Ein raues Leben

Bücherkalender H.Hesse taucht in die raue Welt eines Muschelfischers

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Das Meer war schon für viele Romane gut. Hat es doch etwas, was uns fasziniert, birgt doch auch Risiken und Gefahren und es beweist uns mit seiner Größe, seiner Tiefe und der bisweilen um sich schlagenden und heranrollenden Urgewalt, dass es zu den Bereichen gehört, die über uns hinausreichen, darin dem Weltall vergleichbar.

Für die Menschen, die am und vom Meer leben, ist es oftmals mehr ein zu bezwingender Gegner als denn Schauplatz romantischer oder philosophischer Betrachtungen, je nachdem auch, an welchem Meeresgestade ein Fischer lebt. Von einem solchen erzählt das Romandebüt der tasmanischen Autorin Favel Parrett. Er ist Muschelfischer an der wilden tasmanischen Küste, neigt zu Alkoholexzessen und in Verbindung damit auch zur Gewalt gegen seine Söhne. Er betrachtet sein Wort als Gesetz, das Widerrede nicht zulässt. Seine Frau ist bei einem geheimnisumwitterten Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Erst gegen Ende des Romans erfahren wir, was genau passiert ist, lüftet sich das dunkle Familiengeheimnis.

Die drei Kinder haben gelernt, sich selbst zu versorgen. Der mit knapp 20 älteste Sohn, Joe, zieht eines Tages aus, es bleiben der ca. 14 Jahre alte Miles und der etwa neunjährige Harry zurück. Vor allem aus ihrer Perspektive erzählt Parrett. Miles kümmert sich mit Hingabe, wenngleich auch manchmal genervt, um den jungen Harry. Der wiederum besucht immer wieder mal einen als Sonderling verrufenen alten Mann, George, und dessen Hund. Mit beiden freundet er sich an, ein väterliches Gebot missachtend. Kleine Fluchten! Hier erfährt er die Aufmerksamkeit und Zuwendung, die ihm sein Vater verweigert.

Der zwingt den anderen Sohn, Miles, immer wieder mit hinaus aufs Meer, auch dann, wenn es viel zu gefährlich ist, noch rauszufahren. Dabei kommt es eines Tages, als beide, Miles und Harry, mit an Bord sind, zur Katastrophe, die einen bestürzt zurücklässt.

Farrett beschreibt das alles in einer sparsamen, knappen, in keiner Weise verschnörkelten Sprache, die gerade dadurch ihre Eindringlichkeit erhält und nachhallt. Sie ist, wenn man so will, den harten und über weite Strecken freudlosen Leben der beiden Jungen angepasst. Aber von dieser Sprache geht ein Sog aus! Man will immer weiterlesen. Farrett erzeugt durch das behutsame Einstreuen von dezenten Verweisen, das manches nicht so war, wie es den Anschein haben mag, vor allem was den Unfall der Frau betrifft. Es ist eine düstere Geschichte, von der der Leser erfährt, die ihre Lichtblicke in den kleinen Fluchten von Harry, überhaupt in der brüderlichen Solidarität hat und in der Art, wie Farrett mit wenigen Pinselstrichen ein eindrucksvolles Panorama zeichnet. Von dem Buch geht etwas Elementares aus! Mancher Autor hätte aus dem Stoff ein kitschiges Sozialdrama gemacht. Möge das Buch von einer Verfilmung verschont bleiben.

Favel Parrett: Jenseits der Untiefen, Hoffmann und Campe 2013, 219 S., 19,99€

Die drei Fragezeichen:

1. Wie lautet der erste Satz des Buches?

Draußen, jenseits der untiefen, jenseits der sandbödigen Buchten, kommt das dunkle Wasser -schwarz, kalt und tosend.

2. Wer oder was wärst du gerne in diesem Buch?

Niemand, am ehesten noch der alte George.

3. Wen könnte das Buch besonders begeistern?

Ein Buch für alle, die gut erzählte Geschichten lieben und denen gefällt, wie etwas beschrieben wird.

Bücher, für die wir als LeserInnen brennen, werden vom 1. bis zum 24. Dezember vorgestellt. Eine Koproduktion von Amanda, Calvani, Goedzak, H.Hesse, Kay.kloetzer, Magda und Mcmac.

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Geschrieben von

Calvani

Die Wirklichkeit ist immer nur ein Teil der Wahrheit

Calvani

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