Morgen. Doch wer dabei an ein lockeres Kicken unter ein paar Jungen denkt, der irrt. Geschlächterübergreifend standen um 10 Uhr 30 mindestens drei deutsche Slam-Meister auf dem Platz und wurden vom Cheftrainer des FK Interslam, der Nationalmannschaft der Poetry Slammer, Junlian Heun begrüßt. Und der FK Interslam ist hinreichend professionell. Okay, ich lüge: Auf dem Platz stand ein Baum.

Dafür war die Altstadt, welche anschließend erkundet wurde, hübsch. Die Veranstalter haben alles für uns getan, es gab klare Kola, eine gute Unterbringung und kurze, schöne Wege. Das war bestimmt nicht leicht so zu bewerkstelligen, darum Hut ab und vielen Dank!

Ach ja, Marc Kelly Smith. Kenner wissen, dass das ein ehemaliger Bauarbeiter aus Chicago ist, der vor gut 30 Jahren den Poetry Slam erfunden, die Slam Bewegung gestartet hat. Kommt er auf die Bühne, wird er frenetisch gefeiert, zu Recht, ist das, was er geschaffen hat, doch so groß und er so unglaublich cool, trotzdem beginnt er immer ungefähr so: "Beim Slam gibt es eine gute, alte Tradition: Immer, wenn ich auf die Bühne komme und mich vorstelle, antworten die Leute 'so what' - Wir probieren das mal aus. Hallo, ich bin Marc Smith!" "So what!" Smith ist heute noch einer der begnatesten Performence-Poets, der mit ausdrucksstarker Lyrik bewegt und den Wettbewerb nicht so ernst nimmt: "Vergesst doch, dass ihr in einem Duell seid. Ihr könnt das Leben der Menschen verändern, was ist dagegen eine Flasche voll mit Sekt?" Bedankt man sich bei ihm für den Poetry Slam, bedankt er sich bei einem dafür, dass man ein Teil davon ist. Sympathischer geht es nicht, das fanden alle, die unter anderem während einer langen After Show Party mit ihm gesprochen haben. Und gefeiert wurde viel.

Dazu gab es einen Coverslam, bei dem die Teilnehmer Texte performen, die sie nicht selbstgeschrieben haben, einen Jazz-Slam, bei dem sie von einer Band begleitet werden, jede Menge Workshops, auch hier war Marc Kelly Smith involviert, veganes Essen, nicht veganes Essen, Freestyle-Battles, spontane Gesangsrunden, Bier, Liebe und wenig Schlaf.

Und den Wettbewerb, der hier nicht grundlos am Ende beschrieben wird. Doch, bevor Sie fragen, an der Qualität der Texte liegt das nicht, im Gegenteil: Wenn Sie mal die Möglichkeit haben, einen U20-Slam zu besuchen, machen Sie es! Und wenn Sie die Möglichkeit haben, nächstes Jahr den U20-Meisterschaften beizuwohnen erst Recht! Denn ich habe noch nie komprimiert so viele Texte gehört, die mich berührt, bewegt und unterhalten haben, wie am letzten Wochenende. Ich habe gelacht, nachgedacht und auch geweint. In sechs Vorrunden traten wir 66 Slammer gegeneinander an, fünf fanden am Donnerstagabend statt, eine am Freitagmorgen, in einer Schule. Am Freitagabend ging es in zwei Halbfinals weiter, am Samstag fand das große Finale im Audimax der Universität Regensburg vor über 1.000 Zuschauern statt.

Gerne würde ich hier jetzt Texte verlinken, doch a) würde ich dabei sicher wen besonderes vergessen und b) gibt es keine Videomitschnitte. Aber falls du dabei warst, vielen Dank, dass ich dich kennenlernen durfte!

Zurück ging es am Sonntagmorgen, wieder mit dem Auto von Sven Hensel, diesmal aber mit Erinnerungen im Gepäck. Das tröstet darüber hinweg, dass nicht alles gefilmt wurde, denn diese Bilder sind besser als Youtube.

Titelträger ist jetzt übrigens Jonas Balmer vor Sarah Lau und Jule Eckhardt - Ich gönne es ihnen sehr und weiß, sie machen etwas draus. Gewonnen haben aber alle, die dabei waren. Und das - Mit Verlaub - macht Poetry Slam aus.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Bühlbecker

Jan Bühlbecker. Slam Poet, Jungsozialist & Sozialdemokrat. Liebt Queer-Feminismus, Fußball, das Existenzrecht Israels & Hashtags.

Jan Bühlbecker

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