Mann, Amélie!

Lesemonat Hör- und Leselogbuch 02/17

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Die Toten – Christian Kracht

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Bereits das Arrangement der suizidalen Eingangsszene bestehend aus einem „gutaussehenden Offizier“, seinem Dolch und dem vorgeblich dezenten Hinweis auf seine „feine weiße Bauchhaut (…), deren sanfte Wölbung von nur wenigen schwarzen Schamhaaren umspielt wurde (…)“ dünstet einen ranzigen Altherrenatem aus. Zweimal habe ich die Ausleihfrist für dieses Buch schon verlängert, jetzt gebe ich es ungelesen zurück. Vielleicht im nächsten Leben.

Der Preis der Treue - Diane Brasseur

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Der innere Monolog eines lüstern betrügenden Ehemannes, der sich selbst bedauert, obschon er das Gegenteil behauptet. Die ohnmächtig leidende Geliebte, die nichts ahnende Ehefrau. Die abgedroschene Urkonstellation des vornehm kultivierten Patriarchats. Dennoch entwickelt Brasseurs fließend fragmentarische Kreuzung aus Gegenwart, Erinnerungen, Hoffnungen und Befürchtungen jenen Zauber, der ein Buch zum drängelnden Gefährten einer Reise ins Ungewisse macht. Dass die spärlich beschriebenen 174 Seiten zu keiner langen Reise einladen, schmälert den Reiz des Buches nicht. Im Gegenteil. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte und Brasseur gelingt es, eine Flut szenischer Insignien mit wenigen Worten heraufzubeschwören. Ihren Protagonisten hat sie bei ihrer literarischen Illustration leider ein klein wenig zu lieb gewonnen, die Protagonistinnen im Gegenzug ein bisschen zu klischiert. Ein Wermutstropfen auf diesem heißen Eisen - wenn auch ein recht großer.

P. S.: Das gleichnamige Hörbuch ist ebenfalls äußerst empfehlenswert.

Der Pfau – Isabel Bogdan

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Die Lady und der Lord vermieten in ihrer Freizeit individuelle Cottages rund um ihr Anwesen, eins davon nutzt eine kleine Gruppe Banker mitsamt Psychologin und Köchin für ein Teambuilding. Um den verrückt gewordenen Pfau geht es dabei nur am Rande, dafür menschelt es in diesem Roman umso mehr. Nicht zuletzt deshalb, weil die spannenden Erzählstränge, welche Bogdan rund um den Pfau entwickelt, am Ende ins Leere laufen. Dass das Buch zunächst als Kurzgeschichte entworfen und insbesondere durch Wiederholungen stilistischer wie inhaltlicher Natur auf die übliche Romanlänge ausgebaut wurde, kann selbst Bogdans großes Erzähltalent nicht verhehlen. Trotzdem eine unterhaltsame Lektüre.

To do: Backofen schrubben! Aber zackig!

Kosmetik des Bösen – Amélie Nothomb

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Während ein Mann am Flughafen auf seinen verspäteten Flug wartet, drängt ihm ein scheinbar Unbekannter ein Gespräch auf. Nach und nach stellt sich heraus, dass er seine Ehefrau kannte, bevor sie vor vielen Jahren vergewaltigt und später ermordet wurde. So die Idee. Tatsächlich aber wühlt Nothomb in diesem Büchlein mit beiden Händen in der Scheiße, nämlich der gängigen Verquickung von angeblich männlicher Liebe heterogener Art einerseits und daraus resultierender sexualisierter Gewalt andererseits. Nach dem Motto „Jeder tötet, was er liebt“. Daran ändert auch – Achtung Spoiler! – der Umstand nichts, dass sich das Gespräch am Ende als Selbstgespräch entpuppt. Eine herbe Enttäuschung.

Vierundzwanzig Stunden - Guillaume Musso

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Ein junger Arzt mit unverbindlich ausschweifendem Liebesleben wird unvermittelt von seinem Vater, mit dem ihn eine höchst durchwachsene Beziehung verbindet, zu einer Angeltour aufgefordert. Am Ziel angekommen eröffnet der Vater dem Sohne, dass er ihn enterbt – mit einer Ausnahme: Der Leuchtturm der vierundzwanzig Winde soll unter zwei Bedingungen seine Hinterlassenschaft sein. Erstens dürfen Grundstück und Leuchtturm niemals veräußert werden. Dann führt der Vater den perplexen Sohn in den Keller des Leuchtturms, malt mit Kreide eine Markierung an eine Wand und verkündet die zweite, blaubartsche Bedingung: „An dieser Stelle befindet sich hinter den Ziegelsteinen eine Metalltür. (…) Du darfst niemals versuchen, diese Tür zu öffnen.“ Genau an dieser Stelle habe ich das Buch beiseite gelegt. Wie eingefleischte BooktuberInnen natürlich längst wissen, sind Kossi und Musso miteinander verheiratet.^^ Und das ist auch gut so, denn im Hause Musso-Calvani hinge sicher längst der Haussegen schief. Wer so dick aufträgt, muss kategorische Gefolgschaft erwarten können.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Calvani

Die Wirklichkeit ist immer nur ein Teil der Wahrheit

Calvani

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