Das Leben in den Zeiten der Corona, Woche 37

Das etwas andere Logbuch Tag 253 bringt die Ernte des Montages zuvor.

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Nämlich einen neuen Teilnehmer in meiner Maßnahme, der exakt bis mittags durchhält, um danach für den Rest der Woche krank zu werden. Einer Woche, in der noch weitere Krankmeldungen folgen, sodass ich mich mit meinen Kollegen ungestört der eigenen Zukunftsplanung widmen kann. Pete kommt vom Fernsehen und weiß, wie es dort läuft. Und Bernie ist ein ausgebuffter Checker, ein Schlitzohr norddeutscher Prägung. Ihm reicht eine Mittagspause, um den perfekten Plot aus der Hüfte zu schießen. Und der geht so: Pete wird als Psychologe “Prof. Ahrens” von verschiedenen Bildungsträgern des Nordens für besonders schwere Teilnehmer-Fälle angefordert. Egal, ob in der Tiefebene jemand droht, ins Moor zu gehen, oder ob in Helgoland jemand von den roten Felsen springen will – Professor Ahrens und sein Team können helfen. Mit dabei sind Bernie als Backoffice-Manager (er holt die interessanten Fälle ran, sorgt dafür, dass immer ein paar Euro mehr als offiziell angeboten in der Spaßkasse des Teams hängen bleiben und kümmert sich um Catering und andere Beschaffungsbelange) und meine Wenigkeit, die als Mädchen für alles mal den Fahrer mimt, mal die Werbetrommel rührt und mal als Duo-Partner von Professor Ahrens den “Bad Coach” spielt.

Nur eine Frau fehlt noch. Wir lieben unsere Chefin zwar, wissen aber nicht, ob sie eine tragende Rolle übernehmen kann (so, wie die Polizeichefin in “Wilsberg” oder die Staatsanwältin bei den “Tatort”-Folgen mit Liefers und Prahl. Wir bleiben erstmal beim Trio – das hat sich in “Mord mit Aussicht” ja auch bewährt. Die Frauenrolle wird sich finden, beschließen wir, als wir die erste Staffel einer ganzen Serie in spe planen. Uneinigkeit besteht lediglich noch bezüglich des Titels. Zur Auswahl stehen „Die Maßnahme“ und „Ein Fall für Ahrens“.

Noch ist das alles Zukunftsmusik. Erstmal muss ich mein Gästezimmer neu vermieten. Auf meine geschaltete Anzeige melden sich innerhalb der ersten Stunde ungefähr zehn Interessenten, im Laufe der Woche über einhundert. Dabei muss ich feststellen, dass sich trotz vermeintlicher Wohnungsknappheit viele Leute in einer Art und Weise melden, die sogar das “Hastmanemark” der Supermarkthundepunks der 1990er-Jahre locker unterbietet. Hier ein kleiner Auszug (natürlich zur Wahrung des Datenschutzes wieder mit geänderten Namen):

Manilow: hello I wanted to know if the room is free thanks

Ich: yes

Oder, mit versteckter Stolperfalle:

Rizzo: Guten Abend, ich interessiere mich für Ihre Wohnung und Ich wollte wissen, ob es Ihnen möglich ist, ein Jobcenter zu mieten. Mit freundlichen Grüßen

Ich … bleibe sprachlos.

Viele lesen auch einfach den Anzeigentext nicht aufmerksam:

Gondra Souflaki: Sehr geehrte Damen und Herren, Ich heiße Gondra bin 27 Jahre alt und ich bin Angestellterin in ein Call Center. Ich interessiere mich stark für die Wohnung in Linden. Da meiner Mitbewohner umzieht, bin ich dringend auf der Suchung einer Wohnung. Ich würde mich sehr freuen wenn wir eine Termin vereinbaren können. Bitte nehmen Sie Kontakt mit mir auf. Mit freundlichen Grüßen ...

Ich: Liebe Gondra, es ist keine Wohnung und nicht in Linden. Bitte sorgfältiger lesen – das wäre auch gut für den Job im Call Center. Viele Grüße ...

Dann gibt es noch die minimalistischen Symbolisten, die ganz auf verbale Äußerungen zu verzichten versuchen.

Iwan: ?

Ich: !

Iwan: Ich habe gefragt ob wir ein Treffen mit einander vereinbaren?

Ich: Leider habe ich das nicht verstanden. Schade – dann passt es wohl eher nicht. Viel Erfolg!

Meine erste Vermietungswoche zumindest bleibt ohne Erfolg.

Die Pandemie wird für mich zum Grundrauschen eines redundanten Siebentägers, in dem es sogar eine verhuschte Person wie diese ominöse “Jana aus Kassel” schafft, mit einer Persönlichkeitsstörung - sie vergleicht sich mit Sophie Scholl - zum Star der Woche zu werden. Sogar mein Punkfreund aus Leipzig fragt nach der in Hannover auf einer Querdenker-Demo auftretenden Dame. Ist das peinlich! Nicht für mich, aber für Hannover.

Ich mache (mit Freunden aus niemals mehr als einem Haushalt;-) mal wieder eine Radiosendung, bereite ein Wettbewerbskonzept für ein Hörkunstfestival vor und kümmere mich um meine SchülerInnen und StudentInnen – damit ist meine Woche auch ohne Corona-News voll genug.

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