Bücher-Bilder - Bilder-Bücher (3)

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In den ersten beiden Chats sprachen wir über die Bücher, die wir gerade lesen, was wir von einem Buch erwarten, ob es typische Frauen- und Männerliteratur gibt. Diesmal geht es um Literaturkritik in Zeitungen und im Fernsehen.

Calvani: Wenn du eine Rezension schreibst, was ist dir dabei besonders wichtig? Was muss rüberkommen?

Kay.kloetzer: Ich gehe von dem aus, was ich erwarte, wenn ich eine Rezension lese. Auf jeden Fall möchte ich, dass sich die Grundstimmung des Buches (oder des Theaterabends, Konzertes ...) überträgt. Daneben steht der Inhalt, also: Worum geht es? Auch eine Einordnung in das bisherige Werk oder überhaupt Informationen zum Autor können nicht schaden. Was ich nicht so brauche, ist ein herausgehobenes Urteil. Ideal finde ich es, wenn aus dem Geschriebenen jeder für sich herauslesen kann, ob das Buch etwas für ihn ist oder nicht. Und warum. Es gibt ja Leute, die lesen bei Rezensionen zunächst den letzten Absatz, weil sie dort eine empfehlende oder abratende Zusammenfassung erhoffen.

Calvani: Mir fällt immer wieder auf, dass das, was in Rezensionen thematisiert wird, mich selten interessiert. Sie scheinen weniger an potenzielle Leser als an andere Kritiker und Rezensenten gerichtet zu sein. Was mich an Literaturkritik interessiert, wird meist zwischen den Zeilen kommuniziert - wenn's ein Video gibt, dann sagen mir Duktus und Körpersprache der Rezensenten oft mehr als das gesprochene Wort.

Liest du auch für private Zwecke Rezensionen - sofern sich diese beiden Bereiche überhaupt voneinander trennen lassen? Und wie sieht's mit Literatursendungen aus?

Kay.kloetzer: Das war mir lange nicht klar, dass manche Kritiker für oder gegen Kollegen schreiben, Verlagen Gefallen tun. Das sind vielleicht die, die ich privat nur zur Hälfte lese, weil ich mich irgendwie nicht angesprochen fühle. Das ist bei Literatursendungen im Radio oder Fernsehen etwas anders. Da erleichtern die Bilder oder Einspieler den Zugang. Oder dranzubleiben. Obwohl ich das eigentlich gar nicht mag, dieses Kamera-Getue bei Denis Scheck und Wolfgang Herles. Ist es nicht verrückt, dass beide quasi gleichzeitig nach Amerika fliegen, um T.C. Boyle zu interviewen?

Magst Du diese Machart, diesen Bilderaufwand an möglichst authentischen Orten?

Calvani: Schecks Sendung schaue ich gerne, Herles' empfinde ich als Nachahmung - und dann bleibe ich doch lieber beim Original, Herles ist auch lange nicht so geistreich wie Scheck. Zuletzt habe ich mich z.B. über Herles geärgert, weil er „Das Haus der Löcher" in der Sendung besprochen hat - mit mehrmaligem Verweis auf andere Kritiker und die Feuilletons. Dabei gefiel ihm das Buch gar nicht. Auf der Internetseite der Sendung gibt es dagegen eine Rubrik, in der Herles Bücher empfiehlt, die es aus Zeitmangel nicht mehr in die Sendung geschafft haben. Dann frage ich mich natürlich, warum ein Buch, das nicht lesenswert sein soll, den Weg in seine Sendung findet, andere, seiner Meinung nach bessere aber nicht ...
„Druckfrisch" empfinde ich allerdings manchmal als ein wenig zu unruhig, ein wenig aufgesetzt, ein bisschen überinszeniert. „Literatur im Foyer" wirkt wiederum zeitweise ziemlich schnarchig.

Kay.kloetzer: Bei Herles' „Blauem Sofa“ finde ich es auch übel, wie er sich da die Verrisse gönnt, gern mit eingeblendeten Zitaten. „Keine Handlung, keine Charaktere, nur Körperteile”, hat er über „Haus der Löcher" gesagt. Und dass das Gütesiegel des Feuilletons den Autor aus der Schmuddelecke hole. Das regt mich auf: Mit den Kritiken anderer zu argumentieren, um sie zu widerlegen. Da geht es wohl mehr darum, sich aus-, als ein Buch vorzustellen. Damit kann man Scheck nicht vergleichen, der scheint ja wirklich etwas zu wollen. Seine Begeisterung wirkt ansteckend, finde ich. 2007 konkurrierte „Druckfrisch" mal mit „Wickerts Bücher", eine von beiden Sendungen sollte wegen Erfolglosigkeit eingestellt werden, einer hatte 420.000 Zuschauer (Scheck), der andere 520.000 (Wickert). Zum Glück hat damals Wickert freiwillig zurückgezogen.

Calvani: Wie fandst du denn Elke Heidenreichs als „Bücherbasar" verschriene Sendung „Lesen!"?

Kay.kloetzer: Elke Heidenreich war mir zu missionarisch unterwegs, ich hatte einen schnelleren Puls während ihrer Sendung. Die Schnarchigkeit von Sendungen wie „Literatur im Foyer" mag ich eigentlich. Da kann ich in Ruhe zuhören. Sofern Schnarchigkeit auch bedeutet, sich Zeit für ein Buch zu nehmen. „Die Vorleser" hingegen fand ich mit ihrer Sekunden-Präsentation und den einstudierten Dialogen sterbenslangweilig. Dass ich das mal sagen würde: Eigentlich war das „Literarische Quartett“ ganz gut. Bei einer Pressekonferenz für das Buchmessen-Lesefest „Leipzig liest" gab es neulich Kritik an der Promi-Autoren-Heischerei in den Medien: Auf Kosten der Literatur. Ich wünsche mir:
1. Literatursendungen werden von der Quote ausgenommen.
2. Promi-Bücher von Schauspielern, Sportlern, oft auch Politikern gehören in den Unterhaltungs-Teil.

Calvani: Zu Schecks Einschaltquoten fällt mir gerade ein amüsantes Interview ein, das werde ich mal verlinken... Worüber ich immer noch lachen muss, ist Schecks Ventilatorstuhl ... „Wickerts Bücher" und „Die Vorleser" konnten mich auch nicht begeistern.
Ja, bei Heidenreich steigt der Puls und bei Radisch hatte ich früher oft das Gefühl, ich müsse ihr umgehend ein Sauerstoffzelt herbeitelefonieren ...
Dem „Literarischen Quartett" trauere ich ebenfalls ein wenig nach, obwohl ich es eine Zeit lang nicht geschaut habe. Kannst du dich noch an den Zwist mit Löffler erinnern? Und hast du das Corpus Delicti - Murakamis „Gefährliche Geliebte" - gelesen?
Beim Thema Autorenheischerei muss ich an die letzte Folge der Sendung „Literatur im Foyer" denken, darin wurde fast ausschließlich über die beiden Autorinnen gesprochen - immerhin Autorinnen! - und weniger über die Bücher bzw. nur als Ergebnis. Und wie gesagt, mich interessieren Bücher weniger als Ergebnis, sondern vielmehr als Erlebnis. Wenn ein Buch mit der Einleitung: „Die Autorin ist die Tochter von ...“ vorgestellt wird, gehe ich innerlich schon auf Abstand.

Kay.kloetzer: An den Zwist kann ich mich erinnern, das Buch habe ich aber nicht gelesen. Ich höre der Löfflerin sehr gern zu, sie kann so wunderbar bissig sein. Sie hat mal in Leipzig in einer Art Vorlesung die Bücher der Saison vorgestellt (in Berlin macht sie das, glaube ich, öfter) - das war großartig. Sowohl als Text (den jeder der geschätzt 15 Besucher im Anschluss zugemailt bekam) als auch als Überblick. Da brauche ich gar keine Wertung.
Vielleicht ist es noch ein Unterschied, ob man die Rezension vor oder nach der Lektüre liest. Ob man informiert werden will, bestätigt oder unterhalten? Wie ist das bei Dir?

Calvani: Na, am liebsten wäre mir, dass mir eine Rezension ein Buch empfiehlt, das hält, was die Rezension verspricht. Leider kommt das überaus selten vor, kann natürlich an mir liegen.
Stimmt, ob eine Kritik vor der Lektüre oder danach gelesen bzw. gesehen wird, ergibt einen großen Unterschied.
Ich mag kurze, aber prägnante Beschreibungen, gerne mit persönlichem Einschlag und anschließend ein Gespräch - ob nun mit den Autoren oder anderen Kritikern - darin war das „Literarische Quartett" unschlagbar. Auch Radischs „Literaturclub" reicht nicht an diese Legende einer Sendung heran, obwohl das Konzept doch sehr ähnlich ist. Und wie ist es bei dir?

Kay.kloetzer: Ich bin schon durch Rezensionen auf Bücher aufmerksam geworden, die ich sonst verpasst hätte. Manchmal bedaure ich, dass es immer Neuerscheinungen sind. Oder Neuübersetzungen. Es gibt so viele Klassiker, die neu oder anders zu lesen, eine Anregung wäre. So nehme ich mir seit einem Jahr vor, begleitend zur Veränderung der Verkaufskultur erneut Zolas „Paradies der Damen" zu lesen. Aber es kommt immer etwas Neues dazwischen. Nach der Lektüre lese ich auch lieber Interviews oder Porträts und Rezensionen eigentlich nur, wenn ich die Rezensenten sehr schätze und auch ohne den Bezug auf das konkrete Buch garantiert Freude am Text habe. Ich lese auch Kritiken zu Dingen, von denen ich nichts verstehe (und die mich manchmal auch gar nicht so sehr interessieren), wenn ich den Autor mag. Das geht bis zu Fußball-Spielberichten.

Wie wichtig ist Dir die Persönlichkeit des Rezensenten? Wie stark darf der persönliche Einschlag sein?

Calvani: Das ist im Kern die Frage nach der Objektivierbarkeit der Literaturkritik. Nun habe ich ja die Kategorisierung von Lebenssachverhalten studiert, dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - halte ich die Möglichkeit, eine objektive Meinung zu einem Buch zu haben für eine Fiktion. Jeder liest sein eigenes Buch, nicht wahr? Jeder reichert es an mit eigenen Bildern, Erinnerungen, Fragen und Antworten. Objektiv bedeutet in diesem Zusammenhang für mich vor allem: weitestgehend frei von freundschaftlichen, strategischen und ökonomischen Interessen. Darüber hinaus kann mir eine Kritik gar nicht persönlich genug sein.

Kay.kloetzer: Absolut d’accord! Was genau verbirgt sich hinter „Kategorisierung von Lebenssachverhalten"?

Calvani: Jeder juristische Tatbestand beinhaltet Kategorien wie „Verträge" oder „Körperverletzungen" usw. So wird Juristen ja gerne eine eigentümliche Schreibweise nachgesagt. Wie empfindest du das? Z.B. bei Ferdinand von Schirach oder Bernhard Schlink oder Charlotte Link?

Kay.kloetzer: Juristensprache fasziniert mich in ihrer Eindeutigkeit. Darüber hinaus ist sie mir fremd. Von Schirach und Schlink schreiben ja anders. Charlotte Link habe ich noch nicht gelesen. Von Schirachs erzählerische Zielstrebigkeit mag ich, weil mich in dem Moment wirklich die Geschichten interessieren, nicht eine stilistische Virtuosität. Da habe ich das Gefühl, etwas erleben/erfahren zu können, was mir sonst verschlossen bleibt. Zum Glück. Apropos: Vermutlich werde ich mir sogar Doris Dörries Verfilmung anschauen: „Glück“.

Was macht Dich eigentlich glücklich, wenn du liest?

Calvani: Naja, was soll ich beim Lesen schon machen - so als Frau? Ich liege auf der Couch und spiele an mir rum.

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Geschrieben von

Calvani

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