Die politische Gretchenfrage

Faustkampf oder Verhör? Die Saudis geben jetzt alles zu.

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Der durch den Mordauftrag an Khashoggi in Erklärungsnöte geratene Mohammed bin Salman liefert heute exakt die Erklärung, die Anfang der Woche der Fernsehsender CNN als die wahrscheinlichste saudiarabische Version in Aussicht gestellt hatte: Der regierungskritische Journalist sei "im Faustkampf" an den Folgen eines Verhörs gestorben, das "außer Kontrolle geraten" sei.

Da die türkischen Behörden im Besitz der belastenden Tonaufzeichnungen sind, bleibt nur zu hoffen, dass sie diese endlich der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Ein Leichtes, das Lügengebäude des saudischen Kronprinzen damit zum Einstürzen zu bringen.

Für uns, für mich, ist der Vorfall auch deshalb von so großer Bedeutung, weil daran die Glaubwürdigkeit unserer eigenen Regierung, der westlichen Regierungen überhaupt hängt. Innerhalb von zwei Wochen ist der Fall Khashoggi zum Lackmustest für eine Politik geworden, die den ethischen Werten der Aufklärung, der Menschenrechte, noch Gültigkeit zuschreibt. So hoch muss man das hängen, weil der Konflikt sich aus einer beispiellosen Brutalität - oder Hemmungslosigkeit - auf der einen Seite und beispiellos hohen finanziellen Interessen auf der anderen Seite speist. Schenken Merkel & Co. den müden Erklärungen der Saudis Glauben, verlieren sie selbst jedwede Glaubwürdigkeit. Tun sie dies nicht, müssen sie klare Kante zeigen, wirtschaftliche Sanktionen aussprechen, letztlich Waffengeschäfte einfrieren. Das ist nicht naiv, das ist ultimativ!

Wie halten Sie es mit der Moral? Der Fall Khashoggi ist zur politischen Gretchenfrage geworden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

C. Juliane Vieregge

Autorin, Bloggerin. Am 13. März 2019 ist ihr neues erzählendes Sachbuch "Lass uns über den Tod reden" im Ch. Links Verlag, Berlin, erschienen.

C. Juliane Vieregge

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