Inzwischen II

Was ist die Wahrheit? Gibt es objektive Tatsachen jenseits der Frage nach dem politischen Lager?

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Inzwischen muss ich meinen Post vom 10. Januar 2016 (Inzwischen I) revidieren: Die Täter von Köln waren nicht überwiegend Asylbewerber aus dem Nahen Osten, sondern sie kommen aus Marokko und Algerien und ein paar wenige auch aus Syrien.

Warum stellen – ausgerechnet jetzt – Marokkaner und Algerier vermehrt Anträge? Diese und andere unangenehme Fragen stellen sich inzwischen auch die Grünen:

„Neu ist die Erscheinungsform, die wir bislang nur aus patriarchal geprägten Gesellschaften wie Indien oder Marokko kannten. Wir haben sie jetzt hier“, formuliert es Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt vorsichtig am vergangenen Mittwoch im Bundestag.

Und auch Grünen-Bundeschef Cem Özdemir hält sich mit der Herkunftsfrage nicht länger zurück, indem er appelliert, man dürfe die mutmaßliche Herkunft der Täter nicht ignorieren.

Inzwischen sind 650 Anzeigen in Köln eingegangen.

Wir erfahren, dass bei den Kölner Ereignissen die anfangs in den Vordergrund gestellten Taschendiebstähle wohl nur sekundär waren; in erster Linie ging es um sexuelle Übergriffe.

Inzwischen erreichen uns Nachrichten aus anderen Städten, wo nordafrikanische Kleinkriminelle die Polizei an die Grenze der Belastbarkeit bringen, so z.B. eine 2200 Mann starke Gang in Düsseldorf. Wir erfahren von absichtlich weggeworfenen Ausweisen, von Tausenden spurlos verschwundenen Asylbewerbern, von der Unmöglichkeit der Abschiebung, weil die Herkunftsländer im Nahen Osten und Nordafrika da nicht mitspielen, von täglich 3000 bis 4000 neuen Flüchtlingen pro Tag und dass die Türkei ihre Grenzen Richtung EU nicht nur nicht dichtmacht, sondern darüber hinaus mit kriminellen Schleusern von Flüchtlingen gemeinsame Sache macht.

Was die Sozialen Medien alles längst veröffentlicht haben, berichtet nun nach und nach auch die Presse. Es muss allerdings ein Ton gefunden werden, der differenziert genug ist, um den Beifall aus der falschen Ecke zu vermeiden, und der dennoch Tatsachen benennt.

Was ist wahr, was unwahr? Gibt es in dieser Sache überhaupt objektive Tatsachen jenseits der Frage nach dem politischen Lager?, fragt sich der Altlinke Peter Schneider (DIE WELT, 10.01.16). In sämtlichen Diskussionsforen tauche immer wieder der Rassismusvorwurf gegen diejenigen auf, die z.B. das Herkunftsland benannt haben wollten, oder der Verharmlosungsvorwurf sexueller Gewalt gegen diejenigen, die darauf hinweisen, dass auch deutsche Männer gewalttätig sein können.

Warum, so Schneider, „soll es nicht erlaubt sein, anlässlich der Kölner Vorgänge über die in diesem Fall arabischen (muslimischen?) Täter und ihr Frauenbild zu reden und beim Oktoberfest dann über die sexuellen Untaten deutscher Männer?“

Was wäre, fragt er weiter, wenn ähnlich relativierend, ähnlich ablenkend über die Täter eines Brandanschlags gegen eine Moschee oder ein Flüchtlingsheim in Köln berichtet werden würde? Warum folgen so viele Kommentatoren dem Reflex zur Verteidigung der arabischen, bzw. islamischen Kultur, anstatt sich als Bürger*in einer westlichen Demokratie zu bekennen und die Rechte der in Köln gedemütigten Frauen zu verteidigen?

Und warum, würde ich an dieser Stelle dringend ergänzen, geht dieser Reflex sogar so weit, dass muslimischen Frauen, die aus ihrer Innensicht heraus den Islam als frauenfeindlich anklagen, von deutschen (christlichen?) Kommentatoren die Glaubwürdigkeit entzogen wird?

Vor lauter Angst, sich angreifbar zu machen, etwa, indem man dem Rechtspopulismus die Argumente liefert, werden lieber Wahrheiten verschwiegen. Dass gerade mit diesem Eiertanz einer wachsenden Rechtsbewegung Vorschub geleistet wird, scheint erst nach und nach ins öffentliche Bewusstsein zu dringen. Und dass mit diesem eiernden Umgang mit der Wahrheit schlicht und einfach Verrat an den gedemütigten, begrapschten, vergewaltigten Frauen geübt wird, scheint vielen politischen und journalistischen Kommentatoren auch nicht klar zu sein. Oder es ist ihnen – was ungleich schlimmer wäre – egal.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

C. Juliane Vieregge

Autorin, Bloggerin. Am 13. März 2019 ist ihr neues erzählendes Sachbuch "Lass uns über den Tod reden" im Ch. Links Verlag, Berlin, erschienen.

C. Juliane Vieregge

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