I feel nothing. I feel nothing. I feel nothing – Wie eine Beschwörung klingt der Satz, den Arthur Jafa beim Talk in der Berliner Dependance der Julia Stoschek Collection mehrmals wiederholt. Es ist eine trügerische innere Ruhe, die der afroamerikanische Künstler weniger als Taubheit, sondern als Coolness verstanden wissen will. Dazu passt das Death-Row-Records-T-Shirt, das er trägt, ein Musiklabel, das den Hip-Hop in den 90er Jahren maßgeblich mitgeprägt hat. Der Falschheit von Verallgemeinerungen zum Trotz ist Coolness etwas, das für ihn zum Schwarzsein dazugehört. Teil einer Survivalstrategie. Denn es geht ums Überleben, seit Jahrhunderten. Arthur Jafa selbst ist 1960 in Mississippi geboren. Als er drei Jahre alt war, ermordeten dort Ku-
Ku-Klux-Klan-Anhänger unter Mithilfe von Polizisten drei Mitglieder einer US-Bürgerrechtsbewegung. Dass es ums Überleben geht, daran lässt auch seine Ausstellung A Series Of Utterly Improbable, Yet Extraordinary Renditions (Eine Serie von absolut unwahrscheinlichen, gleichzeitig außergewöhnlichen Darstellungen) keinen Zweifel. Zu sehen ist hier der geschwulstartig vernarbte Rücken des ehemaligen Sklaven Gordon. Arthur Jafa hat aus einer Abbildung von ihm aus dem Jahr 1863 ein dreidimensionales Kunststoffrelief geformt. Oder eine Wandtapete mit einem groß gezogenen Schwarz-Weiß-Foto, auf der eine Gruppe selbstbewusst bis belustigt in die Kamera guckender weißer Männer sich um drei erhängte Schwarze schart, aufgenommen 1919 in Minnesota. Und das zeigt auch die Videosequenz aus dem Jahr 2015, in der die Schüsse in den Rücken des unbewaffneten und flüchtenden Walter Scott durch einen Polizeibeamten festgehalten sind.Kubricks KameramannDie Bilder begegnen einem wieder in den Faksimiles von Arthur Jafas Picture Books, in denen er seit den 1990er Jahren gefundenes Material sammelt und neu zusammenstellt. Neben historischen Ereignissen sind darin auch Artefakte, Albumcover, Aliens, Models, viele Kunstwerke und noch mehr Porträts, auch weißer Künstler, abgebildet – eine assoziative Reflexion über schwarze Kultur, die einen tieferen Einblick in Arthur Jafas künstlerische Arbeitsweise gibt.Die spiegelt sich auch in Apex wider. Zu den harten Beats des Detroiter Techno-Klassikers Minus von Robert Hood schneidet Arthur Jafa hier Hunderte von Fotos zusammen. Das 8-minütige Video läuft auf einer großen Leinwand im ehemaligen Kinosaal des Tschechoslowakischen Kulturinstituts, das hier zu DDR-Zeiten residierte und das die Sammlerin Julia Stoschek seit 2016 bespielt. Durch den schnellen Takt und die assoziative Bandbreite wirken die Bilder wie ein ungefilterter Blick ins Unterbewusstsein – für den Moment hält diesem Tempo keine Analyse stand.Es ist die erste Ausstellung von Arthur Jafa in Deutschland überhaupt, realisiert in Kooperation mit den Londoner Serpentine Galleries, kuratiert von Hans-Ulrich Obrist and Amira Gad. Jafa ist Filmemacher, arbeitete als Kamermann für Stanley Kubrick oder Spike Lee und als Videokünstler mit Solange, Beyoncé oder Jay Z. Er beschreibt Apex sowohl als „ ‚Modell‘ für ein 100-Millionen-Dollar-Science-Fiction-Filmepos als auch eine neue Form des Kinos, das die Kraft, Schönheit und Verfremdung schwarzer Musik zu vereinen vermag“ – beides erst einmal unrealisierbar. Dennoch: Es geht um Selbstbehauptung und Selbstbewusstsein. Jafa spricht von „potention“, der Spannung zwischen dem verwirklichten und nicht verwirklichten Potenzial, und dem in der schwarzen Community verbreiteten Trauma, nicht ausschöpfen zu dürfen, wozu man in der Lage wäre.„Blackness“ ist für Arthur Jafa zunächst eine Zuschreibung von außen, die es jetzt selbstbestimmt zu definieren gilt. Improvisation in der Musik gehört für ihn dazu, da man sich hier an kein Skript zu halten habe. „Du bist der Autor in dem Moment, und das ist eine radikale Sache für eine schwarze Person – vor einem Publikum, das vor allem aus Weißen besteht.“Der Sound spielt auch eine wichtige Rolle in seiner Berliner Ausstellung. Ausgestattet mit einem Kopfhörer kann der Besucher zwischen vier Kanälen wechseln, hört mal Jazz von Alice Coltrane, Soul und Funk von Parliament Funcadelic, persönliche Erlebnisschilderungen oder den O-Ton zu Youtube-Videos, Konzertmitschnitten, TV-Aufzeichnungen, Dokumentarfilmen oder eigens aufgenommenen Bewegtbildern, die auf die Wände projiziert in Endlosschleife laufen. Altes mischt sich mit aktuellem Bildmaterial, überwältigend in Menge und Intensität, und es bleibt erschreckend, wie sehr es sich gleicht: die Bewunderung für die Musik und Kultur, gleichzeitig der Hass und die Ablehnung. Die Geschichte wiederholt sich immerfort – und noch.Es gilt wegzukommen von den „Monstern“ und „Badasses“, als die Schwarze in Filmen gezeichnet werden und die auch in Arthur Jafas Bilderreigen neben Bürgerrechtlern, Stars oder Opfern von Gewalt immer wieder auftauchen. Er möchte sich befreien von diesem Fluch, mit der vorherrschenden Symbolik und Definitionsmacht brechen. So eröffnet er die Ausstellung mit einer großformatigen Mickey-Mouse-Zeichnung – und der Besucher wird gleich hineinkatapultiert in den Diskurs, bedenkt man die These, dass die Entstehung von Mickey Mouse – und auch anderer animierter Charaktere wie Felix the Cat oder Bosko – auf Blackface und Minstrel Shows zurückgehe. Arthur Jafa hängt das Porträt eines weiß geschminkten Voodoo-Priesters, schwarze Augen, schwarze Nase, direkt daneben und fügt so eine weitere Bedeutungsebene hinzu.Und er setzt auf Kooperation. Kunst ist für ihn vor allem Ausgangsmaterial, um ins Gespräch zu kommen. So zeigt er in seiner Ausstellung auch Cut-out-Figuren der Künstlerin Frida Orupabo, die in ihren Collagen aus vorgefundenem Material – verbreitet über ihren Instagram-Kanal @nemiepeba – Zeiten verschwimmen lässt und Fragen zu Rasse, Geschlecht, Gewalt und Identität nachspürt. Und die mit Unschärfen, Bewegung und Lichtreflexen spielenden Arbeiten der amerikanischen Künstlerin Ming Smith sind zu sehen, die seit über 40 Jahren den Alltag der schwarzen Community, aber auch Stars wie Nina Simone und Sun Ra fotografiert. Sie war 1975 die erste afroamerikanische Künstlerin, deren Werke das Museum of Modern Art erwarb.Und doch greift es zu kurz, wenn man Arthur Jafas künstlerisches Wirken nur im Zusammenhang mit „Black Culture“ und „Blackness“ beschreibt. Er sieht ähnliche Mechanismen wie in der weißen auch in der männlichen Vorherrschaft oder der Homophobie. „Ich bin interessiert an denen, die gegen alle Arten von Unterdrückung sind – an den ‚good guys‘.“ Letztendlich gehe es um Empathie. Und jenseits aller „White Supremacy“ und „Blackness“: um Humanität.Placeholder infobox-1
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