Nichts über dieses Buch zu wissen, war für mich als Leserin die beste Bedingung - und zugleich ist sie für mich als Rezensentin die Schlechteste. Ich will mich dennoch als gute versuchen: Vor Jahren flog ich mit einer Freundin an einen weit entfernten Sandstrand, wo wir uns in der Sonne aalten und es uns gut gehen ließen. Ich hatte mir dieses Buch eigens für diesen seltenen Urlaub als Taschenbuchausgabe gekauft, weil ich es dort in der Ferne lesen, weil ich dort in der Ferne die jüngferlichen Seiten die wohlbekannte Geschichte erzählen lassen und sie dabei höchstpersönlich imprägnieren wollte. Jede einzelne Seite. Ein Sonnenmilchspritzer hier, ein Eselsohr, ein Joghurteistupfer da. Es war mir daher überhaupt nicht recht, dass meine Freundin mein neues altes Buch noch vor mir in ihre Finger bekam, aber es erschien mir einfach zu kleinlich, ihr die Lektüre des Buches zu versagen, wo sie doch wegen meiner Schwärmerei dafür umso begieriger darauf war. Und so schwieg ich und sie las das Buch, dessen Geschichte schon damals mein treuer Begleiter, meine Zuflucht und mein literarisches Zuhause war, und sie gab es mir, noch bevor sie es zu Ende gelesen hatte, zutiefst enttäuscht zurück. Ihre genauen Worte habe ich vergessen, aber nie den angewiderten Ausdruck in ihren Augen und um ihren Mund herum. Wäre mein Leben ein Roman, wäre schon an dieser Stelle für den geneigten Leser erkennbar gewesen, wie und warum unsere Freundschaft Jahre später endete. Ich erkannte es damals noch nicht, aber eine Ahnung hatte auch ich schon.
Die drei Fragezeichen:
1. Wie lautet der erste Satz des Buches?
Du, schau dir mal den Mann dort an.
2. Wer oder was wärst du gern in diesem Buch?
Das violette Band, das mit dem dumpfen Trotz der Gegenstände schweigt und in seiner Stummheit doch redet. Das wie die böse violette Zunge eines Kobolds sagt: "Siehst du, irgendwo hinter der schönen, geordneten Fassade war ich. Ich war und bin. Ich bin die Unterwelt, das Geheimnis, die Wahrheit."
3. Wen könnte das Buch besonders begeistern?
Die Mutigen, die ihrer scharfen Beobachtungsgabe vertrauen und doch an ihr am meisten leiden.
Bücher, für die wir als LeserInnen brennen, werden vom 1. bis zum 24. Dezember vorgestellt. Eine Koproduktion von Amanda, Calvani, Goedzak, H.Hesse, Kay.kloetzer, Magda und Mcmac.
Kommentare 8
Das ist ja eine herrliche Nichtrezension.
Jede einzelne Seite. Ein Sonnenmilchspritzer hier, ein Eselsohr, ein Joghurteistupfer da.
Das kenne ich, ich bin "präge" meine Bücher auch manchmal. Aber nur meine. Ich "spiele" auch manchmal mit den Fingern an den Seiten rum und alles sowas.
Und nu gehe ich zu meinem Bücherregal, wo dasBuch schon seit vielen Jahren steht, aber ungelesen und "ungeprägt" und dann kriege ich doch so allerlei raus. :-))
Von Sandor Marai kenne ich nur ein höchst trauriges Tagebuch über seine letzten Jahre mit seiner damals schon schwerkranken Frau. Ich habs teilnehmend und sehr traurig gelesen.
Und hier habe ich noch ein schönes Zitat von ihm, ich glaube, das ist ein Buch über die Armut. Ich hatte es in der Bibliothek mal ausgeliehen.
"Viele in Ungarn wissen heut noch nicht, dass der „Bürger“ eine Berufung war, der Mittelstand nur ein Interessenbund "
Jedenfalls kann Literatur viel leisten, man kann über Bücher was lernen und über das Medium Buch was über andere Menschen "lernen. "
Kürzlich habe ich auch mal wieder erlebt, wie es freut, wenn man mit jemanden, den man mag, auch über ein Buch ähnlicher Auffassung ist.
So, jetzt gehe ich das mal bekanntmachten. :-))
Ach, das ist ja herrlich! Und alles absolut nachvollziehbar.
...warum unsere Freundschaft Jahre später endete.
Da frag ich mich jetzt, ob ICH dieses Buch lesen sollte oder nicht. Sind Gewinn und/oder Verlust kalkulierbar? Oder ist es langweilig für einen, der Ehe-Wandlungen erlebt hat?
@Goedzak
Ja, es lohnt sich absolut, diesen Roman von Marai zu lesen!! ich fand es mit keiner Zeile langweilig. Mein Lieblingsbuch von ihm.
Ich sah eher die Gefahr, es mir mit Calvani zu verscherzen, H.Hesse! :-(
Das ist auch eine Notlösung. Ich kann über dieses Buch nämlich nicht schreiben. Ich liebe es zu sehr. Und wenn man zu nah am Spiegel steht, erkennt man sich nicht mehr.
Wandlungen einer Ehe ist auch mein Lieblingsbuch des Autors. Aber Das Vermächtnis der Eszter fasziniert mich auf ähnliche Weise, das gleichnamige Hörbuch noch mehr. Donata Höffer brilliert hier als Sprecherin wirklich atemberaubend. Gibt es jedoch, soweit ich weiß, leider nur auf Kassette.
Tja, nur die Harten kommen in den Garten.