Ergebenster Verehrer

Bücherkalender Kay.Kloetzer findet in Iwan Gontscharows Liebesbriefen einen großartigen Schmerz

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Der letzte richtige Liebesbrief ist lange her. Mal eine Notiz hier, ein paar rasch getippte Worte da. Aber Gefühle zu Papier zu bringen, mit Tinte womöglich – wer tut das noch? Und wie schade ist es um diese Kultur. Wobei wenn sie heute gelesen arg überschwänglich wirken können, die Geständnisse unserer Vorfahren.

Bis in die Grußformeln: „Ihr eifriger Diener“ oder „Ich bleibe immer derselbe älteste, ergebenste und nützlichste ihrer Verehrer“ schließt Iwan Gontscharow (1812-1891) seine Briefe an die 28-jährige Jelisaweta Tolstaja, der er zwischen August 1855 und Februar 1856 alles in allem 32 Schreiben und Notizen zukommen lässt. Die hat Vera Bischitzky nun erstmals ins Deutsche übersetzt und unter dem Titel „Herrlichste, beste, erste aller Frauen“ im Aufbau Verlag herausgegeben, versehen mit nützlichem Vor- und Nachwort.

Bischitzky war es auch, die im vergangenen Jahr mit einer äußerst feinfühligen Neuübersetzung des Gontscharow-Klassikers „Oblomow“ für Aufsehen sorgte. Die bei Hanser erschienenen gut 800 Seiten lohnen eine erneute Lektüre. Und wer ihn noch nicht kennt, dem sei er ans Herz gelegt, der Roman über jenen lethargischen Helden, der nicht aus dem Knick kommt, im Schlafrock Besucher, empfängt - ermattet ist in Langeweile, jedoch ausgestattet mit Gontscharows scharfem Blick für Charakter und Gesellschaft. Und mit dessen Sehnsucht nach einer Liebe.

Der Autor, Zeitgenosse Puschkins, Gogols, Turgenjews, blieb zeit seines Lebens Junggeselle. Im Winter 1855 aber, da hat er bis an die Schmerzgrenze geliebt. Immer länger werden die Geständnisse, immer weniger kaschiert er seine Gefühle. Kennengelernt haben er und die Tolstaja einander im St. Petersburger Salon der Familie Maikow.

„Was ist das nur für ein Wetter: das reinste Matschwetter, es gießt in Strömen. Alles nur, weil Sie abgereist sind“, schreibt er und ergänzt am Ende: „Ein dummer Brief: aber woher den Verstand nehmen? Sie sind ja nicht mehr da. Solange Sie hier waren, hatte ich Flügel, jetzt sind sie abgefallen.“

Gontscharow erfindet ein Romanfragment, das er ihr schickt, einen Dialog über die Freundschaft, die Liebe meint. Ilja Iljitsch Oblomow wird später seufzen: „Gott verhüte, wenn die eine Seite Freundschaft empfindet, die andere aber Liebe.“ Die Tolstaja nämlich liebt einen anderen. Sie beantwortet fast keinen dieser Briefe. Gotscharow schreibt ins Leere, führt eher ein Gespräch mit sich selbst. Immer wieder spielt er an auf ihr Schweigen, doch lassen kann und will er lange nicht von ihr. Die Vergeblichkeit der schönen Worte schmerzt.

Ein Jahr später heiratet die Geliebte ihren Cousin. Und Gontscharow setzt sich hin, den „Oblomow“ in nur einem Monat niederzuschreiben. So war die Liebe zwar unerwidert, doch nicht umsonst. Und auch nicht lächerlich. Aber das ist sie, zum Glück, ja nie. Es wird Zeit, mal wieder einen Brief zu schreiben. Mit Tinte. Auf Papier.

Iwan Gontscharow: Herrlichste, beste, erste aller Frauen. Eine Liebe in Briefen. Herausgegeben und aus dem Russischen übersetzt von Vera Bischitzky. Aufbau Verlag; 205 Seiten; 16,99 Euro

Die drei Fragezeichen:

1. Wie lautet der erste Satz des Buches?

Belieben Sie, zu den Maikows zu kommen, und gestatten Sie mir in diesem Falle, Sie zu begleiten?

2. Wer oder was wärst Du gern in diesem Buch?

Ein Teil der Salon-Gesellschaft bei den Maikows.

3. Wen könnte dieses Buch besonders begeistern?

Alle Liebenden, Geliebten und Ungeliebten.

Bücher, für die wir als LeserInnen brennen, werden vom 1. bis zum 24. Dezember vorgestellt. Eine Koproduktion von Amanda, Calvani, Goedzak, H.Hesse, Kay.kloetzer, Magda und Mcmac.

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Geschrieben von

Calvani

Die Wirklichkeit ist immer nur ein Teil der Wahrheit

Calvani

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