Wale sind nicht bloß große Heringe

Internationale Walschutz-Konferenz Kein Durchbruch, aber ein Meilenstein

Noch bis ins 19. Jahrhundert wurden in der Nordsee Pottwale vom Strand aus mit kleinen Booten erlegt. Dann wandten sich die größer werdenden deutschen Schiffe immer ferneren Zielen zu. Die neuen Fangmethoden mittels Dampfschiff und Harpunierkanonen waren bei der Dezimierung der Großwalbestände (gemeint sind alle Bartenwale sowie der Pottwal) so effizient, dass schon 1925 der Völkerbund die Notwendigkeit erkannte, den Walfang international zu regulieren. 1931 unterschrieben 22 Nationen die erste internationale Vereinbarung zum Walfang. Einige der wichtigsten Walfangnationen wie Deutschland und Japan unterschrieben diese allerdings nicht. Deutschland betrieb bis zu Beginn der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts Walfang.

Walschutz als Basis der Ausbeutung

1946 schließlich wurde von 14 Walfängerstaaten die Konvention zur Regulation des Walfangs (ICRW) verabschiedet und damit die Internationale Walfangkommission (IWC) ins Leben gerufen, die jährlich Fangquoten, Jagdmethoden und später auch Schutzgebiete für den kommerziellen Walfang festlegte. Dem lag der Gedanke zugrunde, dass nur eine ausreichend große Population einer Art die Basis für ihre profitable Ausbeutung sein kann.

Die IWC kann auch Walschutzgebiete, in denen ein kommerzielles Fangverbot besteht, deklarieren. Bislang gibt es jeweils eines im Indischen Ozean (seit 1979) und im südlichen Ozean (seit 1994), beide wurden zunächst für zehn Jahre begrenzt, damit im Falle eines Überhandnehmens der Walpopulationen sofort wieder zur Harpune gegriffen werden könnte. Für die Zehn-Jahres-Regelung existiert die Option auf Verlängerung, was im Falle des Indischen Ozeans schon zwei Mal praktiziert wurde. Weitere Schutzgebiete werden seit Jahren von vielen Staaten gefordert, scheitern aber bis heute an der dafür erforderlichen Dreiviertelmehrheit der IWC-Mitglieder.

Mitglied bei der IWC wird, wer einen formellen Antrag stellt und Mitgliedsgebühren entrichtet. Die Zahl der IWC Mitglieder schwankt ständig, da Staaten ihr Stimmrecht durch Zahlungsversäumnisse temporär verlieren können und neue aufgenommen werden. Gegenwärtig gibt es 49 Mitgliedstaaten. Von diesen treten etwa Brasilien, Mexiko, die USA, Neuseeland und Deutschland verstärkt für den Walschutz ein, während andere wie Island, Korea, Russland und besonders Norwegen und Japan zu den Walfangstaaten zählen. Japanische Behörden haben in den vergangenen Jahren zu Protokoll gegeben, dass sie Entwicklungshilfegelder gezielt einsetzen, um Länder bei ihrer Stimmabgabe in der IWC zu beeinflussen.

1982 beschloss das IWC ein weltweites Moratorium (kommerzielles Fangverbot) für alle Walarten, doch Japan, Norwegen, Peru und die UdSSR meldeten Vorbehalt gegenüber dieser Entscheidung an und waren deshalb nicht an den Beschluss gebunden. Das Moratorium trat 1986 unbefristet in Kraft.

Schätzungen gehen davon aus, dass die Walpopulationen seit Beginn der industriellen Jagd Anfang des 19. Jahrhunderts um 95 Prozent zurückgingen. Theoretisch ist der Handel mit Walprodukten durch das Übereinkommen über den internationalen Handel zu kommerziellen Zwecken mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (CITES) generell verboten. Einige Walarten, zum Beispiel Schwertwale, dürfen jedoch unter bestimmten Bedingungen gehandelt werden. Staaten wie Norwegen, Japan und Island sind zwar Unterzeichner von CITES, haben jedoch Vorbehalte gegen das strikte Handelsverbot eingelegt. Dies ermöglicht ihnen den Handel untereinander, wenn sie die nötigen Ein- und Ausfuhrlizenzen erwerben.

"Wissenschaftlicher Walfang"

Bei Preisen von bis zu 800 Euro pro Kilo auf dem Markt in Japan ist der Fang auch von kleineren Walen immer noch eine höchst lukrative Sache. Deswegen betreiben einige wenige Länder nach wie vor Walfang: Während Norwegen dies explizit aus kommerziellen Gründen tut - laut der norwegischen IWC-Delegation sind Wale auch bloß "große Heringe" und können wie diese gejagt werden - und sich für das Jahr 2003 eine Quote von 711 zu tötenden Walen erteilt hat, betreibt Japan "wissenschaftlichen Walfang". Dieser ist gemäß Artikel VIII der IWC erlaubt, wenn damit die Gesundheit der Walbestände und deren Bewirtschaftung untersucht werden soll. Sogar in Walschutzgebieten darf Walfang zu wissenschaftlichen Zwecken betrieben werden.

Japan handhabt diesen "wissenschaftlichen Walfang" besonders perfide. Ein Beispiel: Angeblich soll die Altersstruktur von Walbeständen erforscht werden. Dies lässt sich insbesondere durch die Jahresringe der Mittelohrknochen bestimmen. Logisch muss der Wal getötet werden, um diesen Knochen zu extrahieren. Der "Rest" des Wales wird dann auf dem Markt verkauft. Obwohl viele namhafte Cetaceenforscher dies nicht für seriös halten, wurden im Jahr 2002 offiziell 400 Wale verschiedener Arten erlegt. In diesem Jahr ist von Japan eine Quote von 700 für wissenschaftliche Zwecke zu tötende Walen geplant.

Die so gewonnenen Erkenntnisse werden von Japan jedoch nicht dem Wissenschaftsausschuss der IWC zur Verfügung gestellt. Lediglich die Ergebnisse der Studie Wale fressen unseren Fisch wurden internationalen Wissenschaftsmagazinen zur Veröffentlichung angeboten. Die Untersuchungen erwiesen sich jedoch als so fehlerhaft, dass sie von den dort zuständigen Experten abgelehnt wurden.

Auch Island plant, Fangquoten von 500 Walen für wissenschaftliche Zwecke in zwei Jahren für sich zu fordern. Interessant dabei ist, dass Island eine Nebenbedingung gestellt hat: es will nur Wale jagen, wenn es für das Walfleisch auch eine Exportlizenz nach Japan erhält. Am Beispiel Island lässt sich allerdings auch ein Einstellungswechsel ablesen. Bis 1989 war die Insel eine der letzten Hochburgen des Walfangs. Seit 1995 hat sich eine Walbeobachtungsindustrie entwickelt, die 2002 schon einen Gesamtumsatz von über 14 Millionen Euro tätigte.

In diesem Jahr hat die IWC auf Einladung der zuständigen Ministerin Renate Künast (Bündnisgrüne) erstmals in Deutschland getagt. Diese hatte sich im Schlussplenum unter anderem dafür eingesetzt, dass der "wissenschaftliche Walfang" durch Japan beendet und die Aufnahme entsprechender Aktivitäten durch Island verhindert wird. Deutschland unterstützt die Schaffung von zwei weiteren Walschutzgebieten, im Südatlantik und im Südpazifik, welche zusammen mit dem bereits existierenden im Südindischen Ozean alle Nahrungsgebiete der Wale in der südlichen Hemisphäre umfassen würden. 24 Länder stimmten für das Schutzgebiet im Südpazifik, 17 dagegen, bei vier Enthaltungen. Für das südatlantische Schutzgebiet votierten ebenfalls 24 Länder, 19 dagegen, und drei enthielten sich. Beide Resolutionen hätten eine Dreiviertelmehrheit gebraucht, um angenommen zu werden. Die Walfangnationen unter der Führung von Japan und Norwegen haben mit ihren gekauften Stimmen die erste Runde gewonnen.

Die Deutschen setzten sich nach Auskunft ihres Delegationsleiters Peter Bradhering speziell dafür ein, den Walschutz generell als zweite Säule des IWC-Mandates zu stärken. Die "Berliner Initiative", welche von Mexiko und Deutschland maßgeblich vorbereitet und von 16 weiteren Ländern mit eingebracht wurde, fordert einen Ausschuss, der den Schutz großer und kleiner Wal-Arten festlegen soll. Als einen "Meilenstein im Wal-Schutz" bezeichnet der Teamleiter des Internationalen Tierschutz-Fonds (IFAW), Chris Tuite, diesen Beschluss. "Jahrelang wurde über Fangquoten diskutiert, nun erwarten wir konstruktive Debatten auf der Basis von Wissenschaft mit guten Ergebnissen für die Wale."

Caroline Hoffmann ist Ozeanographin. Sie war unter anderem Mitarbeiterin in einer Delphinforschungsgruppe an der Universität Hongkong und Managerin eines Gewässerschutzprojektes der EU.

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