Während die Einlassdame des Berliner Comet Clubs den Gästen Bändchen ums Handgelenk legt, gibt sie den freundlichen Hinweis, man könne soviel Bier trinken, wie man wolle. Aus dem darüber liegenden Stockwerk ist zu hören, wie Glas zersplittert: Auf einer provisorischen Bowlingbahn werfen dort Gäste mit Eisenkugeln leere Beck’s-Flaschen um, die wie Kegel aufgestellt sind. An den Wänden hängen Plakate, auf denen eine Riesen-Bierflasche der Marke Brew Dog abgebildet ist, die auf einem Scherbenhaufen steht. Die Bildersprache darf nicht zu subtil sein, wenn man als kleine Marke gegen große Konzerne anrennen will.
Beer for Punks – so lautet der Slogan von Brew Dog, einer schottischen Kleinbrauerei, die den deutschen Markt aufrolle
chen Markt aufrollen will und erstmal in Berlin damit anfängt. Umgeben von einer Traube aus Leuten erklärt ein Mann mit Glatze und dem Schriftzug Better Beer auf seinem T-Shirt die Marken-Philosophie: „Wir leisten Widerstand gegen geschmacklose Biermarken“, sagt James Watt, Braumeister aus Schottland.Dabei bewegt sich Brew Dog auf einem schmalen Grat: Es geht darum, die selbst ausgerufene Punk-Attitüde glaubwürdig zu behaupten, sie aber gleichzeitig dazu zu nutzen, das Bier gezielt zu vermarkten. Dabei ist Punk ja schon lange nicht mehr Gegenkultur und Aufstand wie zu Beginn der Bewegung, sondern oft nur noch Marketing-Werkzeug für Firmen, die ihre Produkte mit einem subversiven Image aufladen wollen.Aroma-Teppich auf der ZungeEin Hauch Punk steckt dennoch in Watts Firmenstory. Die erzählt er gerne, jede erfolgreiche Marke braucht eine gute Gründungsgeschichte: Mit Anfang 20 hockt Watt beim Musikhören in der Garage und ärgert sich, dass alle Biere für ihn gleich schmecken. Zusammen mit seinem Kumpel Martin Dickie kratzt er all sein Geld zusammen und kauft rostfreie Stahltanks. An den Wochenenden brauen die beiden auf eigene Faust „Hardcore-Bier“. Inzwischen hat Brew Dog 50 Mitarbeiter und exportiert in 17 Länder.Das Erfolgsrezept: der „Gesmack“, wie Watt mit schottischem Akzent an diesem Abend immer wieder betont. Eines ihrer Biere, das 5 a.m., besteht aus sieben Hopfen-, fünf Malzsorten – und Litschi. Ein deutscher Brauer würde angesichts dieses Bruchs mit dem Reinheitsgebot wohl entnervt mit den Augen rollen. Aber die Brew-Dog-Biere 77 Lager, Zeitgeist und Trashy Blonde schmecken tatsächlich intensiver als vieles, was man hierzulande trinkt. Wie ein weicher Teppich breiten sich die Fruchtaromen auf der Zunge aus.Ausgefallen muss es schon sein, wenn man auf dem Biermarkt überhaupt noch etwas reißen will. Seit Jahren trinken die Deutschen immer weniger Gerstensaft. Von Ausnahmen wie etwa Tannenzäpfle aus der badischen Staatsbrauerei Rothaus abgesehen. Von süddeutschen Zuwanderern nach Berlin importiert, hat Tannenzäpfle dort auch wegen des ländlichen Etiketts mittlerweile Kultstatus erreicht. Als Hauptgrund für den schrumpfenden Bierkonsum nennt der Brauerbund, dass die Deutschen immer älter werden. Der klassische Biertrinker sei zwischen 18 und 45 Jahre alt, ältere Leute würden einfach weniger trinken. Watt schüttelt bei diesem Argument nur seinen Kopf: Das Bier schmecke immer gleich langweilig – das sei der wahre Grund, warum weniger getrunken werde. Und das will er ändern.Es ist kurz vor Mitternacht, als die „Pressekonferenz“ beginnt. Watt nimmt sich ein Mikro, steigt auf eine kleine Empore und schwärmt vom „Gesmack“. Man müsse sich wieder Zeit nehmen zum Biertrinken, dem Bier Respekt entgegenbringen. „Wie geht es dir heute, Bier?“, fragt er die Flasche in seiner Hand und nimmt einen großen Schluck. Durch die Reihen der Gäste geht ein Tablett mit gefüllten Biergläsern. Die Gastronomen greifen danach und lassen sich von Watt erklären, wie sie ihr Bier zu trinken haben: Zunächst müsse die Spitze der Zunge das Bier erschmecken, dann die Seiten der Zunge den Ananas- oder Maracuja-Geschmack und anschließend der hintere Zungenteil die Bitterkeit. Nein, er ist kein Sommelier und redet nicht über Wein. Seine Brauerei vergleicht er aber mit einem Spitzenrestaurant.Gezielt sucht Watt in Berlin Kneipen aus, die die linke Szene bedienen, etwa das Wiener Blut, Paul’s Metal Eck oder das Wild at Heart. Das soll das Image vom rebellischen Bier stärken und die Markenbildung vorantreiben. Ein weiterer Vorteil: In alternativeren Kneipen lassen sich Ale-Biere leichter unterbringen, da dort die Verträge mit den Bierfirmen noch nicht ganz so monopolistisch organisiert sind. Langfristig hoffen die Schotten darauf, dass die Nachfrage immer größer wird. „Die Szene sucht sich ihr Bier“, sagt Karsten Maruhn. Er macht in Deutschland die PR für Brew Dog. Während er spricht, legt ein angetrunkener Gast kumpelhaft seinen Arm um Maruhn und gibt ihm ein Küsschen auf die Wange.Nicht die Punks vom KottiDer Slogan Beer for Punks gilt allerdings nur eingeschränkt, zumal an dem Abend nur ein Punk mit Irokesenschnitt durch den Club streunt. „Die Leute, die am Kotti auf der Straße stehen, brauchen wir nicht“, sagt Maruhn. Im Fokus seien eher Altpunks, „die kein Problem damit haben, auch mal Schampus zu trinken“ – und dementsprechend Geld haben. Als Abnehmer des stylischen Ale-Bieres mit den flotten Slogans („You know you shouldn’t“) kann man sich saturierte Alt-Revoluzzer allerdings auch nicht so richtig vorstellen, wahrscheinlich ist es doch eher ein Getränk für hippe Clubgänger, die auf einen Distinktionsgewinn hoffen. Die 0,33-Liter-Flasche soll schließlich 3,50 Euro kosten – nicht ganz billig, was vor allem an den hohen Importkosten liege, sagt Maruhn.Er ist mit dem Abend zufrieden: Von 130 eingeladenen Gästen ist knapp die Hälfte gekommen, viele von ihnen Gastronomen, die Resonanz war gut. Jetzt darf nur eines nicht passieren: Dass die Berliner einfach weiter ihr wässriges Kindl oder Pilsener trinken wollen.