Europa der Eliten

Europäische Union Bei der Europäischen Union handelt es sich um eine Union der Eliten. Und das ist auch gut so, denn so sind wenigstens kleine Schritte zu einer politischen Union möglich.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Dieser Beitrag wurde zur Verfügung gestellt von CATO und ist ein Wettbewerbsbeitrag zu Jugend denkt Europa.

Manchmal frage ich mich, warum ich an Europa glauben soll, wenn sich selbst unsere Politiker heute nicht einig sind. Früher war das anders. „Europa ist unsere Zukunft. Sonst haben wir keine.“ skandiert Genscher jedes Mal, wenn man ihn wieder einmal zu dem Thema befragt. Bis zum Europaschulpreisträger hat er es mit dieser Phrase geschafft. Zwar betont Angela Merkel stets die Alternativlosigkeit eines starken Deutschlands in einem starken Europa, doch Andreas Scheuer, Generalsekretär der Schwesterpartei CSU spricht von einem „dicke(n) Aber“ bei der Zustimmung zu Europa. Zwar gibt es dieses Jahr zum ersten Mal europaweite Spitzen-kandidaten der großen Europaparteien für das Amt des Kommissionspräsidenten, doch plaka-tiert wird in Deutschland nur Angela Merkel und nicht Jean-Claude Juncker. Ob der nach einem möglichen Wahlerfolg das Amt bekäme oder möglicherweise doch noch einem internen Machtkampf zum Opfer fallen würde, steht ohnehin noch in den Sternen – so viel zur Abschaffung der Hinterzimmer-Politik in Europa: Ein schwacher Wähler in einem starken Deutschland in einem starken Europa. Oder so. Als Wähler findet man sich in dem Wust aus europäischen Institutionen, Parlamenten, Räten und Gremien ohnehin nicht mehr zurecht. Warum dann auf Inhalte setzen, wenn man auch mit Plakaten von „Bundesmutti“ Angela Merkel werben kann? Und wer würde schon David McAllister oder Jean-Claude Juncker auf einem Wahlplakat erkennen? Dann lieber – im Sinne von „never change a Bundestagswahl-winning Kampagne“ – auf die Bundeskanzlerin setzen, die überhaupt nicht zur Wahl steht und den Wähler mit wohlig-warmen Sätzen wie „Die wichtigsten Dinge erreicht man nur gemeinsam. Deshalb ist Europa gut für unser Land.“ einlullen. Dabei wäre gerade jetzt die Zeit reif, einmal mit Inhalten zu überzeugen. Denn Europa kann überzeugen, muss überzeugen, wenn es Bestand haben will. Und Europa hat gute Argumente, die immer wieder aktuell sind. Nur vereint kann Europa für die Sicherheit der Daten seiner Bürger, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen sorgen. Nur vereint kann Europa im Kampf gegen den Klimawandel den scheinbar übermächtigen Gegenspielern eine Stimme ent-gegenbringen. Doch Europa kämpft nicht gegen die Spionage der NSA. Nicht einmal ein „No-Spy-Abkommen“ werden unsere Politiker aushandeln können – selbst das wäre nur ein erster kleiner Schritt bei der Aufarbeitung dieser uns alle betreffenden Affäre gewesen. Und die Energiewende funkti-oniert nicht einmal in Deutschland, von einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik ganz zu schweigen.

Kann oder will Europa die großen Fragen nicht angehen, für deren Lösung es konzipiert wurde? Beide Alternativen wären fatal und begründen die Skepsis, mit der viele Europäer das Geschehen in Brüssel beobachten. Doch Europa verzettelt sich lieber im Klein-Klein von Bananenkrümmung und dem Unterschied zwischen Feta und in Salzlake gereiftem Schafskäse. Auch das trägt entscheidend zur Missgunst vieler EU-Bürger bei.


Dabei liegt die Lösung für dieses Problem eigentlich auf der Hand: Neben der Wirtschafts-union, die sich (mit einer Ausnahme: Griechenland) für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gelohnt hat, wie ein aktuelles Paper1 wieder beweist, braucht es nun eine politischen Union in Europa. Mehr Europa, dass sich nicht nur um die Länge von Gurken oder Kondomen kümmert, sondern ein Europa, welches sich, gestärkt durch den Rückhalt einer halben Milliarde Europäer, zutraut, in den wichtigen Fragen unserer Zeit hart zu bleiben und auf europäische Grundsätze zu pochen. So äußerte sich vor kurzem auch Alan Greenspan, der langjährige Chef der amerikanischen Zentralbank Fed.


Hierbei vergisst er jedoch, dass Europa nicht wie die USA ein Nationalstaat ist, sondern ein im Vergleich relativ lockerer Zusammenschluss von 28 Staaten mit jeweils eigener Geschichte, Sprache und Kultur. In Europa ist es im Moment und auch für die nächsten 100 Jahre undenkbar, eine politische Öffentlichkeit aller EU-Bürger zu schaffen, denn wir alle sind in viel größerem Maße von nationalen Diskussionen geprägt, als von innereuropäischen. Europa besteht eben nicht nur aus einem Volk, welches sich eine Verfassung geben könnte, sondern aus vielen unterschiedlichen Völkern. Deswegen erinnert das Europa von heute auch so stark an das Heilige Römische Reich deutscher Nation. Auch dieses war schon in seinen politischen Institutionen für Außenstehende quasi undurchschaubar. Selbst die europäische Wirtschafts- und Finanzkrise, eine Zeit in der in ganz Europa über ähnliche Themen diskutiert wurde, eine Zeit in der man zusammenstand und einander half, konnte die Bürger Europas nicht näher zusammenbringen, ganz im Gegenteil. Viele europakritische Parteien hatten in diesen schwierigen Jahren einen Aufschwung, der bis heute anhält.
Ohne eine politische Öffentlichkeit in Europa kann es aber auch keine politische Union geben, so wünschenswert diese auch wäre. Dieses Dilemma hat schon Helmut Kohl erkannt, der immer wieder einen stärkeren supranationalen Charakter der Europäischen Union forderte, gleichzeitig aber einsah, dass dies den Bürgern nicht zu vermitteln ist. Daran hat sich nichts geändert. Auch heute sind die kulturellen Unterschiede zwischen den Staaten noch zu groß, um die breite Masse der europäischen Bevölkerung von einer politischen Union in Europa zu überzeugen.


Dennoch erhalten die Institutionen der EU immer mehr Macht, zuletzt beispielsweise das EUParlament mit dem Vertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft trat, einen ganz enormen Zuwachs an Gesetzgebungskompetenz. Diese Tatsache lässt nur einen Schluss zu (und das ist eigentlich kein Geheimnis): Die EU ist eine Union der Eliten. Die Europäische Union wurde gegründet, weil die damaligen Staats- und Regierungschefs dies für sinnvoll hielten und hat seitdem immer mehr Kompetenzen erhalten. Dabei ging es nie und geht es immer noch nicht darum, die Bevölkerung in diese Entwicklung besonders mit einzubeziehen oder ihr die Union schmackhaft zu machen. „Europa ist unsere Zukunft. Sonst haben wir keine.“, damit hat Genscher recht. Wir sind auf einem Weg hin zu einer politischen Union, ob wir das wollen oder nicht.

Autor: Michael Reinhart

Dieser Text erschien ursprünglich auf CATO.

Sollte eine Diskussion mit dem Autor gewünscht sein, bitten wir Sie höflichst, die Kommentarfunktion unter obigem Link zu nutzen.

Anmerkungen:

(1) http://www.touteconomie.org/afse/index.php/congres/2013/paper/viewFile/277/295

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

CATO

CATO ist ein Blog, auf dem Jugendliche Texte zu gesellschaftlich relevanten Themen veröffentlichen können. Link: http://cato-online.blogspot.de/

CATO

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden