EU-Mitglied Nr. 29 - die Türkei?

Türkeibeitritt Ihre strategische Lage, wirtschaftliche Nutzen, bessere Völkerverständigung und anderen Aspekte werden oftmals in der Debatte erwähnt als Argumente für den Beitritt.

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Über den EU-Beitritt der Türkei wurde und wird schon viel diskutiert. Ihre strategische Lage, wirtschaftliche Nutzen, bessere Völkerverständigung und manche anderen Aspekte werden oftmals in der Debatte erwähnt als Argumente für den Beitritt. Dennoch gibt es v.a. im Bereich des Menschenrechtsschutzes noch viele Vorbehalte.

Das ist auch verständlich. Zwar hat sich gerade Premier Minister Erdogan am Anfang seiner Amtszeit den Ruf verschafft, für die Menschenrechte einzutreten. Im Vergleich zur Situation vor 20 Jahren hat sich tatsächlich in dem Bereich viel gebessert. Doch reicht es für einen EU-Beitritt?

Das erste Kopenhagener Kriterium lautet: „Beitrittswillige Länder müssen folgende Eigenschaften aufweisen: Institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten…“ (Zitiert nach http://ec.europa.eu/enlargement/policy/conditions-membership/index_de.htm) Wer dieses Kriterium nicht erfüllt, hat in der EU (noch) nichts zu suchen.

Und das, muss ich sagen, ist in der Türkei noch nicht der Fall. Der „Human Rights Watch“-Bericht zur Türkei 2013 kritisiert natürlich insbesondere das Verhalten türkischer Sicherheitskräfte auf dem Taksim-Platz während der Proteste des vergangenen Sommers. Unter anderem wurde dort mit Tränengaskanistern, Wasserkanonen und Gummigeschossen auf meist friedliche Demonstranten gefeuert. Insgesamt starben bei den Protesten sieben Menschen, von denen einer ein Polizist war.

Doch auch die Pressefreiheit bleibt ein wunder Punkt. 2012 saßen zeitweise bis zu 76 Reporter im Gefängnis – mehr als in China oder Iran, meint die Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Wer sich als Journalist regierungskritisch äußert, muss um seinen Job fürchten, wie zahlreiche Beispiele der letzten Jahre zeigen. Summa summarum schafft es die Türkei damit auf Platz 154 von 180 der „Weltrangliste der Pressefreiheit 2014“.

Zuletzt war die Türkei im März wegen Internetzensur in der Kritik: innerhalb von wenigen Tagen blockierte die Regierung landesweit den Zugang zu Twitter und YouTube. Der Oberste Gerichtshof schaltete sich zwar ein, bezeichnete die Aktion als verfassungswidrig und ordnete an, sie rückgängig zu machen, doch Erdogans Regierung zeigte sich höchst widerwillig, dem Befehl folge zu leisten.

Bei aller negativen Presse darf man nicht verhehlen, dass es auch Fortschritte gibt in der Türkei. In den letzten drei Jahren wurden auf Betreiben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vier Gesetzesreformen durchgesetzt, um die Lage zu bessern. Hoffen wir, dass die türkische Politik weiterhin dranbleibt.

Bei allem guten Willen muss man jedoch einsehen, dass die momentane Situation noch zu schwerwiegende Probleme enthält, um das erste Kopenhagener Kriterium zu erfüllen. Wenn es die Türkei geschafft hat, ihren Menschenrechtsschutz in den Griff zu kriegen, können wir weiter verhandeln. Doch bis dahin könnte es noch etwas dauern.

Autor: Daniel Vedder

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