Jeder vierte nichtdeutsche junge Muslim verweigert sich der Integration, verachtet den Westen und befürwortet Gewalt in bestimmten Fällen – zu dem Ergebnis kommt eine Studie dreier Universitäten im Auftrag des Bundesinnenministeriums. Wie aussagekräftig das ist, sei dahingestellt, denn an der Studie gibt es erhebliche Kritik, was die Erhebungsmethode angeht. Bemerkenswert ist aber vor allem, wann und wie die Studie präsentiert wurde. Dahinter steckt ein durchschaubares Kalkül des Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich (CSU). Ihm geht es nicht darum, die Gesellschaft zusammenzuführen, sondern sie zu spalten.
Das beweist schon der Weg der Bekanntgabe: Die im Juni 2011 abgeschlossene Studie hätte etwa im Rahmen der Islamkonferenz vorgestellt und dort diskutiert werden können. Statt dessen wird sie über Bild bekannt. Offenbar vom Innenminister lanciert, der dazu erklärt: "Wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten." So werden Schlagzeilen kreiert.
Einfach nur plump
Aber trifft das die Aussage der Studie? In ihr empfehlen die Autoren: Um Integration zu fördern und Radikalisierung zu verhindern, sollte eine "positive bikulturelle Identität der Muslime" aufgebaut werden. Natürlich sollte sich jeder Zuwanderer zum Grundgesetz bekennen. Auf der anderen Seite sei aber eine einseitige negative Berichterstattung über den Islam hinderlich, von der sich viele Muslime in Deutschland ausgegrenzt fühlen. Indem Friedrich aber den Weg über Bild geht, macht er genau das, wovor die Forscher warnen.
Natürlich ist es legitim, dass Politiker Sozialstudien verwenden, um ihre eigenen Positionen zu untermauern. Doch so offen, wie Friedrich das im Fall der Studie "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland" anstellt, ist es einfach nur plump.
Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist augenfällig: Eine Woche nach der Gedenkfeier für die Opfer des rechten Terrors. Also einem Zeitpunkt, an dem sich die Bilder der trauernden Angehörigen und mahnenden Politiker gerade setzen. Und das öffentliche Bild wird dominiert von der Gefahr rechter Gewalt und dem Versagen des Staates bei der Verfolgung der Zwickauer Zelle. Linksextreme und Islamisten – die bewährten Feindbilder der Konservativen – geraten da in den Hintergrund. Das kann dem Innenminister nicht gefallen. Bei den Wählern kann er weniger punkten. Also warnt er vor gewaltbereiten Islamisten, um so dem öffentliche Bewusstsein ein Schubs in eine andere Richtung zu geben.
Klischee befüttert
Das hat durchaus Strategie bei den Konservativen. Als Bundespräsident Christian Wulff davon sprach, dass der Islam zu Deutschland gehöre, widersprach Friedrich. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder blamierte sich Ende 2010, als sie ihre These von einer höheren Gewaltbereitschaft muslimischer Jugendlicher mit einer Studie untermauern lassen wollte, deren Verfasser aber letztendlich zu einem anderen Ergebnis kamen.
Reflexhaft wird das Bild des integrationsunwilligen, gewaltbereiten Moslem herangezogen und damit immer wieder befüttert. Das vergiftet das Klima in der Gesellschaft, aber auch das Klima zwischen dem Innenminister und den Islam-Verbänden. Und verhindert, dass über Integrationsprobleme eine vernünftige Auseinandersetzung geführt wird. Aber das haben ja schon die Autoren der aktuellen Studie festgestellt.
Kommentare 16
Wann haben Sie die Studie gelesen, Herr von Brackel? Immerhin umfasst sie 764 Seiten?
Nebelkerzen, seh ich auch so. Junge Muslime befürworten Gewalt in bestimmten Fällen ? Mag sein, ich kenne habe die Studie nicht gelesen. Aber auch alternde Christen wie unser zukünftiger Bundespräsident befürworten Gewalt in bestimmten Fällen, wenn etwas im Gefolge der USA ein muslimisches Land wie Afghanistan bombardiert und besetzt wird, weil dort eine Pipeline gebaut werden soll(te). Gibt es evtl. Gründe warum junge Muslime "den Westen verachten" ?
Die New York Times machte vor wenigen Tagen darauf aufmerksam, die saudische Regierung könnte eine direkte Rolle bei den Anschlägen vom 11.September gespielt haben.
Aber die Ölprinzen sind ja unsere Partner, denen wir Waffen liefern damit sie ihr Königreich oder Nachbardiktaturen schützen können. Bigott.
New York Times:Saudi-Arabien könnte in 9/11 Anschläge verwickelt sein
Ralph Giordano auf der Feier zum 60. Geburtstag des Bundeskriminalamts am 7.12.2011:
“Es gibt eine bis an den Rand der Konspiration operierende Defensive der Schutz- und Sicherheitsorgane gegenüber der braunen Gefahr.”
Das Interview mit einem der Verfasser der Studie sollte dazu gelesen werden:
www.sueddeutsche.de/politik/autor-der-studie-zu-muslimen-in-deutschland-sarrazin-fuehlt-sich-bestaetigt-das-ist-tragisch-1.1298747
Der Link war besser als der Artikel von Brackel; letzteres kann man in fast jeder Journaille lesen.
Danke, ed, wollte ich grade auch posten. Mir scheint, von Brackel hat die Studie auch nicht gelesen. Ich auch noch nicht vollständig - aber es steht halt nicht wirklich das drin, was BILD so toll fand.
Was kaum jemand zitiert ist der Exkurs über die Unterschiede in den Antworten vor/nach Erscheinen von Sarrazins Machwerk. Da wird es m.M.n. nämlich wirklich interessant.
Ein großes Manko der Studie ist in meinen Augen die Durchführung der Umfrage und die wohl eher zu geringe Zahl der Befragten. Hinzu kommt, dass viele Muslime Befragungen - aus guten Grund - nicht trauen. Ich persönlich hätte am Telefon überhaupt abgelehnt, Antworten zu geben, und das geht bestimmt vielen so.
Fast niemand aus dieser Telefonbefragung wird tatsächlich in dritter Generation in Deutschland leben.
Regelmäßig ziehen Wissenschaftler den Bogen von Arabern, die relativ frisch aus Kriegsgebieten gekommen sind, zu Gastarbeitern, die in den 1960ern eingewandert sind. Auch der Autor der Studie tut das. Beim Stichwort Türken spricht er sofort von dritter Generation.
In Wirklichkeit sind das völlig verschiedene Personengruppen. Besonders die Einwanderung aus der Türkei ist sehr komplex. Die einzige Gemeinsamkeit ist das Etikett Muslim. Die Nachkommen der Gastarbeiter sind die Leute, die der Kerndeutsche
- Ausnahmen
- gar nicht gemeint
oder als Zeichen höchster Wertschätzung
- für mich ist das kein Türke
nennt. Die Süddeutsche unterscheidet sich hier kaum von BILD, denn auch sie illustriert zwei knackige Sätze mit deutsch-türkischen Fahnen.
Die Studie ist nichts wert und dient nur dazu, wie Benjamin von Brackel richtig anmerkt, abzulenken und zu spalten. Einzig lesenswert ist die Stellungnahme von Naika Foroutan:
www.migazin.de/wp-content/uploads/2012/03/Stellungnahme-zur-Studie-Lebenswelten-junger-Muslime-in-Deutschland-Foroutan-HU.pdf
Der Spiegel lässt einen der Verfasser der Studie zu Wort kommen - der ist offensichtlich über die Fehlinterpretation und die Reaktionen entsetzt:
www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,819018,00.html
Ja, klingen etwas übertrieben deprimierend seine Schilderungen. Die waren bei diesen Treffen in Moscheen, türkischen Fußballvereinen und Hochhaussiedlungen am Stadtrand, also nicht unbedingt ein repräsentativer Querschnitt.
Die Wissenschaftler sind natürlich jetzt um ihre Reputation bemüht, aber denen war schon klar, wozu das ganze gemacht wird. Wir werden ja im Monatstakt mit solchen Arbeiten beglückt.
Meinst du, dass ihnen das klar war? So, wie ich etliche solcher Leute kenne, halte ich es für möglich, dass sie damit tatsächlich nicht gerechnet haben.
Der Witz ist, dass diese Studie die Thesen von Sarrazin widerlegt. Die sarrazinischen Jüger haben es noch nicht begriffen. Die BILD und unser Innenminster von der NSU... oh Entschuldigung von der CSU wollen offensichtlich keine Integration sondern eine Spalung der Gesellschaft. Was kommt als nächstes? Müssen die Moslems bald einen gelben Halbmond tragen?
Gerade bei den Personen aus der Türkei haben wir es ja mit einem nationalistisch-säkularen Millieu zu tun. Das Muslimische ist eine Zuschreibung von uns. Deren Prediger sind Hinterwäldler aus der PRovinz, die Beamte des türkischen Staates sind. Von "muslimisch" zu sprechen ist da arg überzogen. Muslimisch ist die Unterdrückerreligion des Volkes gewesen, es gibt im Islam keine "persönliche" Religion sondern nur Staatsreligion. Moslem sein hiess Untertan sein des Sultans. Wenn Türken unangenehm wurden, dann wie bei Deutschen wenn sie "Nazis" sind, wenn sie ihre Nationalität so arg übersteigern. Mit Religion hat das nichts zu tun. Das religiös Schlimme ist was ganz anderes, nämlich die konservative islamische Revolution, zum Teil mit nicht-heimischen Übersteigerungen, die von Saudi Arabien finanziert wird. In der Türkei und in Deutschland kämpfen wir gegen die gleichen Kräfte, religöse Fanatiker, Nazis und andere Spalter.
Dass Hans-Peter Friedrich gerne in die populistische Mottenkiste greift, wissen wir spätestens seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr, als er EX-BP Wulffs "der Islam gehört inzwischen zu Deutschland" widersprach, er sehe das nirgendwo in der Geschichte Deutschlands belegt. So viel zum Thema: Ein plattes Statement schlägt das andere). Hierzu mehr:
www.peterknobloch.net/index.php/politik/Multikulti_ist_seit_langem_Realitaet
Dass bei Friedrich politisches Kalkül über der Trauer von Menschen steht, die ihre Angehörigen in einer Mordserie Rechtsextremer Fanatiker verloren haben, zeigen Zeitpunkt und die Art (Bild) der Veröffentlichung, in der sein Ministerium die Studie "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland" in die Öffentlichkeit getragen hat.
Hier mehr zur Ombudsfrau der Hinterbliebenen:
www.peterknobloch.net/index.php/politik/Ein_Stueck_Gerechtigkeit
Aber was hat es mit der Studie genau auf sich, was sind die Ergebnisse und warum wollen sich junge deutsche Muslime zum Teil mit gutem Grund nicht in unsere Gesellschaft integrieren?
Hierzu mein Beitrag:
"Schock-Studie" belegt: Junge Muslime fühlen sich ausgegrenzt
www.peterknobloch.net/index.php/kolumne/Junge_Muslime_fuehlen_sich_ausgegrenzt
oder hier:
www.freitag.de/community/blogs/peter-knobloch/schock-studie-belegt-junge-muslime-fuehlen-sich-ausgegrenzt-
Ich glaub bei den Autoren kommt wohl beides zusammen.
1.) bißchen komisch und 2.) was tut man nicht alles für Geld.
Der Aoto-Rassismus, nach dem der faschistoide Mensch (genetisch bedingt) immer nur der Deutsche sein kann , ist Ausdruck für eine wohlstandsbedingte Selbstverleugnung, die ihrerseits die Verwechselung von Gleichberechtigung und Gleichschaltung ermöglicht bzw. die von Toleranz und GLEICHGÜLTIGKEIT- im Zweifelsfall wird halt der Keller voller antisemitischer UnterschichtenMoslems gemacht, obwohl diese Menschen etwas anderes im Sinn haben, als eine Integration. Sie leben mit Familie und ohne Arbeit bei uns besser , als ohne Familie und mit Arbeit im eigenen Land.
„… es gibt im Islam keine ‚persönliche‘ Religion sondern nur Staatsreligion“.
???
Tja, das hätten die moslemischen Kleriker und deutschen Sarraziner wohl allzu gerne.
Schon mal was von Grammatik der arabischen Sprache gehört? Da gibt es neben dem Singular und Plural auch noch den Dual. Komplett übersehen?
So kommt es nicht von ungefähr, dass nicht nur bei den zehn Geboten der Satz „Du sollst nicht töten“ statt dem Satz „Ihr sollt nicht töten“ überliefert wird, sondern dieser Dialog mit einer Einzelperson auch über die Bibel bis zum Koran konsequent durchgehalten bleibt: „sprich“, und nicht „sprecht“, „lies“ und nicht „lest“, etc.
Dass sich in Folge die Kleriker aller drei Weltreligionen diese Sätze geifernd und eifernd aneigneten, um sie anderen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einzubläuen, anstatt sich selbst danach konsequenterweise zu richten, ist wohl eher allzu menschlichen Eigenschaften zuzurechnen, da ein Ergebnis, welches einer Besessenheit geschuldet wird, und nicht einer ernsthaften Religionsausübung. Und ob Atheisten von dieser Besessenheit befreit wurden, da wären Zweifel durchaus angebracht ;-)
Den weiteren Ausführungen stimme ich daher zu.
die Gesellschaft ist doch schon längst gespalten, da braucht es sicher keinen Friedrich dazu. Man hat es bisher nur nicht wahrhaben wollen. An der Spaltung sind nicht Muslime beteiligt, sondern die politische Ideologie, die sie mitgebracht haben.
Also nichts gegen die Menschen, aber bei nüchterner Betrachtung der Fakten über diese Ideologie muss man einsehen, dass sie mit dem GG unvereinbar sind.