Im Hamsterrad gefangen

Populismus: Beim Blick zurück ist festzustellen, wie sich Thilo Sarrazin im Hamsterrad bewegt. Was will Sarrazin wirklich?

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Was will er?

Was Thilo Sarrazin mit seinen Büchern außer Geld verdienen wirklich will, darüber lässt sich nur mutmaßen. Eines kann man sagen: Sarrazins Meinungen in seinen Büchern und seine Aussagen in Interviews tragen viele Merkmale des Populismus. Es kann völlig egal sein, ob er Deutschland statt abschaffen retten will oder ob er sein persönliches Schicksal [1] verarbeitet. Entscheidend ist, was er der Nation inhaltlich präsentiert.

Populisten sind Grenzgänger, Menschenfänger, die nahezu besessen sind, ihre Meinungen an Mann und Frau zu bringen. These: Es geht dabei weniger um Fakten, hingegen viel mehr um eine Deutungshoheit für irgendwelche Ziele, zum Beispiel persönliche. Dabei sind Lügen, Halbwahrheiten oder sonderbare Theorien an der Tagesordnung. Vielleicht will Sarrazin auch nur das Enfant terrible spielen.

Im Hamsterrad

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ulp's Kritzel-Cartoon: Seine Welt ist ein Hamsterrad (© ulp)

Dass Sarrazin wie im Hamsterrad herumläuft und eigentlich nicht vom Fleck kommt, ist seine Angelegenheit. Bedenklich ist jedoch, wie Sarrazins teilweise absurden Auffassungen Rezeptionen in den Medien auslösen, die Thilo Sarrazin bei allen möglichen Gelegenheiten eine Plattform bieten, seine angeblichen «Feststellungen» zu verkünden. Verbieten kann man es prinzipiell nicht, aber die Medienschaffenden haben es in der Hand, verantwortungsvoll damit umzugehen, wem sie eine Plattform und wie lange bieten wollen. Es gibt dringenderes als Thilo Sarrazin, schließlich ist die Nation nicht die Thilos Couch.

Ob der Autor unter dem von ihm angeprangerten «Gleichheitswahn» und «Tugendterror» leidet, ist seine Sache. Aber ein Gegenmodell bietet er nicht. Oder doch? Niemand schreibt ein Buch, weil es das Buch verlangt. Man schreibt Bücher - egal welchen Inhalts -, weil die Verfasser eine bestimmte Intention dazu haben. Liest und hört man Sarrazin, kann man tatsächlich den Endruck gewinnen, er verkörpert das, was er anprangert: Will er, dass alle gleich denken wie er, damit er zufrieden ist? Will Sarrazin Tugenden seiner Fasson unter die Leute bringen?

Sarrazin beeindruckt mit Axiomen

Wer sein Buch liest, erfährt unterschwellig viele Postulate, mit denen er sagen will: «Das ist so und nicht anders, basta». Darum erstaunt es nicht, wenn Thilo Sarrazin mit 14 Axiomen des Tugendterrors [2] brillieren will, wie Reiche sind schuldig, Islam ist eine Kultur des Friedens, konventionelle Familienbilder sind passé, Frauen und Männer sind bis auf das gewisse Etwas gleich, usw. Zum Verständnis: Ein Axiom ist ein Lehrsatz, den man weder begründen noch deduktiv (vom Allgemeinen zum Speziellen) ableiten muss.

Der Vergleich mit einem Axiom ist regelrechter Unsinn, weil man z. B. die Schuld eines Reichen mit guten und richtigen Argumenten ebenso begründen kann wie die Unschuld eines Reichen. Sarrazins Axiome sind auch darum unsinnig, weil er sie auf seine Theorie des Tugendterrorismus abstützt, und diesen wiederum auf seine Theorie des Gleichheitswahns. Und an diesem Wahn sind am Ende die Medien ursächlich - nochmals eine Sarrazin-Theorie -, in denen der «Tugendwahn der Gleichheitsideologie» [3] dominiert. Vielleicht hat Sarrazin noch zwei andere Axiome im Hinterkopf: Sarrazin hat immer Recht und die Anderen sind die Bösen!

[1] German Rechthaberei. Der Freitag, 27.2.2014
[2] Sarrazins Kampf gegen den vermeintlichen «Tugendterror». Süddeutsche Zeitung, 24.2.2014
[3] "Multikulti-Freaks blenden Blutrache und Christenverfolgung aus". Focus-Money, 27.2.2014

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