Berlin - Bonn - Berlinerinnen

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Wir sind im November von Berlin nach Bonn gezogen. Nicht, dass es nur unsere Freunde umgeworfen hat, selbst die Bonner begrüßten uns mit Fragen wie: "Warum seid ihr denn aus Berlin weggezogen und dann noch nach Bonn? Wobei sie bei "Berlin" ihrer Stimme eine eigenartige Sehnsucht gaben: "Berliin". Wo immer wir hinkamen, gab es irgendeine Form des Kommentars. Dabei sind wir nur unseren Männern gefolgt, und die wiederum dem Beruf. Nun sind sie häufig auf Dienstreise, nicht selten in Berlin. Verkehrte Welten. Oder Familienentscheidung? "Also, Bonn ist so groß wie Charlottenburg, nein Neukölln", sagt Andrea. Na gut, sagen wir, überschaubar. Auf jeden Fall fährt man mit dem Auto meist an seinem Ziel vorbei, weil es auf dem Stadtplan viel weiter aussieht, als es ist. Natürlich kennt hier jeder jeden, besonders, was Handwerker angeht. Die entschuldigen sich höflich, wenn sie nicht sofort, sondern erst in einer halben Stunde für das Problem Zeit haben, und man trifft sie fortan laufend in der Stadt, weil sie in jedem zweiten Laden die Sanitäreinrichtungen gelegt haben. Nur Polizisten, die sieht man nicht so häufig wie in Berlin. Außer, wenn sie dem Karnevalszug voran reiten.

Der Karneval! Der Ernst hat begonnen, und wir Drei kennen uns nicht aus. Wo man hingehen muss und wo auf keinen Fall. Weiberfastnacht, die Rathauserstürmung und lauter dicke Prinzenpaare, die als Werbegag im Hobbymarkt kochen und dergleichen - der Karneval nimmt alles ein.

Einig darüber, ziemlich fremd zu sein, beschließen Andrea aus Schöneberg, Kerstin vom Prenzlauer Berg und ich, uns nächste Woche wieder zu treffen und noch mehr Frauen aus Berlin ausfindig zu machen.

Ich laufe die Adenauerallee hinunter, am alten Bundestagsgebäude vorbei, das eigenartig verlassen da liegt, und denke an den alten Reichstag, der meine ganze Kindheit über ebenso verlassen im Tiergarten lag.

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