Eine Chance für Die Linke

Frontalopposition Peer Steinbrück als nächster Kanzlerkandidat der SPD könnte vor allem der Linkspartei nützen
Jetzt wird es ernst. Peer Steinbrück soll die SPD in den Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr führen
Jetzt wird es ernst. Peer Steinbrück soll die SPD in den Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr führen

Foto: Carsten Koall/Getty Images

Sie wollten nicht die Getriebenen sein. Am Ende aber waren sie es doch. Am kommenden Montag wird SPD-Chef Sigmar Gabriel dem SPD-Vorstand Peer Steinbrück als Kanzlerkandidaten vorschlagen – so heißt es aus Parteikreisen. Die Troika aus drei möglichen Kandidaten findet damit ein Ende – deutlich früher als geplant.

Die Idee der Troika war es, die K-Frage möglichst lange hinauszuzögern. Am besten erst nach der Niedersachsen-Wahl im Frühjahr 2013 wollte die SPD-Spitze die Katze aus dem Sack lassen. Der Grund war die Angst, dass der Kandidat in einem langen Wahlkampf von Medien und Regierungsparteien zerrieben wird. Die Erinnerung an die blamable Wahlniederlage aus dem Jahr 2009 ist noch frisch, damals hatte Frank-Walter Steinmeier ein ganzes langes Jahr als Kandidat zu absolvieren. Das Gegenbeispiel ist 1998, als Gerhard Schröder erst sechs Monate vor der Wahl gekürt geworden war.

Ein guter Plan, der aber dem wachsenden Druck nicht standhielt. Die Umfragewerten der SPD und ihrer potentiellen Kandidaten stagnierten, die Journalisten in den Hauptstadtbüros drängten und lechzten nach einer Entscheidung und, am wichtigsten, aus der Partei selbst wurde das Grummeln immer lauter, sich doch endlich für einen der drei und somit auch für eine inhaltliche Linie zu entscheiden.

Steinbrück nun hat seit zwei Jahren beharrlich an der Idee gestrickt, die Sozialdemokraten 2013 in die Bundestagswahl zu führen und dafür sogar zahlreiche seiner Positionen aufgegeben, um die Parteilinke zu besänftigen. Dem ehemaligen Bundesfinanzminister werden die besten Chancen zugestanden, auch außerhalb des klassischen Wählerpools der SPD Stimmen einzusammeln – etwa im Mittelstand.

Die Mitte als Perspektive

Seine Wahl ist aber auch riskant für die SPD, da von ihr vor allem die Linkspartei profitieren könnte. Steinbrück ist jetzt deren Chance.

Denn die Grundpositionen des 65-Jährigen müssen die Parteilinke verschrecken. Steinbrück will die SPD für neue Wählerschichten öffnen und die Fixierung auf den klassischen Arbeiter beenden. Er sieht die SPD nicht als Umverteilungspartei, sondern als Wertschöpfungspartei. Auch weil er jene als "Heulsusen" bezeichnet hatte, die über die Agenda 2010 "gejammert" hatten, hat er sich nicht gerade beliebt in der Parteilinken gemacht.

Die aber reagiert resigniert. "Die Euphorie, die große Story fehlt", sagt Juso-Chef Sascha Voigt gegenüber dem Freitag. Trotzdem kommt es nicht zum Aufstand, weil es an Alternativen im Personal fehlt.

Viele links-orientierte Wähler könnten nun zur Linkspartei übersiedeln. Denn selbst sein Konzept, Finanzmärkte zu regulieren und Banken stärker in die Verantwortung zu nehmen, sein Plädoyer für Mindestlohn und Reichenbesteuerung verfangen kaum, wenn die Perspektive für dessen Umsetzung fehlt. Da hilft es der Parteilinken auch wenig, wenn sie sich im Rentenstreit durchsetzt und Steinbrück inhaltlich bindet.

Steinbrück verkörpert nun einmal die Machtoption der Ampelkoalition, einige Liberale liebäugeln schon offen mit ihm als Partner in einer Regierung. Ansonsten scheint derzeit nur eine große Koalition realistisch – Rot-Grün kommt aktuell auf 42 Prozent in den Umfragen, seit Monaten stagnieren die Werte. Und ob Steinbrück das Ruder rumreißen kann?

Indem er die Perspektive der SPD nicht nach links, sondern in die Mitte verschiebt, indem er Die Linke als potentiellen Regierungspartner ablehnt und auch von seinem politischen Koordinatensystem aus vehement bekämpft, fehlt die Basis, linke Forderungen wie der nach einer Vermögenssteuer oder einem gesetzlichen Mindestlohn, umzusetzen.

Den jüngsten Versuchen der Linkspartei, sich für eine Regierungsbeteiligung im Bund zu öffnen und ihre Bedingungen dafür abzumildern, erteilt die SPD auch mit ihrer Kandidatenentscheidung eine rüde Abfuhr. Eigentlich wollte Katja Kipping aus der Frontaloppositions-Ecke heraus. Doch jetzt ist sie genau wieder dort. Am Ende könnte es ihrer Partei nützen.

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