Das Leben in den Zeiten der Corona; AC 3.34

Das Logbuch geht weiter: Energie weiterlaufen lassen, Zukunft abschalten

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Den Senioren in der Residenz ist die Beleuchtung zu hell? Egal, wir lassen die Festbeleuchtung direkt neben den Sonnenlicht spendenden Oberlichtern den ganzen Tag an – die Alten mit ihrer horrenden Miete bezahlen ja dafür. Beziehungsweise: Soll sich die Regierung gefälligst darum kümmern, dass wir weiterhin erschwinglichen Strom kriegen – und wenn sie Krieg dafür führen muss. Wohlstand heißt: Status halten oder besser noch erhöhen. Unsere Ressourcen sind schließlich nicht für alle da – respektive der noch nicht geborenen Generationen – sondern für die, die jetzt Geld dafür bezahlen beziehungsweise daran verdienen. Gerade ist ein „Spiegel-Bestseller“ erschienen, der es auf den Punkt bringt: Kapitalismus und Klima sind unvereinbar. Dann also lieber Kapitalismus, denn das können wir. Und was wir können, das tun wir auch.

Der aktuelle Kanzler aller Tumben will die letzten AKWs im Frühjahr abschalten? Na und? Dann kaufen wir halt in Frankreich oder sonst wo. Außerdem gibt es ja genügend ohnehin sterbende Dörfer, die man für die Braunkohle wegbaggern kann. Nichtprivilegierte Normalbürger wollen selber Energie produzieren und in die allgemeine Versorgung einspeisen? Sehr gerne! Natürlich bekommen sie für ihren Strom nur einen Bruchteil dessen, was RWE verdient. Schreibt der aktuelle Wirtschaftsminister aller Tumben in einem ellenlangen Pamphlet, das man kaum lesen mag. Wo kämen wir denn hin, wenn Staat und Konzerne ihre liebgewonnen Macht- und Moneten-Monopole aufgeben würden, um die Bürger gleichberechtigt an der Energiegewinnung zu beteiligen? Das wäre ja Selbstbestimmung – also Anarchie!

So liest sich das, was ich sehe und höre. Man kann es jedoch auch anders sehen ...

Vor dem Haus entlädt der in unserem Erdgeschoss wohnende Kioskbetreiber, welcher mit Vorliebe Fleisch mit Fleischbeilage im Hinterhof grillt, einen Lieferwagen mit Getränkekisten. Das dauert nur zehn Minuten und dafür lohnt es nicht, den Motor abzuschalten. Die sechs Meter von seiner Wohnungs- zur Hoftür kann er übrigens auch mit leeren Händen nur dann zurücklegen, wenn er die Treppenhausbeleuchtung anschaltet – am helllichten Tage. Offenkundig befremdet es ihn, dass ich die drei Stockwerke zu meiner Wohnung auch nach Einbruch der Dämmerung ohne Treppenhauslicht zurücklege. Kann dieser Idiot, dessen Hausstrom ich laut Nebenkostenabrechnung mitfinanziere, in seiner grenzenlosen Dummheit nicht wenigstens die Klappe halten? Leider nicht. Stattdessen jammert er, wie schwer es sei, den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen.

Mich wiederum befremdet es, dass Gebäude, deren Strom von der Allgemeinheit bezahlt wird, weiterhin hell erstrahlen – selbst wenn sich darin kaum noch jemand oder sogar niemand aufhält. War das ganze Gejammere der letzten Monate nur Scharade, um das Unternehmenssterben als folgerichtig erscheinen zu lassen, weil man den Strom, den abgeschaltete Betriebe nicht mehr benötigen, selbst verballern will? Wie war das noch mit dem „Wasser predigen und Wein ...“?

Apropos: Wussten Sie schon, dass der wahrscheinlich größte Standort von „Amazon“ in Deutschland ausschließlich dazu dient, die ganzen zurückgeschickten Waren diverser Art zu verbrennen? Ich denke, es ist an der Zeit, dass Verschwender dreifach zahlen: Einmal – wie die Sparsamen auch – einen angemessenen Marktpreis für die Ressourcen, die sie verbrauchen, darüber hinaus einen Soli in gleicher Höhe für den äußerst überflüssigen und mehr als ärgerlichen Schaden, den sie anrichten, und last but not least den kompletten Betrag nochmal für ihre grenzenlose Ignoranz, die beim besten Willen nicht mehr als Dummheit beschönigt werden kann.

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