SPD-Chef Sigmar Gabriel kann zufrieden sein. Gerade hat sich die Regierung mit dem Meldegesetz mal wieder selbst in die Bredouille gebracht: Der Bundestag hat gegen den Entwurf der Regierung ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Meldeämtern erlaubt, die Daten seiner Bürger an Werbefirmen und Adresshändler zu verkaufen. Anschließend hat sich die Regierung von den eigenen schwarz-gelben Abgeordneten distanziert.
Das beste für Gabriel: Die SPD musste gar nichts dazu beitragen, nur abwarten und zur richtigen Zeit einen kleinen Seitenhieb austeilen: "In der Sache finde ich den Kurswechsel ja richtig", schreibt Gabriel auf seiner Facebook-Seite. "Aber ich frage mich: Sind die so chaotisch, oder tun die nur so?"
In der Tat haben sich die Regierung und die schwarz-gelben Abge
hwarz-gelben Abgeordneten im Bundestag mit dem Meldegesetz den nächsten Bock geleistet. Selbst die Querelen um das Betreuungsgeld, um das nur deshalb immer noch gestritten wird, weil bei der entscheidenden Abstimmung im Bundestag zuwenig Abgeordnete anwesend waren, stellt das einen Moment in den Schatten.Vorurteile bestätigtAllerdings haben alle Fraktionen beim skurrilen Zustandekommen des Meldegesetzes kein gutes Bild abgegeben. Die Außenwirkung ist verheerend, denn lehrbuchhaft hat die Politik mit dem Meldegesetz alle Vorurteile bestätigt, die im Umlauf sind:Da ist der Vorwurf der lobbygesteuerten Politik. Wie stark der Druck der Werbe- und Adresshandelslobby auf die Fraktionen war, lässt sich kaum sagen. Allerdings hat er ausgereicht, um den ursprünglichen Entwurf der Regierung zu kippen. Der sah noch eine Einwilligungslösung vor. Kommunen sollten nur dann die Daten ihrer Bürger weitergeben dürfen, wenn letztere zustimmen. Stattdessen setzte sich die Widerspruchslösung durch, wonach Daten solange abgefragt werden dürfen, bis die Bürger im Meldeamt einen Widerspruch einlegen. Was nun wohl in den Köpfen der Bürger hängenbleibt: Abgeordnete, denen Datenschutz weniger wichtig ist als Wirtschaftsinteressen.Hinzu kommt das Problem, das EU-Justizkommissarin Viviane Reding völlig zurecht am Meldegesetz kritisiert hat, denn "Wie will der Staat glaubhaft von Unternehmen wie Facebook und Google verlangen, dass sie sich an strenge Datenschutzauflagen halten, während er selbst einen Ausverkauf des Datenschutzes an die Privatwirtschaft betreibt?" Doppelte Moral.Keinen guten Eindruck macht auch das Zustandekommen des Gesetzes: Da sind zum einen die vielen leeren Ränge im Bundestag am 28. Juni, als gerade mal zwei Dutzend Abgeordnete anwesend sind und die Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition das Meldegesetz in 57 Sekunden durchwinken. Der Grund: Das EM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien läuft gerade und das Protokoll sieht noch zahlreiche weitere Abstimmungen vor. Deswegen hatten sich die Parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen von Vornherein darauf geeinigt, auf Aussprachen zum Meldegesetz zu verzichten.Eine Woche Schweigen"Die große Brisanz haben wir darin auch nicht gesehen", gibt ein Innenausschussmitglied der Linken zu. Und auch von der SPD kommen kaum Einwände, etwa eine Drohung, den Gesetzesentwurf im Bundesrat abzulehnen, sollte er nicht noch einmal nachgebessert werden. Wollte die SPD die Regierung auflaufen lassen – oder hat sie selbst geschlafen?Und dann ist da das skurrile Nachspiel. Erst gut eine Woche nach dem Bundestagsbeschluss beginnt der Kritikhagel am Gesetz. Als Entschuldigung lässt sich ins Feld führen, dass die Debatte um den Fiskalpakt und den Euro Rettungsschirm dominiert und andere weniger existenzielle Themen aus dem Blickwinkel drängt. Doch die Datenschutz- und Innenexperten von SPD, Grüne und Linke hätten schon viel früher auf das Gesetz aufmerksam machen können. Und wo war der Protest der Piraten? Die hatten noch 2009 bundesweit vor den Meldebehörden medienwirksam Formblätter verteilt und Bürger aufgefordert, Widerspruch gegen die Weitergabe ihrer Daten einzulegen.Der Eindruck besteht, dass eine Gruppe von Abgeordneten das Gesetz ohne großes Aufhebens erst im Innenausschuss, dann im Bundestag knapp vor der Sommerpause durchgedrückt hat, während eine größere Gruppe von Abgeordneten einfach geschlafen hat. Die Devise dazu könnte lauten: Möglichst wenig Öffentlichkeit herstellen.Nicht viel besser wird es nun, wenn CSU-Chef Horst Seehofer im Nachhinein verlautet, er frage sich, wie das Gesetz überhaupt zustande gekommen ist und damit auf Konfrontationskurs mit Innenausschuss-Mitglied und Parteikollege Hans Peter Uhl geht; oder Angela Merkel über Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten lässt, die Regierung distanziere sich vom Gesetz und hoffe, die Opposition möge es im Bundesrat verhindern und für eines sorgen, das den Datenschutz verbessere.Dass es diese Möglichkeit überhaupt noch gibt, ist noch das Beste an der ganzen Geschichte.