Peer Steinbrück wird zum Quotenfan

Wahlkampf Frauenverbände nehmen die Spitzenkandidaten der Parteien ins Kreuzverhör. Und Peer Steinbrück? Er fühlt sich unwohl und betet einfach die SPD-Forderungen runter

Peer Steinbrück kommt bisher nicht so gut an bei den Frauen. Sagen die Umfragen. Und das ist schlecht. Besonders schlecht, weil er gern Kanzler werden will. Es gibt da offensichtlich Redebedarf zwischen Peer und den Frauen. Und so traf sich der SPD-Spitzenkandidat vergangenen Freitag mit zehn Spitzenfrauen zum Reden. Es ging um die viel diskutierte Quote. „Spitzenfrauen fragen Spitzenkandidaten“ hieß die Veranstaltung, zu der zehn Verbände beruflich erfolgreicher Frauen eingeladen hatten.

Und das ist zumindest etwas Neues: Zehn große Lobbygruppen der Quote üben gemeinsam Druck aus auf die Politik. Und diese empfängt sie auf höchster Ebene. Wahlkampfgetöse hin oder her: Es zeigt, dass die Parteien endlich gezwungen sind, Frauenforderungen ernst zu nehmen.

Nie ein großer Feminist

Auch für Peer Steinbrück ist das natürlich gut. Er durfte eine halbe Stunde die frauenpolitischen Positionen der SPD herunterbeten, die Presse schrieb mit. Nur war Steinbrück nie ein großer Feminist. Er stand in der Kritik, weil er zunächst nur Männer zu seinen Mitarbeitern und Beratern berufen hatte. Die Quote lehnte er lange ab. Die SPD hat Frauen-Inhalte, keine Frage, aber die SPD hat keinen Frauen-Kandidaten. Für Steinbrück war das Treffen daher doch eher leidige Wahlkampfpflicht als Herzensangelegenheit.

Würde die SPD aber ernsthaft politisch die Gleichberechtigung vorantreiben wollen, würde sie bei der Besetzung von Ämtern, bei der Verteilung von Macht gendersensibler vorgehen. Vielleicht sollte die Partei ihre Jubiläumszeit für ein bisschen Selbstreflexion nutzen. Dieses Jahr jährt sich schließlich nicht nur ihr Bestehen zum 150. Mal, sondern es ist auch der 100. Todestag von August Bebel. Als einer der einflussreichsten Sozialdemokraten der Anfangszeit war er ein großer Frauenpolitiker. Sein Werk Die Frauen und der Sozialismus war revolutionär. Darin diskutierte er die historische Entwicklung der Frauenunterdrückung und forderte echte Gleichberechtigung. Die Lösung der „Frauenfrage“ und die „soziale Frage“ gehörten für ihn zusammen.

Frauenpolitik für die obere Schicht

Ganz anders Peer Steinbrück: Von ihm kommen keine eigenen Initiativen in Sachen Geschlechtergerechtigkeit. Auf dem Treffen mit den Quoten-Lobbyistinnen fühlte er sich sichtlich unwohl. „Dagegen ist ein Untersuchungsausschuss gar nichts“, kalauerte er. Die Anspannung aber blieb. Wenigstens inhaltlich lief alles glatt, was vielleicht auch daran lag, dass die Spitzenfrauen ihm die Fragen vorab geschickt hatten. Er ließ sich sogar zu der Aussage hinreißen, eine verbindliche Quote von 40 Prozent nicht nur für Aufsichtsräte, sondern auch für Vorstände einführen zu wollen – und das schon bis 2017, oha!

Und für „Entgeltgleichheit“, also die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern, wolle er sich noch in den ersten hundert Tagen einsetzen. Genauso wie die Quote für Aufsichtsräte und Vorstände ist Entgeltgleichheit ein wichtiges Thema und ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung. Aber genauso wie die Quote ist die Entgeltgleichheit eher ein Spitzenfrauenproblem. Frauen und Männer werden für gleiche Arbeit vor allem dort ungleich bezahlt, wo Gehälter frei verhandelt werden. Das ist eher in den höheren Gehaltsklassen der Fall.

Gute Nachrichten also für Spitzenfrauen. Für den Rest der Frauen hatte Steinbrück keine guten Nachrichten: Bei der Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten auf die Rente sehe er keinen finanziellen Spielraum, sagte er. Aber die Spitzenfrauen schienen das nicht so schlimm zu finden. In die Pressemitteilung der Frauenverbände fand es jedenfalls keinen Eingang. Es geht eben um die Spitze. Denn diese hat eine Lobby. Und mit der trifft sich sogar ein Peer Steinbrück.

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