Allianz der Sünder

UN-Klimagipfel Der Taifun auf den Philippinen sollte eigentlich die Politiker wachgerüttelt haben. Doch nichts da: Japan, Australien und Kanada kippen ihre Klimaziele
Ausgabe 47/2013

Für Hiroshi Nimani war es keine leichte Mission, als er im Warschauer Nationalstadion die „neue Klimapolitik“ Japans vorstellte. Während die Welt auf ein Klimaabkommen für 2015 hoffte, musste er verkünden, dass sein Land die Klimaziele für das Jahr 2020 aufgeben werde, auch wenn das „die meisten Länder sehr enttäuscht“, räumte Nimani ein. Eigentlich hatten viele Beobachter der UN-Klimakonferenz in Warschau erwartet, der Taifun auf den Philippinen werde die Unterhändler wachrütteln und den schon im Vorfeld abgeschriebenen Gipfel in Polen doch noch zum Erfolg führen. Das Gegenteil ist passiert: Mit Japan, Australien und Kanada haben sich gleich drei Industriestaaten von ihren Klimazielen verabschiedet.

Japan kippt seine bisherige Absicht, den CO2-Ausstoß 2020 um ein Viertel unter den Wert von 1990 zu drücken. Stattdessen soll es nur um 3,8 Prozent geringere Emissionen geben; allerdings bezieht sich das auf das Jahr 2005, womit die Menge der Treibhausgase gegenüber 1990 sogar steigen würde. Die Regierung begründet das mit den Atomreaktoren, die nach dem Fukushima-Inferno heruntergefahren wurden. Auch in Canberra gedenkt man nicht länger auf die Kohlendioxid-Bremse zu treten: Australiens Regierungschef John Abbott will die CO2-Steuer abschaffen, den Emissionshandel kippen und bisherige Klimaziele aufgeben. Diesen Ansinnen applaudiert die kanadische Regierung: „Die Entscheidung des australischen Ministerpräsidenten wird weltweit wahrgenommen und sendet eine wichtige Botschaft“, gab Paul Calandra, parlamentarischer Staatssekretär von Premier Stephen Harper zu verstehen. Kanada ist nach dem Klimagipfel 2012 in Doha aus dem Kyoto-Protokoll ausgetreten, und man darf mutmaßen warum. Wegen seiner Teersande gehört das Land zu den größten Luftverschmutzern unter den Industriestaaten, kann aber nicht mit Australien mithalten.

Wieder mehr Mangroven

Für den Klimaprozess, der 2015 zu einem Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll führen soll, sind die Warschauer Signale wenig ermutigend. Resignation dämpft Verhandlungswillen – keine gute Basis, um Staaten zu animieren, Zusagen auf den Tisch zu legen, wann sie wie viel an Treibhausgasen einsparen wollen. Während China in Warschau wieder gefordert hat, dass erst die Industrieländer mit ihrer „historischen Schuld“ vorangehen sollen, wollen sich die USA vor Verpflichtungen am liebsten ganz drücken, sie aber zumindest so lange wie möglich hinauszögern. Selbst der Klassenprimus Europa schwächelt: Ursprünglich wollte die EU die Klimagase bis 2020 um 30 Prozent reduzieren. Doch das Ziel scheitert an Bremsern wie Polen. Zu mehr als 90 Prozent bezieht das Land seinen Strom aus Kohlekraftwerken und kannte als Gastgeber dieses Gipfels keine Skrupel, nahezu zeitgleich eine Kohlekonferenz im Wirtschaftsministerium zu veranstalten.

Eines könnte die Instanz Klimagipfel vor der totalen Blamage retten: Die Industriestaaten wollen den durch die Klimaerosion am meisten betroffenen Ländern entgegenkommen – und einen Mechanismus schaffen, um durch Erderwärmung bewirkte Schäden zu beheben. In Doha wurde das zugesagt, noch aber sträuben sich die USA, „Loss and Damage“ (Verluste und Schäden) überhaupt anzuerkennen. Sie wollen nur über Katastrophenschutz und Anpassung reden. Alles, was nach Kompensation riecht, lehnen sie ab. Eine US-Diplomatin empfahl in Warschau den vom Untergang bedrohten Inselstaaten, sie sollten endlich wieder ihre Mangroven-Wälder zum Schutz vor den Fluten kultivieren.

Am Ende gibt es einen Kompromiss in Gestalt des Zeitplans, wann und wie „Loss and Damage“ unter dem Dach der Klimagespräche etabliert wird. Selbst wenn es dazu kommt, ist noch nicht klar, wer dafür zahlt. Das gleiche Problem hat der Green Climate Fund, aus dem ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an die ärmsten Staaten fließen sollen, damit die sich auf Klimafolgen einstellen und die eigenen Treibhausgase senken – mit ersten finanziellen Zusagen ist frühestens 2014 zu rechnen. Sollten die ausbleiben, haben Inselstaaten wie Tuvalu und Kiribati mit einer Blockade der Verhandlungen gedroht. Manches Industrieland würde in diesem Fall wohl erneut applaudieren.

Benjamin von Brackel schrieb zuletzt über die neue Parteispitze der Grünen

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