Das Leben in den Zeiten der Corona; AC 2.11

Das Logbuch geht weiter: Hinter Mauern und hinterm Mond

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Eine Woche vor dem geplanten Szenarien Wechsel in die vollzählige Präsenz hat Don Domingo die Missionsschule in eine Festung verwandelt. Die Prüflinge sind drinnen, die nicht zu prüfenden Schüler zuhause. Alle Eingänge sind verbarrikadiert, der Schlüsselmeister ist nicht auszumachen und nur der Torwächter mit einem Eimer voller Tests erwartet mich am Eingang dieser unheimlichen Schule, an der sich jeder Geisterjäger die Zähne ausbeißen dürfte. Komisch, Prüflinge müssen sich im Gegensatz zu den Anderen doch gar nicht testen – ich als Lehrer bekomme heute auch keinen Test. Soll der Eimer also abschrecken oder anlocken? Doch wen? Wer will denn in eine Schule, in der gar kein Unterricht stattfindet? Kurz darauf hat sich die Frage erledigt, da das Haupttor nach Prüfungsbeginn geschlossen wird.

Zum Lehrerzimmer komme ich nur über Umwege, da auch der innere Verbindungsgang blockiert ist. So bezahle ich meinen heutigen Toilettenbesuch mit einem Spaziergang rund um das komplette Schuldgelände, bis ich wieder ein offenes Schlupfloch finde. Sollten wir kürzlich noch von der Schule aus online unterrichten, damit die Klassenbücher aktuell gepflegt werden können, dürfen wir jetzt wieder von zuhause aus. Don Domingo mit seinem Wechselregiment erinnert mich an einen Unteroffizier, der permanent neue Übungen exerzieren lässt. Ob er damit Belastbarkeit und Flexibilität seiner Untergebenen testen oder gar erhöhen will, oder ob er lediglich kleine despotische Neigungen auslebt, lässt sich nicht ganz zweifelsfrei ausmachen. Zumindest findet er auch heute wieder ein Opfer, das er mit seiner “Ich-habe-immer-Recht”-Masche in die Ecke drücken kann. Ich bin es diesmal nicht. Auf meiner Odyssee von einer Lockdown-Tür zur nächsten frage ich mich permanent, warum ich immer noch hier bin. Wenigstens die Schüler habe ich mittlerweile im Griff: Ich lasse sie ein Referat über einen Künstler ihrer Wahl erarbeiten – die kommenden Wochen scheinen gerettet. Für den nächsten Mittwoch habe ich mir mein Wunsch-Szenario bereits zusammengebaut: Ich sitze am heimischen Rechner, frisch geimpft, während die Schüler in ihren Klassenräumen eingepfercht sind und mich über den Beamer auf das Whiteboard projiziert erleben dürfen. Ob der Don wohl flexibel genug für dieses Szenario ist?

An der Gastro-Front ist ebenfalls Bewegung. Die ersten Eisdielen stellen Aufsteller zwischen ihre spärlichen Gartenstühlchen am Straßenrand, auf denen zu lesen steht: “Hinsetzen nur mit gültigem Impfpass oder Test”. Mag man hier überhaupt noch verweilen? Eher nicht. Ich frage mich, warum die Behörden den armen Gastwirten Unmöglichkeiten wie diese abnötigen. Um ihnen nun auch das Sommergeschäft noch restlos zu versauen? Und ich frage mich, wann die ersten Graffitis mit der Forderung “Verkauft nicht an Ungeimpfte!” auf den Schaufensterscheiben zu sehen sein werden.

Meine Mutter hat nach dem 91sten Lebensjahr in Corona-Jahr Eins nun auch das 92ste vollenden können. Natürlich müssen wir uns beim Besuch im Heim noch immer testen lassen. Das Testpersonal, das den Rachenabstrich äußerst oberflächlich vornimmt (ich bekomme nicht mal einen Würgereiz) ist noch immer von oben bis unten in Plastik eingewickelt, nur die Visiere hat es heute nicht auf. Meine Frage, ob sie schon jemals eine Positiv-Testung gehabt habe, beantwortet die Dame, die die Formulare ausfüllt mit “nein” – aber sie habe schon mal aus dem Kollegenkreis gehört, dass so etwas vorgekommen sei.

Doppelt geimpft und unternehmungslustig wie eh und je möchte meine Mutter ihren Geburtstag dazu nutzen, in einem Gartenmöbelcenter nachzuschauen, was man denn diesen Sommer für Balkon und Garten anschaffen könnte. Schon am Eingang werden wir von einem jungen Mitarbeiter empfangen, der meine Mutter ihre sämtlichen Papiere heraussuchen lässt. Im Impfpass ist nur ein Stempel, welch ein Faux-Pas! Nachdem ihr ein Teil der Unterlagen vom Rollator fällt und sie sich vor Schreck erstmal setzen muss, weil nur eine Impfung verzeichnet ist, nimmt meine Partnerin dem ebenfalls überforderten jungen Mann die Papiere aus der Hand und weist auf einen Zusatzbogen hin, auf dem beide Termine erfasst sind. Dann muss sie selbst zusätzlich zu ihrem Test einen Ausweis zeigen, um meine Mutter in das Geschäft begleiten zu dürfen. Hintendran komme ich und zeige ebenfalls meinen Test. Einen das Dokument verifizierenden Ausweis zu zeigen, verweigere ich. Wir beschließen, die Besuche in Fachhandel und Gastronomie diesen Sommer so weit wie möglich zu vermeiden.

Als ich beim Zappen zufällig bei den öffentlich-rechtlichen Nachrichten lande, traue ich meinen Augen und Ohren nicht: Mr. Biden (US-Präsident) attackiert China, er fordert Informationen zum Ursprung von Covid-19. Mit fragender Unschuldsmine wiederholt der Nachrichtensprecher dieselbe naive, bereits vor über einem Jahr nicht beantwortete Frage, ob das Virus von einem Tier oder aus einem Labor auf die Welt gebracht worden sei.

Ungläubig schaue ich auf Datum und Uhrzeit der Sendung. Nein, ich bin nicht auf “Was vor einem Jahr geschah” gelandet, sondern glaube in einer Zeitkapsel zu sitzen. Entweder ist der Nachrichtensprecher ein exzellenter Schauspieler oder komplett hinter dem Mond hängen geblieben. “Na, selbstverständlich kommt Corona vom Tier, was denn sonst?” rufe ich ihm in den Fernseher zu. Das Tier ist ein ganz böses Subjekt, das vor einigen Jahren aus den USA ausgewiesen wurde, weil es körpereigene Kräfte dafür missbraucht hat, ein Supervirus zu entwickeln. Damit wollte es alle andersartigen Tiere ausrotten. In Europa haben alle Länder das Tier abgelehnt, in Afrika erst recht. So war es glücklich, in China eine neue Heimat zu finden. Leider wurde es ausgerechnet in Wuhan ausgesetzt, wo sich die Wissenschaftler in ihren klimatisierten sterilen Laborkantinen mittags am liebsten exotische Tiere kredenzen lassen. Und unser kleiner animalischer Fiesling war ein besonders exotisches Tier. Den Wissenschaftlern hat es gemundet, doch bekommen ist es ihnen nicht. Der Rest ist Märchen … äh … Geschichte.

So, liebe Kinder, jetzt wisst ihr, wie das böse Virus in die Welt kam. In der nächsten Geschichte erfahrt ihr, wie die deutsche Tierschutzpartei ein milliardenschweres Masken- und Selbsttestgeschäft daraus machen konnte.

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