Manche Dinge hängen zusammen, andere nicht, von manchen weiß man es nicht. Solche jedoch, denen der Geruch des Geheimnisvollen anhängt, verbreiten sich für gewöhnlich mühelos und ohne Bedenken des Wahrheitsstatus, dass es dem Leser eine wahre Freude ist. Oder auch nicht. Anke Domscheit-Berg wird alles andere als begeistert sein. Die IT-Expertin ist nicht mehr nur Microsoft-Erfolgsfrau und OpenGovernment -Aktivistin sondern nun auch Hauptprotagonistin in einer der aktuellen WikiLeaks-Theorien. Seit ihr Mann Daniel Domscheit-Berg mit seinem Ausstieg aus der Whistleblower-Organisation seinen richtigen Namen bekannt gab, steht der Vorwurf im Raum, Microsoft nehme im Verborgenen Einfluss auf WikiLeaks. Der Software-Riese entwickelt IT-Strategien, um Regierungsentscheidungen transparenter zu gestalten; WikiLeaks veröffentlicht zuweilen Regierungsdokumente und Anke Domscheit-Berg engagierte sich privat für beides. Natürlich kann es einen Zusammenhang geben, natürlich ist Microsoft kein Unschuldslamm. 2005 gewann das Unternehmen zusammen mit einigen Branchenkollegen den Worst Lobby Award für eine „Kreativ“-Kampagne, die die EU-Gesetzgebung in Sachen Softwarepatente und den Schutz des geistigen Eigentums beeinflussen sollte. Beweise jedoch, dass auch WikiLeaks von Microsoft subventioniert wird, existieren nicht. Damit könnte dieses Gerücht, wie bei so vielen anderen Geschichten, die über WikiLeaks kursieren, zwar der Wahrheit entsprechen. Wer jedoch würde sich dafür verbürgen, dass dem wirklich so ist?
Plädoyer für mehr Gelassenheit
Die Problematik, dass die Whistleblower-Plattform teilweise jene Thesen beweist, die sonst dem Spektrum der Verschwörungstheorien zugewiesen werden, öffnet Tür und Tor dafür, dass Menschen mit einer Faszination für das Unbelegte auf ihre Kosten kommen. Eigene Netze werden gesponnen, wahllos Puzzleteile in eine Ecke gelegt, in die sie eventuell passen könnten. Private Details, die keinerlei Bedeutung haben, finden sich auf einmal im Scheinwerferlicht wieder. Dabei waren den Personen, die sich näher mit WikiLeaks beschäftigten oder die Domscheit-Bergs kannten – Journalisten und die Berliner Computer-Szene beispielsweise – Familienverhältnisse und Echtname von Daniel „Schmitt“ auch vorher bekannt. Auf Anke Domscheit-Bergs Facebook-Seite fand man bis vor kurzem gar Hochzeitsfotos der beiden. Familienverhältnisse aber, wenn sie nicht zweifellos verdeckte Zusammenhänge verdeutlichen, sind für die Öffentlichkeit normalerweise nicht von Bedeutung. Viel eher können sie Menschen wie den Domscheit-Bergs oder einem Projekt wie WikiLeaks im Zweifelsfall schaden. Gelassenheit und die Ablegung des Zwangs, aus jedem neuen Detail einen Skandal konstruieren zu wollen, sind besonders bei solch polarisierenden Themen wie WikiLeaks absolut von Nöten. Wer Theorien Raum gibt, sollte sich daher bemühen, diese entweder zu beweisen oder aber suggestive Formulierungen zu vermeiden – genau wie die Autorin dieses Textes. Sie könnte sonst womöglich mit der triumphierenden Aussage ihren Text beenden, dass Anke Domscheit-Berg keineswegs WikiLeaks förderte. Im Gegenteil habe sie ihren Mann gezwungen bei WikiLeaks auszusteigen - selbstverständlich im Interesse von Microsoft. Das Unternehmen setzte sich nämlich im Februar 2010 dafür ein, dass die Whistleblower-Seite Cryptome kurzzeitig abgeschaltet wurde. Diese hatte genau wie später WikiLeaks ein Microsoft-Strategiepapier für Verwaltungen geleakt, in dem die Firma erläuterte, welche persönlichen Daten seiner Nutzer gespeichert werden und wie beispielsweise Strafverfolger auf diese zugreifen können.
Startseitenfoto: Guillame Ledit / Flickr
Kommentare 15
Gratulliere, Cassabsra, Du bist endlich diejenige die etwas darüber hier bringt!!
Da weiss Lewis Shepherd, ehemaliger Beamter im US Verteidigungs Ministeriums und derzeitigem Technologie Chef beim Microsoft-Institut für Advanced Technology-und Regierungsangelegenheiten [ungültiger link] bestimmt mehr. Süss ;-)))
Das gute alte Google, Ask Bing et c, aber es wird einige Web2.0 Funktionen automatisieren die im Effekt Suche und Aus-Forschung besser belohnen werden, weil in dem
Web 3.0 System eine größere Anzahl von Links zu kontext-relevanten Informationen erschlossen wird.
Hu? Na Prost!
http://img834.imageshack.us/img834/7319/wicki.png
na gucke ma hier:
http://img176.imageshack.us/img176/1155/connectionuntrusted.png
Ich glaub meine Browser spinnen, ich bin streikgeschädtigt oder hab um 16:00h schon "einen im Tee".
Ne, ist mir schon vor einer Woche genauso gegangen. Scheinbar haben sie's immer noch nicht auf die Reihe gekriegt.
Dein erster Link geht übrigens nicht.
"...mehr Gelassenheit", ja, das ist wohl eine gute Empfehlung. Danke für den Hinweis.
hier ist besser der ganze link:
www.microsoft.com/industry/publicsector/government/domainsharing.mspx
und direkt zu Lewis Blog gehts hier:
lewisshepherd.wordpress.com/2008/08/15/institute-for-advanced-technology-in-governments/
Liebe Cassandra,
klasse. Interessant in informativ Deine Artikel über die wikileaks. Ganz auf der Höhe der Zeit und ihrer Megatrends. Blogs mit Vorbildfunktion!
Herzliche Grüße
poor on ruhr
Ja. Und lassen Sie sich als Praktikantin aufrufen. Wer Töchter hat, weiß, wie man diese unterstützt.
Hallo Cassandra,
du bohrst dich ja bis in die Innereien vor. Vorsicht, der Geruch ist nicht immer angenehm.
Linktipp: Pulitzerpreisträger Hersh: Das Internet muss unkontrolliert bleiben
Danke, por. Megatrend will ich nicht unbedingt sein, aber das Thema entwickelt sich wohl gerade da hin.
Lieber Nicklos Luhmann, leider bin ich zu beschränkt, um Ihre Kommentaren nur eine eindeutige Interpretation zuzuordnen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir mit ein paar Worten mehr erklären könnten, wo die Zusammenhänge liegen - im Kommentar und bezogen auf meinen Text.
Oh ja, nicht nur hier...
Vielleicht ist es kein Zeichen von Beschränkung, wenn man diese Kommentare nicht versteht...
Was ist schon angenehm :)
Danke, ich hatte zu Hersh irgendwo anders schon was überflogen, das hier war besser. Ich weiß nur nicht, ob ich seine positive Sicht teile, das Internet ist doch wohl nicht ganz so rosarot und frei, wie er es beschreibt.
Das würde ich gern herausfinden, Ida, leider antwortet her Luhmann nicht, was mich äußerst betrübt.
Das allein ist ein sehr interessantes Thema. Einerseits fasziniert mich dieses Semantik-Projekt, andererseits ist es recht gefährlich für die Anonymität. Ich finde es schade, dass die Technik für Regierungen und Militärs entwickelt wird und nicht nur so zum Spaß. Aber dann wäre es wohl ein teurer.
merci beaucoup.