Das Leben in den Zeiten der Corona; AC 2.14

Das Logbuch geht weiter: Schweigeminute für einen Überlebenden

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„Der Tod eines Mannes ist eine Tragödie, aber der Tod von Millionen nur eine Statistik.“ Zu Wochenbeginn erhält diese These neues Futter, wenngleich der heuer betroffene Mann nur fast tot ist. Am Sonntag ist ein dänischer Fußballspieler ohne äußere Einwirkung auf dem Feld gestürzt und lag nach wenigen Sekunden bewegungslos da. Die Mitspieler bildeten einen fest geschlossenen Ring um ihn herum, um neugierige Kamerablicke abzuwehren, und das Publikum im Stadion war minutenlang wie versteinert. Um auch den Abtransport vor Kamerablicken zu schützen, wurde eine (wahrscheinlich von den gegnerischen Fans geliehene) finnische Fahne wie ein transportabler Paravent schützend vor den Spieler gehalten. Im deutschen EM-Übertragungsstudio war man derart schockiert, dass die Sportsendung abgebrochen und Nachrichten zwischengeschaltet wurden, um dann mit einer x-beliebigen Vorabendserienfolge fortzufahren. Das Spiel wurde nach Anfrage bei den beteiligten Mannschaften und dem betroffenen Spieler, der wieder bei Bewusstsein war, noch am selben Abend fortgesetzt. Viele Stimmen sagen, man hätte das Spiel am nächsten Tag fortführen sollen. Zum Glück verbessert sich der Zustand des dänischen Spielers – wenn auch die Nachricht, dass Sportler sich Defibrillatoren implantieren lassen mich schon etwas irritiert. Richtig irritiert mich jedoch erst der folgende Spieltag mit dänischer Beteiligung. Hier wird das Match in genau der Spielminute unterbrochen, in der der Spieler umgefallen ist. Es folgt eine Schweigeminute. Ich bin erschüttert – macht man denn jetzt vor gar nichts mehr Halt, um Gefühligkeit medienwirksam zu zelebrieren? Der Spieler lebt und ist stabil – auf eine Schweigeminute für Corona-Erkrankte und Opfer warte ich in der Gruppenphase bisher vergeblich.

Absurd ist auch, dass diese EM in vielen Ländern stattfindet und die Ränge der verschiedenen Stadien extrem unterschiedlich gefüllt sind. Liegt das nur an den europaweit differierenden Distanzregeln, oder auch daran, dass manche Partien in der Stadt eines Landes stattfinden, in dem man sich für keine der beiden kickenden Mannschaften interessiert? Auch nicht gerade Fairplay: Einige Turnierfavoriten haben in der Gruppenphase permanentes Heimrecht, während schwächer gehandelte Teams tausende von Kilometern reisen müssen und nie zuhause spielen. Wer denkt sich denn so etwas aus? Auch die Aussicht, ohne Corona in irgendeinem Hotel fern von daheim zwei Wochen lang in Quarantäne herumzusitzen lässt bei Fans keine rechte Reisefreude aufkommen. Richtig spannend wird es, wenn aufgrund der ind... – ach, das darf man ja nicht mehr sagen – der “Delta”-Variante der bevorzugte Spielort London womöglich in ein anderes Land verlegt werden muss. Doch wohin? Bedrohen die “Delta-Forces” nicht schon längst uns alle? Überall?

Weitere Wellen macht die neue NATO-Positionierung: China wird offiziell zum Feind erklärt. Frau Merkel fühlt sich nicht so wohl damit. Ihr Maskenminister hingegen war an dieser Stelle weitsichtiger als die Chefin und hat schnell noch Milliarden von Gesichtsfiltertüten auf Halde gekauft – Schutzmasken, die wir gar nicht brauchen. Schnell noch ein paar Steuermilliarden mehr nach Fernost umgeleitet, abgetan mit einem Satz wie “besser ein paar zu viel als ein paar zu wenig”. Der Immobilienhasardeur Schneider nannte so etwas mal “Peanuts” – aber was macht Schneider heute eigentlich? Oder, um in der Politik zu bleiben: Weshalb musste Bundespräsident Wulff seinerzeit nochmal gehen? Unsere heutige Politiker-Riege interessiert das alles scheinbar wenig, Schnee von gestern. Dummdreist und jenseits jedes Anstandsgefühles kommen sie mittlerweile scheinbar mit allem durch. Und das auch noch mit einer Miene, die mit irgendetwas zu vergleichen eine Beleidigung für Menschen mit Beeinträchtigungen wäre. Hier wurde gerade übrigens bewusst nicht gegendert. Frau Baerbock ist ein gesondertes Thema, das eventuell später aktuell wird. Und die amtierende Königin “ain't no human being”, um ausnahmsweise mal die Sex Pistols zu zitieren.

So, jetzt lasst uns aber endlich die 37° im Schatten genießen und den Sommer durchfeiern, ehe uns “Delta” den ganzen Spaß verdirbt, der nächste Lockdown kommt und unsere dritte Impfung angeordnet wird. Der wievielte Lockdown wäre der nächste eigentlich? Ein Freund versucht das (nach dem dritten Bier) an den Fingern abzuzählen. Mit beiden Händen. Schade, dass wir den Moment nicht gefilmt haben. Doch stellen Sie sich an dieser Stelle einfach den unbeholfenen, überforderten Mr. Bean vor, das kommt der Szene noch am nächsten.

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