Burschen streiten wieder über "Ariernachweis"

Völkisches Denken Muss das Blut deutsch sein, oder reicht der Pass? Darüber diskutierte der Dachverband deutscher Burschenschaften in Eisenach. Es geht vor allem um ein politiches Zeichen
Burschen streiten wieder über "Ariernachweis"

Foto: Ralph Orlowski / Getty Images

Burschenschaften nehmen nicht jeden in ihre Gemeinschaft auf. Erstens wollen sie nur Männer. Und zweitens sollen die deutsch sein. Und zwar richtig deutsch. Aber was das heißt deutsch-sein? Darüber streiten die Männerbünde schon lange. Auf dem diesjährigen Burschentag in Eisenach lag ein Antrag dazu vor: Fortan sollten Mitgliedsanwärter unterteilt werden in die Kategorien „deutsch“, „abendländisch-europäisch“ und „nicht-abendländisch-europäisch“. Fiele ein Anwärter in die dritte Kategorie, sollte der Rechtsausschuss über die Aufnahme entscheiden.

Damit hätte sich der Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) zum völkischen Vaterlandsbegriff bekannt: Nicht der Pass ist ausschlaggebend. Es ist das Blut, das einen Deutschen zum Deutschen macht. Einige Burschenschaft handhaben das bereits so, zum Beispiel die Hamburger Germania.

Aber die Deutsche Burschenschaft hat sich nicht entschieden. Der Antrag wurde zurückgezogen. Geändert hätte er nicht viel. Die deutschen Burschenschaftler sind generell ein sehr arischer Verein. Die Mützen sitzen auf akkurat geschnittenen Blondschöpfen mit Seitenscheitel. Wer diesem Ideal des weißen deutschen Mannes nicht entspricht, gehört eh nicht zur Zielgruppe. Um eine Veränderung der Aufnahmepraxis ging es also nicht. Die neue Klausel wäre vor allem ein politisches Statement gewesen.

Polizeiaufgebot soll Fackelzug schützen

Die Eröffnungsrede des Burschentags unterstreicht dieses Statement: Der Kampf gegen den Faschismus, den sich die von Linken unterwanderte deutsche Gesellschaft zur Aufgabe mache, sei völlig unsinnig, weil „der Faschismus eine Epochenerscheinung war“, sagt Hans-Helmuth Knütter. Er gilt als wichtiger Vordenker der Neuen Rechten.

Wie auch in den vergangenen Jahren gibt es in Eisenach eine Demonstration gegen den Burschentag. 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer protestierten gestern Abend gegen Sexismus, Rassismus und Geschichtsrevisionismus. Ein Großaufgebot der Polizei schützte die Burschenschaftler, die mit Fackeln durch die Dunkelheit zogen. Wie jedes Jahr sangen die Fackelträger alle drei Strophen des Deutschlandliedes.

Jedes Jahr ein Skandal

Die Diskussion um den „Ariernachweis“ ist in der DB nicht neu: Auch auf dem Burschentag 2011 gab es einen Antrag, die Aufnahmepolitik am völkischen Vaterlandsbegriff zu orientieren. Damals hatte ein Mannheimer Burschenschaftler die Gemüter der Burschen erregt. Der Grund: Seine Eltern kommen aus China. Er wuchs in Deutschland auf, hat einen deutschen Pass. Aber er war nicht deutsch genug für einige Burschenschaften. Die forderten den Ausschluss des Mannheimer Bundes, weil dieser einen „Fremden“ aufgenommen hatte. „In Zeiten fortschreitender Überfremdung“ sei es „nicht hinnehmbar, dass Menschen, welche nicht von deutschem Stamm sind, in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen werden“, hieß es in dem Antrag. Doch auch 2011 wurde der Antrag in letzter Minute zurückgezogen.

Der Burschentag 2012 erregte erneut Aufsehen. Norbert Weidner, damals noch Chefredakteur des DB-Organs „Burschenschaftliche Blätter“, hatte in einem Artikel den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter bezeichnet. Bonhoeffers Hinrichtung sei formal-juristisch richtig gewesen, schrieb Weidner. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, die Deutsche Burschenschaft bestätigte ihn im Amt. Abgewählt wurde Weidner erst ein halbes Jahr später, als Videoaufnahmen auftauchten, die Weidner bei den rechten Übergriffen von Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992 zeigen.

Schlechte Presse führte zu Austritten

Presseberichte über ihr rechtes Denken möchten die Männerbünde tunlichst vermeiden. Vielleicht ist auch deswegen der Antrag heute nicht verhandelt worden. Je mehr sich Berichte über das rechte Gedankengut der Burschenschaften häufen, desto schwieriger wird es, für Absolventen, die in einer Burschenschaft waren, einen Job zu finden – besonders im öffentlichen Dienst.

Aber schlechte Presse ist besonders schlecht, weil die Burschenschaften in den politischen und wirtschaftlichen Eliten Deutschlands gut vertreten sind. Seit sich Presseberichte über das völkische Denken der Burschenschaften häufen, stehen auch ihre alten Herren unter Druck. Der Berliner Senator für Soziales, Mario Czaja (CDU), entließ erst vor zwei Wochen seinen Staatssekretär Michael Büge, weil dieser sich weigerte, aus der Burschenschaft Gothia auszutreten. Die Gothia ist Mitglied in der Deutschen Burschenschaft.

Auch Peter Ramsauer (CSU) ist ein Burschenschaftler. Eigentlich sollte der Bundesverkehrsminister auf dem diesjährigen Burschentag in Eisenach zu seinen Verbandsbrüdern reden. In weiser Voraussicht veranlasste Ramsauer jedoch den Austritt seiner Burschenschaft Franco-Bavaria München aus der DB. Neben der Burschenschaft von Peter Ramsauer traten im letzten Jahr fast dreißig weitere Bünde aus dem Dachverband aus.

Liberale Burschenschaften gibt es nicht

Die Diskussionen um völkisches Denken im Dachverband Deutsche Burschenschaft kommt diesen Aussteiger-Bünden zu gute. Denn die öffentliche Kritik beschränkt sich auf Hardliner in der DB, in Abgrenzung zu ihnen werden die übrigen Burschenschaften als „liberal“ bezeichnet – egal ob ihre Mitglieder sonst auch mit Fackeln in der Hand grölen: „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt – Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!“

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden