Zu viele und viel zu viele Bilder

Fotografie Wie wirken sich internationale Krisen auf die Arbeit von Künstlern aus? Zu Gast bei einer prominenten Runde
Ausgabe 43/2014
Mehr Klarsicht! Das hätte der Diskussionsrunde zum Europäischen Monat der Fotografie gut getan
Mehr Klarsicht! Das hätte der Diskussionsrunde zum Europäischen Monat der Fotografie gut getan

Foto: AFP / Getty Images

Keine Frage, Probleme gibt’s genug. Das bestätigte auch eine Diskussionsrunde im Rahmen des 6. Europäischen Monats der Fotografie. Die Fotografin Heidi Specker und der Fotograf Tobias Zielony waren vergangenen Sonntag in den Berliner Martin-Gropius-Bau geladen, um über den künstlerischen Umgang mit den Konflikten dieser Welt zu sprechen und über die Tücken, die ihr Schaffen mit sich bringen kann.

Wo werden der Fotografie Grenzen aufgezeigt, fragte Moderator Ulrich Domröse, der Leiter der Fotografischen Sammlung der Berlinischen Galerie, Tobias Zielony zu Beginn. Der ist vor allem bekannt für seine Serien über Jugendkulturen. Für eine aktuelle, noch nicht abgeschlossene Arbeit fotografierte er nun aber in Ramallah und damit erstmals in einer Krisenregion. Sich diesem Ort über jugendkulturelle Phänome zu nähern, schien ihm nicht angemessen. Er habe vielmehr darüber nachgedacht, ob es dort überhaupt möglich und moralisch vertretbar sei, sich in den Bildern nicht politisch zu verhalten. Die Konsequenz: Zielonys Fotos entstanden eher nebenbei, und er wird ihnen Texte eines Autors an die Seite stellen, der zwei Jahre im Palästinensergebiet gelebt hat.

Nan Goldin bekennt

Nächstes Thema: die Rollenverteilung der Branche, mächtiger Fotograf hier, porträtiertes Opfer dort. Womit die Runde bei Zielonys Fotografien von Prostituierten (Jenny Jenny, 2013) und der Frage war, ob dieses Verhältnis da besonders schwer wiegt, weil es das Machtgefälle Mann/Frau unterstreicht. Das gab Heidi Specker zu bedenken, und Tobias Zielony verneinte nicht, betonte aber, er versuche bei seiner Arbeit genau das aufzubrechen, zumindest für gewisse Zeitfenster. Specker selbst, die vor allem für ihre Architekturfotografie bekannt ist und nun zum ersten Mal an einer Porträtserie arbeitet, drückte das für sich wesentlich weicher aus. Sie spreche eine Einladung aus, und „da kann man ja sagen, keine Lust oder ich komme“. Zudem lichte sie die Personen nicht in deren Umfeld ab, sondern in ihrem Atelier. Da hätte man noch mal nachhaken müssen.

Doch Domröse war schon wieder beim nächsten Fall: dem Verlust der Kontrolle über die eigenen Bilder in der veränderten medialen Öffentlichkeit. Heidi Specker gab sich auch darüber erhaben und fragte, warum sie das überhaupt steuern sollte. Zielony sah es zwiespältiger, erklärte seinen Versuch, die Vielzahl von Fotos seiner Fotos einzudämmen, allerdings selbst für naiv. Was zur Bilderflut im Allgemeinen und zur Krise des Mediums führte. Frage: Braucht es die künstlerische Fotografie da überhaupt noch? Heidi Specker hielt entschlossen an ihrem Pragmatismus fest und bemerkte, der Fotografie sei die Krise – in Konkurrenz zu den Flagschiffen Skultpur und Malerei – immer schon eingeschrieben gewesen, das habe sie nur gestählt.

6. Europäischer Monat der Fotografie Berlin (verschiedene Veranstaltungsorte), bis 16. November, mdf-berlin.de

Vielleicht hätten die Veranstalter Nan Goldin mit in die Runde nehmen sollen. Die US-amerikanische Künstlerin bekannte bei ihrem anschließenden Auftritt, es habe schon immer zu viele Bilder gegeben. Jetzt aber gebe es endgültig viel zu viele Bilder, und überhaupt: Aufgrund der sozialen Medien sei die Fotografie schon seit fünf Jahren tot. „My medium“, sagte die Meisterin der schonungslosen Alltagsbilder, „is no longer available to me.“ So viel Klarsicht hätte auch den Kollegen gutgetan.

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Geschrieben von

Cara Wuchold

Kulturjournalistin

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