Das Leben in den Zeiten der Corona, Woche 46

Das etwas andere Logbuch Tag 316 ist wieder Murmeltiertag.

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Ich muss an Bill Murray denken. Nicht an den aus “Ghostbusters”, sondern den aus “Und täglich grüßt das Murmeltier”. Was passiert, ist gar nicht wahr. Es sind Fiktionen, Fantasien und Tagträume, die mich mehr und mehr aus der Realität in ein Paralleluniversum entführen. In eine absurde Welt, die leider nicht so bunt ist wie die von Alice. Deshalb bitte ich den geneigten Leser und die geneigte Leserin, nicht alles für bare Münze zu nehmen, was in diesem Logbuch zu lesen ist. Namen und Orte sind ebenso frei erfunden wie die Handlungsstränge selbst – glaube ich zumindest. Kapitän Nemo wünscht Ihnen gute Unterhaltung!

Ich bin wie jeden Montag in dem kleinen gallischen Dorf an der Weser, das sich mittlerweile zum Top-Corona-Hotspot des Landes gemausert hat. Einen Zaubertrank gibt es hier nicht, stattdessen trotzt man der Pandemie mittels eines unerschütterlichen Glaubens an starre und veraltete Vorschriften und Gewohnheiten. Eingliederung in den Arbeitsmarkt könne angeblich nicht per Distanzunterricht erfolgen, heißt es. Während ringsumher verantwortungsvolle Bildungsträger ins Home-Schooling gehen und verantwortliche Behörden schon längst im Homeoffice sind, lässt man uns weiterhin in einem Raum sitzen, der den allseits bekannten Distanzregeln nicht gerecht wird. Unsere Chefin hat andere Regeln, ihre Abstandsmarkierungen liegen nur wenige Zentimeter auseinander und geben eher eine Tischanordnung als eine Sitzordnung vor. So lerne ich diese Woche, dass besagte 10 qm zwar für Kollegen im Büro gelten, nicht aber für die Kombination Maßnahmeteilnehmer und Coaches. Zu allem Überfluss kommen per Post die hellblauen Lappen, die jetzt all diejenigen tragen sollen, die keine FFP2-Masken mehr abbekommen. Dienstag kommt eine E-Mail, nach deren Wortlaut auch wir – wenn nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprechen – in den Distanzuntericht gehen sollen. Der schwerwiegende Grund scheint jetzt zu sein, dass unsere Teilnehmerlaptops nicht ins Mobile-Schooling mitgenommen werden dürfen. Ich berufe eine Teamsitzung ein und wir planen das “Corona-gerechte” Arbeiten im Modus “Trockenübung”, da unsere Chefin nicht zugegen ist. Meine Kollegen scheinen vom Erfolg unserer Eingabe nicht überzeugt zu sein und am Ende wird das erstellte Memo gar nicht erst an die Chefin geschickt.
So bin ich heilfroh, dass Mittwoch wieder meine “normale” Schule stattfindet. Mit Kindern, die ich größtenteils weder sehe, noch höre. Die drei von ihnen, die mitarbeiten, reichen mir völlig, denn wir kommen voran und ich schaffe den geplanten Stoff.
Mittlerweile hört man von Schulen, an denen die Lernenden schriftlich versichern müssen, dass sie während des Online-Unterrichtes permanent die Kamera laufen lassen werden. Hauptsache, ihre Anwesenheit kann kontrolliert werden – zumindest für die Hälfte der Zeit. Die andere Hälfte dürfte für die vielen Versuche draufgehen, nach dem technisch bedingten Rausfliegen aus der Konferenz wieder hineinzukommen. Bis der Rechner abraucht, der Server zusammenbricht oder die Leitungen glühen. Wenn es so weitergeht, werden wir ab dem nächsten Jahr wieder Kernkraftwerke bauen, um den Strombedarf für diesen ganzen Wahnsinn zu decken. Unklar bleibt, woher die seltenen Erden für die ganzen Tablets kommen sollen, mit denen Schüler und Teilnehmer in das Home-Schooling geschickt werden. Auch meine Schützlinge im Jobcoaching sollen trotz der vorhandenen Laptops erst dann ins Mobile-Schooling geschickt werden, wenn Tablets verfügbar sind. Darauf könnten wir, so wie ich unsere IT kenne, bis 2022 warten. Dann haben wir die dritte Pandemie-Welle hinter uns und die dann endgültig abgehängten Tablet-User haben ein weiteres Jahr herumgebracht, ohne eine einzige ordentliche Bewerbung zu schreiben. Ansprechend gestaltete Bewerbungen kann man heute natürlich auch auf dem Smartphone schreiben. Wenn man ein iPhone mit der Pages-App hat. Doch einen Bildschirm teilen, um an der Konferenz teilzunehmen und parallel simultan ein Dokument zu entwickeln, dass dürfte schwierig werden.

Vorsorglich hat das zuständige niedersächsische Ministerium an alle Schulen die individuell interpretierbare Parole ausgegeben, mit den Lernenden nachsichtig zu sein. Und zwar auch, wenn die zwischen den vielen Stubenarresten gelegentlich mal wieder alle zusammen mit ihren Lehrern in einem Schulraum zusammen sein dürfen. Wie sollen sie damit auch klarkommen – gerade erst sozialentwöhnt und tagelang der X-Box ausgesetzt – wenn es schlagartig wieder ins “Classic-Schooling” geht?

Nach Meinung einiger Bekannter haben wir übrigens keine Königin, sondern eine Staatsratsvorsitzende. Was aufgrund Frau Merkels Herkunft auch naheliegender erscheint. Wie sonst erklärt es sich, dass Deutschland zwar einen Impfstoff entwickelt, ihn dann aber exportiert, beziehungsweise den nicht sozialistischen Bruderstaaten zukommen lässt, anstatt ihn der eigenen Bevölkerung in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen? Und wie sonst ist zu erklären, dass es zu keiner der Staatsratsentscheidungen eine Alternative geben soll? Der Unterschied zwischen DDR und BRD scheint mir an dieser Stelle vorrangig darin zu liegen, dass intelligente DDR-Bürger wussten, dass die Politik ihrer Republik auf Lug und Trug basierte, während die meisten Westdeutschen der großen Vorsitzenden seit 15 Jahren ungebrochen Glauben schenken. Oder zumindest dem System, das sie verkörpert. Dass auf diesem Wege vorbildliche Corona-Modelle wie das in Tübingen einfach weggebügelt werden, scheint unerheblich zu sein. Lösungen dürfen in Deutschland nicht aus kleinen, intelligenten Keimzellen nach oben wachsen, sondern müssen von oben herunterfallen. Wenigstens das wird sich wohl in keinem System auf deutschem Boden jemals ändern, egal, wie viele Untersysteme es hervorbringt. Ein weiterer Ost-West-Unterschied liegt im Wohnkomfort. Während sich die Ober-Genossen mit Wandlitzer Schrankwänden zufriedengaben, zeigt uns der schmalzbäckige Masken-Minister jetzt, wie man es richtig macht. Denn falls es sich wirklich um eine auf 7,5 Millionen geschätzte Villa handelt, die für schlappe 4,3 Millionen über den Tisch gegangen ist, würde ich das einen “Corona-Schnapper” nennen. Und das mit geliehenem Geld und Sicherheiten aus Steueraufkommen. Hut ab vor soviel Chuzpe. Corona-Hilfen können also durchaus sehr großzügig ausfallen. Irgendein schwuler Schwede hätte die beim Dahlemer Datschen-Deal bewegte Zahlen wahrscheinlich offenlegen müssen, doch wir Deutschen sind da aus ganz anderem Holz geschnitzt: Jeder Journalist, der dem Thema auf den Grund gehen will, wird vom Anwalt des Maskenministers verklagt. So ist's recht, wer kann denn jetzt noch Pressefreiheit gebrauchen? Wir wollen doch nicht, dass es wie in Holland wegen solcher Lappalien Aufruhr gibt. Unsere angeblich tagesaktuellen Ansteckungszahlen werden von Bundeswehrsoldaten per Fax übermittelt, das Ansteckungsrisiko durch Kinder wird noch immer in Frage gestellt und offengelegte Informationen sowie Zahlen zum Impfstoffdebakel sind Mangelware bis gar nicht vorhanden. Bei soviel gedeckelter Dienst-Inkompetenz darf uns die private Kompetenz des gesagten Ministers natürlich erst recht nichts angehen. Ist doch klar, dass ein Banker seine persönlichen Geldgeschäfte besser im Griff hat als das Gemeinwohl des Volkes. Wenn die Medizinmänner unter unseren Politikern auf irgenwelchen Nörgelposten schmoren, während das Gesundheitsressort von einem Mann des Geldes verwaltet wird, sollten uns derartige “Hilfspakete” für wohlgelittene Parteigänger und Amtsträger eigentlich nicht verwundern.

Originell erscheint im Zusammenhang mit unserem Impf-Chaos auch der Umstand, dass die 83-jährige Mutter eines Freundes zum Impfen von Hannover-Bemerode nach Hamburg-Harburg fahren muss, obwohl Hannovers Vorort Sarstedt ein nagelneues Impfzentrum bekommen hat. Die Frage, mit welchem Verkehrsmittel die alte Dame diese immerhin zwei Termine wahrnehmen soll, scheint sich niemand der Verantwortlichen zu stellen. Vielmehr kommt es mir so vor, als würden mittlerweile 16 kleine DDRs darum wetteifern, vor der großen Vorsitzenden besser als die Nachbarländer dazustehen.

Der traurige Höhepunkt dieser Woche ist, dass ich die Bäckerei wechseln muss. Gerade habe ich eine mit vorzüglichen Backwaren gefunden, die mir als Add-on einen netten täglichen Spaziergang beschert, da erhalte ich Kaufverbot. Meine selbst genähte Maske, mit der ich bisher jeden Corona-Höchststand meistern konnte, darf ich nicht mehr tragen. “Haben Sie eine medizinische Maske?” fragt mich die Backwarenverkäuferin, was ich leider verneinen muss. “Dann kann ich Ihnen nichts verkaufen”, kommt als zweiter Satz.
Sie sagt nicht “Dann darf ich Ihnen laut Gesetzgeber nichts verkaufen”, und auch nicht “Bitte denken Sie beim nächsten Mal daran, heute machen wir eine Ausnahme” – nein, sie KANN schlichtweg nicht! Es ist erschütternd: die Maßnahmen-Willkür der großen Vorsitzenden hat die Verkäuferin offensichtlich zu einem Roboter mutieren lassen. Ein hilfsbereiter Kunde kauft für mich das gewünschte Brot, mein Geld nimmt die Frau hinter dem Tresen trotz Kaufverbot gerne. Ich gebe ein üppiges Trinkgeld und kehre dem Laden für immer den Rücken. Unserer amtierenden Regierung auch.

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