Der vermeintliche Energiestoff der Zukunft sieht aus wie Flüssigschokolade und riecht nach Schwarzwälder Schinken. Der dunkelbraune Schlamm war mal nichts anderes als Stroh: Für die Herstellung werden ganze Ballen mit einem Häcksler zerstückelt und durch einen Trichter in einen Reaktor aus Röhren und Kesseln geschüttet, wo die Strohspäne bei mehr als 500 Grad verschwelt werden. Pyrolyse nennt sich das. Heraus kommt Biokoks und ein öliges Kondensat, das zusammen den dunkelbraunen Schlamm ergibt. Seine Energiedichte ist zwölfmal so hoch wie die von Stroh.
Manche nennen es das „schwarze Gold der Zukunft“, denn mit dem flüssigen Zwischenprodukt, auch Bio-Slurry genannt, kann eine neue Generation von Biokraftstoffen hergestellt w
-Slurry genannt, kann eine neue Generation von Biokraftstoffen hergestellt werden, deren Ausgangsstoffe nicht nur nachwachsen, sondern die auch wirklich so klimafreundlich sind, wie es die Bezeichnung Ökosprit erwarten ließe. Biodiesel, Bioethanol und Pflanzenöle, die heute schon an der Tankstelle gezapft werden, sind in die Kritik geraten, weil Studien gezeigt haben, dass Biokraftstoffe gar nicht so klimafreundlich sind – weil die Felder mit Stickstoff und Pflanzenschutzmittel gedüngt und weil Tropenwälder abgeholzt und Sumpfgebiete trockengelegt werden, um Anbauflächen für Monokulturen von Mais oder Raps zu schaffen. Ein weiteres Problem: Weil in der Welt immer mehr Getreide als Sprit endet, steigen die Nahrungsmittelpreise. Darunter leiden vor allem die ärmeren Länder.Die neue, sogenannte zweite Generation von Biokraftstoffen soll diese Probleme nicht mehr haben. Für Biosprit wie jenem aus dem dunkelbraunen Schlamm wird das ganze Gewächs genutzt: Stiele, Blätter, Stämme, Äste, Stroh. Die neuen Biokraftstoffe sind nicht nur effizienter sondern schonen auch tatsächlich das Klima. Der Rohstoff für den modernen Ökosprit benötigt nur einen Bruchteil jener Fläche, die Biodiesel aus Mais oder Raps verschlingt. Wenn überhaupt. Denn Stroh, Holzreste oder Bioabfälle fallen in großer Menge als Reststoffe an und werden oft nicht genutzt.Die Technik ist ausgereift. Doch kann es noch Jahre dauern, bis Biokraftstoffe der zweiten Generation in großer Menge an den Tankstellen gezapft werden. Denn die Autoindustrie hat den Trend verschlafen, die Verbraucher sind misstrauisch und neue Biokraftstoff-Anlagen teuer. Doch Schuld hat auch die Politik. Sie hat den Biokraftstoffmarkt zunächst mit Steuervorteilen zur Blüte gebracht, um ihn mit Steuern und Vorschriften wieder einzudämmen – und somit auch Investoren für die neuen Biokraftstoffe zu verschrecken.Ob Biokraftstoffe der zweiten Generation sich durchsetzen können, hängt also auch vom Erfolg der ersten Generation ab. Für die sieht es derzeit aber nicht rosig aus – der Markt ist eingebrochen. Peter Schrum, Präsident des Biokraftstoffverbands, vermutet hinter der Besteuerung den Druck der Mineralölkonzerne auf die Bundesregierung. Denn die hätten kein Interesse an einer starken Konkurrenz. Biodiesel und Pflanzenöle hätten den Wettbewerb an den Tankstellen in Schwung gebracht, doch sei der inzwischen wieder fest in der Hand der vier großen Mineralölkonzerne. Das Urteil von Schrum: „Die gegenwärtige Biokraftstoff-Politik hat versagt.“Geplanter Startschuss: 2011Einer der weiß, wie schwierig es ist, in Deutschland die Produktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation auf die Beine zu bringen, ist Eckard Dinjus. Der Leiter des Technischen Instituts in Karlsruhe hat das Pyrolyseverfahren mitentwickelt, mit dem der dunkelbraune Schlamm herstellt wird. Dinjus redet lieber von „pumpbarem Brei“ als vom „schwarzen Gold der Zukunft“. Das Zwischenprodukt soll in Kleinanlagen nahe von Bauernhöfen hergestellt und später in Großanlagen weiterverarbeitet werden. Frühestens 2012 soll eine Pilotanlage Biosprit produzieren – wenn auch nur in kleineren Mengen.Auch in Sachsen-Anhalt könnte eine Anlage für Biokraftstoffe der zweiten Generation stehen – die Planer entschieden sich aber für Kanada. Die Förderung sei dort besser, sagt Christopher Zeiss vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Dass in Karlsruhe die Pyrolyseanlage gebaut werden konnte, verdankt Dinjus der Industrie und der Forschungsförderung des Bundes: Zehn Millionen Euro bekam sein Institut im Rahmen des Konjunkturprogramms II. Das Landwirtschaftsministerium steuerte mehr als 25 Millionen Euro bei. Auch das Baden-Württemberg beteiligte sich mit einer Million Euro.Im Gegensatz zu Forschungsanlagen wie der in Karlsruhe gehen private Unternehmen aber leer aus, was die staatliche Förderung von Biokraftstoffen betrifft. Zwar können sie theoretisch davon profitieren, dass Biokraftstoffe der zweiten Generation bis 2015 noch steuerbefreit sind. Doch wen betrifft das? Die erste kommerzielle Anlage soll frühestens Mitte nächsten Jahres in Betrieb gehen. Sie steht in Freiberg in Sachsen und wird von der Technologiefirma Choren betrieben. „Bis die Anlage läuft, werden wir von den Steuervorteilen wenig profitieren“, sagt Pressesprecherin Ines Bilas. Die Freiberger sind schon weiter als die Kollegen in Karlsruhe. Eine Pilotanlage wurde bereits getestet – mit Erfolg. Ab nächstem Jahr sollen 18 Millionen Liter Biosprit fließen. Damit könnten etwa 15.000 Pkws fahren.Über die richtige Methode wird noch gestritten. In Karlsruhe wird der Bio-Slurry zu Methanol weiterverarbeitet, das wiederum als Kraftstoff eingesetzt werden kann. In Freiberg geht man einen anderen Weg. Hier wird das Gas mit der Fischer-Tropsch-Synthese produziert. Sie wurde in den 1920er Jahren entwickelt und während des Zweiten Weltkriegs auch von den Nationalsozialisten genutzt, um aus Kohle Benzin herzustellen. In Freiberg wird mit dem Verfahren Gas in Kraftstoff umgewandelt. Beide Wege, in Karlsruhe und Freiberg, eint ein Vorzug: Die synthetischen Kraftstoffe können in jedem Mischverhältnis getankt werden, weil sie frei von Ruß und Schwefel sind. Damit sind sie nicht nur reiner als Biodiesel und Pflanzenöle, sondern auch als Mineralöle. So wundert es nicht, dass Unternehmen aus der ganzen Welt ihr Interesse angemeldet haben.Ölmühlen unter DruckAuch Politiker und Wissenschaftler zollen dem Freiburger Projekt ihren Respekt. Noch zweifeln sie aber, ob es Erfolg haben kann. Denn die Reformbemühungen der vergangenen Jahre haben die kleinen Biokraftstoff-Produzenten eher geschwächt. Beispiel eins: die Nachhaltigkeitsverordnung der EU-Kommission. Seit 2010 dürfen Energiepflanzen nur auf Flächen angebaut werden, für die keine Regenwälder, Feuchtgebiete und Torfmoore zerstört wurden. Auch dürfen Biokraftstoffe nur angebaut werden, wenn sie insgesamt mindestens 35 Prozent weniger CO2 in die Luft ausstoßen als fossile Brennstoffe. Der Schutz der Tropenwälder sei ein wichtiger Schritt, meint Josef Fell. Der umweltpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion kritisiert aber, dass die Kleinbetriebe dem Bürokratieaufwand nicht mehr gewachsen seien.Zweitens zentralisiert sich der Biokraftstoff-Markt weiter. Nach einem Quotengesetz müssen Mineralölkonzerne seit 2007 einen Mindestanteil von nunmehr sechs Prozent an Biokraftstoffen in den Verkehr bringen. Eigentlich eine eine gute Sache. Doch ändert das nichts daran, dass die vier großen Mineralölkonzerne bestimmen, woher sie den Biosprit-Anteil beziehen.„Biokraftstoffe der zweiten Generation – das ist ein Kampfbegriff der Mineralölwirtschaft, um das Progressive der ersten Generation marode zu machen“, sagt Grünen-Politiker Fell. Er tritt dafür ein, auch die erste Generation weiter zu fördern, wenn auch nicht ganz von der Steuer zu befreien. Weil sich die Produktion der synthetischen Kraftstoffe noch entwickeln muss, sei das Klimaziel der EU ohne die Biokraftstoffe aus Pflanzenöl nicht zu verwirklichen: Bis 2020 soll der Anteil der Biokraftstoffe auf zehn Prozent an den Tankstellen erhöht werden.Initiative aus BayernEine neue Initiative kommt nun aus Bayern: Sämtliche Biokraftstoffe sollen wieder steuerlich begünstigt werden, so dass sie 10 bis 15 Cent weniger als Diesel kosten. Mitte Oktober stimmte der Bundesrat dem Antrag zu. Allerdings ist unsicher, ob die Initiative auch den Bundestag passieren wird. Schließlich strich die CDU bereits als Teil der großen Koalition die Begünstigungen.Es gibt andere Vorschläge, etwa eine Kraftstoff-Steuer, die sich nach dem CO2-Gehalt richtet. Die würde vor allem die Biokraftstoffe der zweiten Generation begünstigen und Investoren Sicherheit geben. Doch solche Ansätze haben noch geringere Chancen auf politische Mehrheiten.Bis sich Biokraftstoffe aus Holz, Stroh und Bioabfälle in Deutschland durchsetzen, werden deshalb wohl noch Jahre vergehen.
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