Das Leben in den Zeiten der Corona; AC 2.22

Das Logbuch geht weiter: Drückerkolonnen und Schnapsideen

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Zigtausende Ärzte wollen nicht mehr impfen, steht zu lesen. Weniger aus medizinischen Gründen, sondern weil die Selbstkosten nicht abgedeckt seien. Dazu wollen die nach der ersten Impfung abtrünnigen Astrazenicaner als zweite Impfung nur noch Biontec. “Kreuzimpfung” nennt man das, warum auch immer – womöglich, weil es etwas mit Leiden zu tun hat? Doch woher diesen Impfstoff in richtigen Dosen so schnell nehmen? Übrigens zeigt dieses Produkt bei einigen jüngeren Menschen – warum auch immer die geimpft werden mussten – Herzmuskelstörungen und andere spät auftretende Begleiterscheinungen. Kurz: Die sogenannte “Impfkampagne” ist ins Stocken geraten. Zeit also für drostische, äh drastische neue Maßnahmen. Weil man sich ja vorgenommen hat, mehr für die Bildung tun zu wollen, wird jetzt das Impfen der Zwölf- bis Siebzehnjährigen an Schulen angeordnet. Ursprünglich galt diese Altersgruppe als weitestgehend ungefährdet. Aber “ursprünglich” ist lange vorbei, wir haben uns längst von Erkenntnissen, die andernorts noch für Augenmaß sorgen mögen, verabschiedet. Wenn wir Deutschen einen Weg einschlagen, dann gehen wir ihn auch bis zum letzten Mann (und zur letzten Frau natürlich). Gute alte Tugend.

Apropos “gehen” – wie wird eigentlich gerade versucht, die widerspenstigen Erwachsenen zu Impfanhängern zu konvertieren? In der niedersächsischen Vorzeigemetropole kann man die Passage vom Bahnhofsvorplatz in die Einkaufsinnenstadt nicht mehr entlangflanieren, ohne von einer Vakzin-Drückerkolonne abgefangen zu werden. “Impfung ohne Termin” steht verführerisch in großen Lettern auf einer Bauarbeiterbude, die sie dort innerhalb einer trichterfömigen Bauabsperrungen aufgebaut haben. Solche Buden haben wir auch für das Testen, das ja bald kostenpflichtig werden soll. Es ist übrigens erstaunlich, wir dicht sich die Menschen in der Innenstadt um einander herumdrücken – zumindest im Vergleich zu vielen Freizeitorten, die angenehm luftig besetzt sind. Dabei gibt es in der “Unesco City Of Musik” im Gegensatz zu anderen Städten derzeit nicht einmal Straßenmusik – sondern wie immer: nur schnöden Kommerz. Die zwischen den Konsumtempeln stehenden Blechbuden lassen das Innenstadtszenario noch grotesker erscheinen, als es ohnehin schon ist. Was treibt die Menschen bloß in Massen immer wieder hierher, an ihren freien Samstagen ebenso wie an vielen anderen freien Tagen? Schnell nochmal in den Kaufhof, schnell mal wieder in die holländischen Kakaostuben – schnell nochmal testen, schnell mal impfen lassen, denken sich die Impfaktivisten in ihrer Kausalkette offensichtlich zusammen. An mir fliegt dies alles eher beiläufig vorbei, bin ich mit dem Rad zu den Badeteichen unterwegs, die genau am anderen Ende der Stadt liegen.

Wichtiger ist mir in dieser denkwürdigen Woche jedoch ein anderes Thema: Dreimal die Zwei – das geht als Schnapszahl durch, oder? Also erlaube ich mir heute mal ein paar Corona-Schnapsideen: Wie wäre es mit einer Welt, in der sich nur die impfen lassen, die das auch wollen? Ach nee, das geht ja nicht – so viel Selbstverantwortung kann den Menschen nicht zugemutet werden. Außerdem brauchen wir für das gute Gewissen immer welche, die es falsch machen. Um uns selbst als die Richtigmacher fühlen zu können. Aber was wäre, wenn alle einen kostenlosen T-Zell-Immuntest machen könnten? Sie wissen nicht, was das ist? Nun, es würde zigtausend Tonnen an Plastikmüll sparen, denn wir bräuchten so gut wie keine Schnell- und PCR-Tests mehr und hätten einen akzeptablen Indikator dafür, ob wir nicht ohnehin schon ausreichend immunisiert sind. Riesen-Schnapsidee! Dann bräche ja das ganze akribisch aufgebaute Corona-Zwangssystem zusammen und etliche lukrative Fernostgeschäfte würden entfallen! Masken könnte man bei Bedarf ja weiterhin tragen – die auf Maß gearbeiteten waschbaren zum Beispiel. Mist, geht natürlich nicht, die Kunststofflappen gehören ja auch zum China-Deal. Noch verstiegener wäre es, diese ganze Inzidenzwert-Hampelei abzuschaffen – wir brauchen doch die zwei, drei Sommermonate für unseren Freigang, damit die Zahlen dann wieder hochgehen und alles wieder dichtgemacht werden kann. On-Off-Gesellschaft on demand. Anschaffen hingegen könnte man Luftreiniger und UVC-Leuchten … oder nicht? Besser nicht, stimmt, Schnapsidee: Wir wollen doch keine tragfähigen Lösungen, sondern weiter auf Anordnungen reagieren. Die Bösen sind die, die nicht alles mitmachen, die etwas anderes wollen, weil sie mit ihrer Einstellung grundsätzlich das Leben anderer bedrohen. Das erspart die Begründung jeder noch so absurden Anordnung – clever eingefädelt. Die Werbung dagegen glänzt diesen Sommer mit Plattitüden wie “Jetzt, da wir uns wieder treffen dürfen ...”. Also schnell alle zusammen den Müll kaufen, um den es da geht, ehe das Privileg des Sich-Treffens wieder abgeschafft wird. Ein guter Freund sagt heute seine Feier zum runden Geburtstag am 31. 9. ab, weil die Umstände so unverhersehbaren seien. Was für eine Schnapsidee auch, überhaupt noch an so etwas wie Geburtstage zu denken! Festzustellen ist: In Deutschland setzt sich wieder eine Idee durch. Zumindest bei sehr vielen. Wer nicht freiwillig mitmachen will, muss angepasst werden. Und bei wem das etwas schwieriger ist, der muss sich trotzdem der Idee unterordnen und in stillem Protest verharren. Hauptsache, er ist Teil einer volkszersetzenden Verschwörungsminderheit. Diese Mechanismen haben wir richtig gut drauf, das haben wir schon mehrmals bewiesen.

Unwillkürlich fällt mir John Lennons bekanntestes Lied wieder ein. Und eine amerikanische Menschenrechtsbewegung. Auch dahin kann man sich flüchten. “I have a dream” … einen Traum, in dem die Menschen lernen, mit Viren aller Hautfarben, Rassen und Herkunftsländer zu leben. Respektvoll, umsichtig und immer auf gegenseitigen Schutz bedacht. Ohne Gesichtsvermummung, Gesinnungstests und Ausgrenzung Andersdenkender. Wissend, dass Diversität kein Streichelzoo ist, sondern stets unbekannte Gefahren und Herausforderungen mit sich bringt, müssen wir unserer selbst gewiss sein – nur so können wir uns auf neues vorbereiten ...

Ach was, Schnapsideen im Quadrat! Martin Luther King sind derartige Träume auch nicht gut bekommen. Wir bleiben besser in unseren kleinkarrierten Schwarzweißmalereien, vermeiden weiterhin konstruktive Ideen und überlassen die Regierungskritik dem Springer-Zenralorgan. Das gibt uns zumindest die vage Hoffnung, dass es die Meinungsfreiheit noch gibt. Könnte ein besonders cleverer Deal sein, der da zwischen Entscheidern und Alibi-Meckerern am Mauerstreifen ausgeheckt wurde. Denn dass Millionen intelligenter und kritischer Menschen in Deutschland wegen “Bild”-Schlagzeilen auf die Straße gehen und den zivilen Aufstand proben, ist ungefähr so wahrscheinlich wie eine große Koalition von “Die Partei” und “AFD”.

Es brennen sich Bilder ein, die weit jenseits jeder Schnapsidee liegen: Alleine in ihren Autos fahrende Maskierte, Maskierte auf einsam am Himmel baumelnden Sesselliftsitzen und solitäre Schwimmer mit weiß auf dem Wasser leuchtenden Masken. Lasst uns einfach weiter gucken, ducken und mehr trinken – das kann man nämlich auch alleine in den eigenen vier Wänden und ohne Ideen zu entwickeln. Und lasst uns warten, bis sich alles wieder von alleine ändert, ohne dass wir eigene Entscheidungen treffen oder gar aktiv werden müssen. Prost, Schnapsideen – Getränke dürften genügend zur Verfügung stehen, die wurden laut vertraulicher Informationen aus für gewöhnlich gut informierten Kreisen schon im Frühsommer aus Kabul gerettet.

Wer hingegen einen anständigen und angemessenen Grund zum Trinken sucht, sollte sein Glas auf Gerd Müller erheben. Den Mann, der so viele Bundesligatore schoss, wie das Jahr Tage hat und den man trotz einer zwischenzeitig pazifistischen Grundstimmung in Deutschland den “Bomber” nennen durfte, ohne dass es die Engländer übel nahmen.

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