Das Leben in den Zeiten der Corona, Woche 38

Das etwas andere Logbuch Tag 260 führt mich wie jeden Montag alleine an die Weser.

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Mittlerweile nervt mich dieser diffuse Pseudo-Lockdown ganz gewaltig. Von wegen “2.0”! Draußen rennen immer mehr Leute auch dann mit Maske herum, wenn sie fast alleine auf der Straße sind. Lieber die eigenen Abgase gleich wieder einatmen, als frische Luft in die Birne lassen. Das könnte ja die Durchblutung fördern und die paralysierten Gehirnzellen wieder etwas in Bewegung bringen. Das einzig Gute an der Maske für mich ist, dass ich wegen der beschlagenen Brille das Elend nicht in Gänze erkenne, sondern mich wie im Nebel bewege.

In meiner Maßnahme haben sich nun einige Phobiker versammelt, die sich entweder von einer Krankmeldung zur nächsten hangeln oder gar nicht erst richtig einsteigen. Lieber erstmal gucken, was wir denn für ein Laden sind. So, als hätten sie die Wahl, als wären wir ein Kurhotel, wo man eincheckt, wenn einem danach ist. Lieber erst im Januar, höre ich, weil dann Corona hoffentlich nicht mehr so schlimm sei. Naja, denk ich mir, dann vielleicht eher gar nicht. Doch unsere Kontaktperson in der Behörde, die mit mir gemeinsam die “Rekrutierung” durchgeführt hat, scheint diese Maßnahme (zumindest vormittags) zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht zu haben und will täglich bis 10.00 Uhr einen Report über das, was so passiert ist. Oder was nicht passiert ist. Natürlich nur als “eben mal eine kleine E-Mail”. Von ihr habe ich noch nie eine E-Mail bekommen, sie ruft an, wann es ihr passt und fordert zum Rapport. Verstecken zwecklos, irgendein Kollege mit dem Telefon in der Hand findet mich immer. Sogar draußen in der Zigarettenpause oder wenn ich an einer ganz anderen Schule unterrichte. Sie selbst arbeitet übrigens nur bis 12.00 Uhr, so wie auch einige ihrer Kollegen. Es ist schon bizarr: Unsere Behörden schalten weite Teile des normalen Lebens tot und verpissen sich selbst dann so gut es geht. Aber uns lassen sie rotieren – und denken Sie mal nicht, dass unsere Teilnehmer die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr frei haben. Mal sehen, wie viele Krankmeldungen dann kommen werden. Zumindest planen wir schon mal, uns das Leben schön zu machen: Einer unserer Teilnehmer will syrisch kochen (… hilft gegen den Gastro-Lockdown), einer will seinen Netflix-Schlüssel mitbringen (… hilft gegen Langeweile) und die Gypsy-Musikerin ihre Django-Reinhard-Gitarre (… ob ich meine dann lieber zuhause lasse?).

Klarer denn je wird in diesen Tagen: Unsere Gesellschaft ist asymmetrisch. Während die einen nicht müssen, dürfen die anderen nicht. Die, die nicht wollen, kommen sehr gut ohne durch und die, die machen wollen, dürfen es nicht. Die offizielle Corona-Opferzahl strebt gemächlich auf 18.000 zu. Das sind immer noch weniger Verstorbene, als jedes Jahr den “ganz normalen” Krankenhauskeimen zum Opfer fallen – die Korrelation zu anderen Krankheiten wurde an anderer Stelle schon erwähnt. Und Aids soll es auch noch geben. Dass die Zahlen trotz aller Nashorn-Maßnahmen nach oben gehen, scheint auch niemanden ernstlich ins Grübeln zu bringen. Nicht im öffentlichen Rampenlicht. Privat sieht das anders aus. Ich treffe auf der Straße einen Bekannten, der sich auch als Nashorn tarnt. Um nicht anzuecken, wie er selbst sagt – von Anstecken ist nicht die Rede. Er ist bereits im Ruhestand, liest und hört viel, und steht dem Corona-Hype durchaus skeptisch und kritisch gegenüber. Doch draußen muss das niemand wissen, deshalb trägt es seinen Mund-Nase-Schutz absolut vorschriftsmäßig. Gut getarnt ist halb gewonnen, zum Glück wird man von den Ordnungshütern noch nicht gefragt, ob man die Maske aus voller Überzeugung trägt.

Kollege Pete möchte am Dienstag wissen, wie es in einer “echten” Schulklasse zugeht. Also nicht wie bei uns, mit einer Handvoll Nachsitzern, die wir in ein Ausbildungsverhältnis hieven sollen. Direkt gegenüber unserem Schulungsstandort befindet sich eine kleine Pizzeria, nicht größer als ein geräumiger Kiosk. Jeden Tag um Punkt 13.00 Uhr drängelt sich dort ein Riesenpulk von Schulkindern, die anscheinend kein Zuhause mit geregeltem Mittagessen haben. Von der nächstgelegenen Bushaltestelle bis zum Eingang, der gleichzeitig auch Ausgang ist, reicht ihre Schlange - in der Tür, die gar nicht mehr zufällt, stehen sie in Zweierreihe und am Tresen werden jeweils zwei von ihnen gleichzeitig bedient. Wir haben vorbestellt und dürfen deshalb durch das Nadelöhr namens Eingangstür direkt an den Tresen. Pete geht. Ihm ist heiß und kalt zugleich ist, doch er besteht den Selbsttest. Triumphierend kehrt er mit unserem Essen zurück. Wiederholen möchte er diese Mutprobe lieber nicht. Reale Schulerfahrung muss auch nicht sein.

Auch in unserer kleinen Bäckerei am Ende der Straße gibt es nur noch einen begehbaren Ein- und Ausgang. Die auf dem Boden klebenden, diametral angeordneten Pfeile sagen zwar etwas anderes, doch die rechte Hälfte der Tür, durch die man eigentlich hinausgehen soll, ist durch einen großen Klappaufsteller versperrt. Übrigens wären einskommafünf Meter Abstand selbst dann nicht möglich, wenn die Türhälfte passierbar wäre. Mir fällt auch auf, dass viele Läden zwar die gleichzeitige Anwesenheit von zwei Kunden gestatten, jeweils jedoch nur einer im Laden ist. Mann, sind wir Deutschen doch noch immer gut zu dressieren. “Vorauseilender Gehorsam” nannte man das früher, als unsere Sprache noch das sagte, was gemeint war. Ich weiß noch gut, wie ich mir im Bekanntenkreis nach den Wortkapriolen der ersten Pandemiewochen derbe Kritik eingehandelt habe, als ich mir einen Vergleich mit Gehirnwäschemethoden erlaubte. Stimmt, ich hatte unrecht. Man dreht einfach Begrifflichkeiten und verändert den Sinn von Wörtern. Da wird nichts gewaschen, sondern nur gewendet – auch das können wir ziemlich gut. Meine aktuelle Lieblings-Wortwendung ist der “Querdenker”. Noch vor kurzem galt selbiger als einer, der in festgefahrene betriebliche Prozesse frischen Wind bringen kann, jemand mit ungewöhnlichen Ideen und neuen Impulsen. Wer jetzt als Querdenker bezeichnet wird, war früher mal ein “Querulant”. Deutsche Sprache? Scheiß drauf, kann jeder mit machen, was er will. Nicht nur Fußballmoderatoren und Politiker. Der Duden macht ja auch munter mit.

Am Mittwoch kommt der interessanteste und gleichzeitig bedrückendste Input aus dem TV. Gerade hat mit der TUI mal wieder ein definitiv nicht zukunftsträchtiges Unternehmen ein paar Milliarden in den Hintern geschoben bekommen, da wird auch in der Automobilindustrie nachgelegt. Was sind auch schon ein paar Milliarden? Bei der Lufthansa dürften die Subventionen des vergangenen Sommers zumindest reichen, die Abfindungen der 20.000 Mitarbeiter, die nun gehen sollen, inklusive der etwas fetteren Entschädigungen für einige Manager zu decken.

Die Mobilität zu Land wie zur Luft ist eine Fossilienangelegenheit. Versteinerte Dinosaurier. Eigentlich schon ausgestorben, aber noch gut zu Geld zu machen. Egal, welche Potenziale man uns weismachen will. Das wird mir heute durch einen Arte-Beitrag einmal mehr drastisch vor Augen geführt. Denn die angeblich “grüne” E-Mobilität ist in Wirklichkeit staubgrau. Ganze Landstriche veröden durch den Abbau der sogenannten “seltenen” Erden, beziehungsweise Metalle, und kerngesunde Menschen sterben an Krebs. In einigen Gegenden Afrikas, Südamerikas und Chinas sieht es aus wie in Tschernobil – dagegen war der Tagebau in der DDR die reinste Farbenpracht. Doch das interessiert anscheinend keinen, der Staat fördert mit Steuergeldern munter weiter die Elektroautos. Norwegen ist noch cleverer: Der Umstieg auf E wird mit Erdöl finanziert.

Was das alles mit Corona zu tun hat, mag sich manch einer fragen. Nun, das lässt sich in diesem kleinen Wochenbericht nicht umfassend behandeln, doch jede/r mag gerne selbst mal darüber nachdenken. Um zu guter Letzt wieder die Kurve zum Humor zu kriegen, führe ich, solange meine Mietersuche läuft, eine neue Rubrik ein: Die “Mietinteressentenmail der Woche”. Heute kommt sie von ...

Izzy: Hallo Ich habe noch Interesse von die Wohnung können Sie eine Termin mir geben wann sie Zeit haben ich ab sofort das nehmen wann so alles in Ordnung

Klasse, so viel Inhalt in einem Satz ohne Punkt und Komma! Schade, dass es “Dalli Dalli” nicht mehr gibt.

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