Lachen light

Darf man das? Simon Verhoeven verarbeitet die Flüchtlingsproblematik als Komödie.

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Mit Willkommen bei den Hartmanns von Simon Verhoeven hast du einen entspannten und amüsanten Kinoabend. Mir ist es jedenfalls so gegangen. Der Film ist lustig. Er ist deutsch. Er tut niemandem weh, er überschreitet keine Grenzen.

Wir Deutsche schwanken ja immer zwischen Ja, aber und Nein, obwohl. Mit dem Standpunkt-Beziehen haben wir es nicht so. Klare Ansagen empfinden wir als unangemessen. Fünfzehn Jahren knallharter Nazisprache, deren Gewitterleuchten bis weit in die Siebziger reichte, zeigen immer noch ihre Wirkung. Die Abgrenzung vom Faschismus mit seinen pöbelnden Parolen hat vor über fünfzig Jahren die Maßstäbe gesetzt für eine neue Ära der Kommunikation, die sich vor allem im politischen Diskurs niederschlug – wobei der Begriff politisch eine universelle, auch das Private umfassende Bedeutung bekam, auch das war neu.

Sprachlich sind wir vorsichtig bis zur Leisetreterei geworden. Das ist vielleicht bedauerlich, doch historisch notwendig. Wir runzeln lieber erstmal die Stirn (Ja, aber …). Das betrifft sogar non-verbale Äußerungen, oder wie sonst ist es zu erklären, dass der Stinkefinger, den Sigmar Gabriel im Sommer dieses Jahres einer Gruppe von Rechtsradikalen zeigte, ein mittleres politisches Erdbeben auslöste? Journalisten und Kommentatoren fielen vor Schreck fast in Ohnmacht, und auch in der Öffentlichkeit kam diese Aktion gar nicht gut an. Der Stinkefinger war ganz klar eine Grenzüberschreitung!

Das ist deutsch. Genau das ist der Grund, weshalb ein Film wie Ziemlich beste Freunde sehr wohl in Frankreich, jedoch niemals in Deutschland gemacht werden kann. Die Komik – und damit der Erfolg – von Ziemlich beste Freunde liegt in der affektiven verbalen und gestischen Umsetzung einer momenthaften Emotion, ohne kognitive Prozesse vorzuschalten – in diesem Fall eine Reflexion über political correctness. Für uns Deutsche unvorstellbar! Wir lachen, staunen, aber wir können das nicht.

Von eben der zwangsbeschränkten Denke, ergo Sprache, auf dem Hintergrund der Flüchtlingsproblematik, handelt der Film Willkommen bei den Hartmanns. Ist doch mal ein Anfang. Lachen light (gemacht)!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

C. Juliane Vieregge

Autorin, Bloggerin. Am 13. März 2019 ist ihr neues erzählendes Sachbuch "Lass uns über den Tod reden" im Ch. Links Verlag, Berlin, erschienen.

C. Juliane Vieregge

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