Advent, Advent, ein Leser brennt

Bücherkalender Bücher, für die wir als LeserInnen brennen, werden vom 1. bis zum 24. Dezember vorgestellt

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Ob Sachbuch oder Belletristik, ob aktuell oder nicht, allein auf die Begeisterung für das jeweilige Buch kommt es an. Die Form der Empfehlung ist frei, es gilt nur - als verbindendes Glied - zu jedem Buch die immer gleichen drei Fragezeichen zu beantworten.

Den Anfang macht Mcmac:

Ein beachtliches Buch für alle, die vielleicht so eine Art Nachfolger für Thomas Brussigs „Helden wie wir“ suchen, ist Simon Urbans „Plan D“. Auch dieses Buch ist eine Beschäftigung mit dem Thema Zweistaatlichkeit und deren Überwindung in Deutschland, resp. der DDR und der alten BRD. In diesem Buch kommt der Humor ebenfalls nicht zu kurz, auch wenn er oft nicht ganz so hart und drastisch erscheint wie in „Helden wie wir.“ Wer Brussigs Erstling als Schelmenroman einordnet, müsste diesem Buch das Etikett Fiktion-Krimi aufdrücken. Simon Urban, ein Autor aus dem Westen (und das muss man in diesem Fall ausdrücklich erwähnen!) gab seinem ersten Roman den Titel „Plan D“. Das Buch beginnt mit einem mysteriösen Mord an einem ehemaligen hohen Ministerialmitarbeiter der DDR – im Jahr 2011! Schnell wird aus dem Kriminalfall eine Geheimdienstaffäre zwischen beiden deutschen Staaten. Geheimdienstler aus Ost und West versuchen gemeinsam, den Fall zu lösen, denn es geht um das Verhältnis beider deutscher Staaten, um die mögliche Wiedervereinigung. Bundeskanzler Lafontaine und DDR-Chef Krenz streben diese an. Zwischendurch sind Westler total scharf auf Ost-Handies vom Typ „Minsk 4“ und auf Ost-Frauen. Sahra Wagenknecht dreht als Ostausgabe von Angelina Jolie inzwischen knallrote Blockbuster, in denen sie als revolutionäre Lara Croft alles wegballert, was sich ihr in den Weg stellt. Dem Palast der Republik, in den in einer False-Flag-Aktion Stasileute (Minister für Staatssicherheit ist 2011 nicht mehr Erich Mielke, sondern – Achtung, festhalten – Otto Schily) ein beachtliches Loch gesprengt haben, gegenüber kann man am Kiosk „Branden-Burger“ verspeisen, die mindestens genauso ekelig sind wie die „Hamburger“ anderswo. Und die ganze Stadt riecht ständig nach Frittierfett, weil ostdeutsche Trabbi-Nachfolger mit einem speziellen Biodiesel, Made in GDR, hässlich wie ehedem durch die Gegend stinken. Urban ist in seinen Schilderungen der DDR 2009 so genau, er hat so klug und konsequent zu Ende gedacht, wie sich das Land verändert haben könnte, wäre tatsächlich Ende November 1989 die Mauer wieder geschlossen worden, dass es einem den Atem nimmt. Das ist umso überraschender, als dass Urban, wie oben erwähnt, die DDR nie selbst erlebt hat. Es gelingt ihm jedoch unerklärlicherweise, dieses spezielle DDR-Gefühl einzufangen, es weiter zu denken. Und das mit Witz, aber ohne jegliche Häme. Nebenher ist das Buch eine ätzende Satire auf die real existierende Bundesrepublik unserer Tage. Beeindruckend, erbaulich und sehr erfreulich.

Die drei Fragezeichen:

1. Wie lautet der 1. Satz des Buches?

„Wegener öffnete den Reißverschluss der Cordhose, zog mit zwei Fingern seinen Penis heraus und entspannte sich.“

2. Wer oder was in diesem Buch wärst du gern?

Marie Schütz.

3. Wen könnte das Buch besonders begeistern?

Thomas-Brussig-Fans ebenso wie Liebhaber von Büchern John le Carrés.

Eine Koproduktion von Amanda, Calvani, Goedzak, H.Hesse, Kay.kloetzer, Magda und Mcmac.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Calvani

Die Wirklichkeit ist immer nur ein Teil der Wahrheit

Calvani

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