Freiheit und Sicherheit in der Gesellschaft

Demokratie Freiheit und Sicherheit sind seit jeher zwei Begriffe, die gegeneinander ausgespielt werden. Wie viel Sicherheit darf sein, ohne die Freiheit zu gefährden?

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Vor kurzem wurde auf dem Jugendblog CATO ein Artikel zur Prism-affäre veröffentlicht1, dessen anschließende Diskussion den Themenbereich anschnitt, den ich im Folgenden behandeln will. Es kam die Frage auf, ob die USA noch als das „land of the free“ betrachtet werden könne, als das sie sich seit ihrer Unabhängigkeit ausgibt. Ein Teilnehmer verwies auf einen Artikel der Washington Post mit dem vielsagenden Titel „10 reasons the U.S. is no longer the land of the free“2, datiert vom Januar diesen Jahres. Der Autor dieses Artikels zeigt Entwicklungen in den Vereinigten Staaten seit dem 9/11 auf, die, im Namen des Kriegs gegen den Terror, die rechtliche Freiheit der Bürger deutlich beschränken. Ich beziehe diese Diskussion nun auf das Monatsthema August und frage deshalb: Inwieweit darf die Freiheit des Individuums begrenzt werden, um die Sicherheit der Gesellschaft zu gewährleisten?
Um Missverständnissen vorzubeugen, will ich kurz erläutern, wie ich die wichtigsten Begriffe in dieser Frage verwende. Mit „Individuum“ ist im Nachfolgenden ein einzelner Staatsbürger gemeint, während sich „Gesellschaft“ auf eine nationale, politische Staatsgesellschaft bezieht. „Freiheit“ ist die Summe aller Rechte, die die Individuen einer Gesellschaft ausüben können, während „Sicherheit“ mit der Gewährleistung und Sicherung dieser Rechte gleichzusetzen ist. Doch nun zur eigentlichen Diskussion.
Benjamin Franklin sagte einst: „Diejenigen, welche ein wenig notwendige Freiheit aufgeben würden, um ein wenig vorübergehende Sicherheit zu erlangen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit.“3 Als einer der Gründerväter der USA lag ihm die Freiheit natürlich sehr am Herzen, für die er und andere so lange gekämpft hatten. Daher rührt dieser Satz, der einen so starken Gegensatz bildet zur heutigen sicherheits-orientierten US-Gesellschaft.
Ganz zustimmen würde ich Franklin hier nicht. Denn es gibt Situationen, in denen der Staat paradoxerweise die Freiheiten seiner Bürger einschränken muss, um eben jene zu erhalten. Bestes Beispiel hierfür ist der Verteidigungsfall. Dem Staat obliegt der Schutz seiner Bürger und ihrer Freiheit, folglich muss er sich zur Wehr setzen, wenn ein fremdes Land droht, das Recht seiner Bürger auf Selbstbestimmung durch eine Invasion und Besetzung zu beeinträchtigen. Nun braucht aber eine Verwaltung, die eine effektive Verteidigung koordinieren muss, eine größere Handelsbefugnis als eine Regierung in Friedenszeiten. So erlaubt beispielsweise in Deutschland Art.17a §2 GG, dass bestimmte Grundrechte per Gesetz eingeschränkt werden dürfen, um die Bevölkerung zu schützen und zu verteidigen.
Ein ähnliches Beispiel liefert Art. 18 GG: Wer seine Grundrechte missbraucht, um die freiheitliche demokratische Ordnung zu bekämpfen, dem stehen diese nicht mehr zu. Hier findet sich eine Lehre aus der Weimarer Republik; dieser Absatz soll verhindern, dass nochmals eine freie Gesellschaft ihren Feinden eigenhändig Tür und Tor öffnet.
Wir sehen also, dass es unter bestimmten Umständen geboten ist, die Freiheit des Individuums zu beschränken, um die Gesellschaft zu sichern; denn erst wenn die Gesellschaft gesichert ist, kann sie den Fortbestand der individuellen Freiheit gewährleisten. Man muss dabei jedoch betonen, dass dies Ausnahmefälle sind, die entweder zeitlich begrenzt sind (Verteidigungsfall) oder nur bestimmte Leute treffen (Verwirkung der Grundrechte).
An einer solchen begrenzten Einschränkung der individuellen Freiheit ist also prinzipiell nichts auszusetzen, solange sie von einer Gesellschaft durchgeführt wird, in der wirklich das Volk herrscht. Je mehr wahre Demokratie umgesetzt ist, desto mehr kann es sich eine Gesellschaft leisten, die Rechte ihrer Bürger teilweise zu beschränken, da dies immer zu deren Besten geschehen wird. In der Theorie ist dies kein Problem. Doch leider ist der Mensch kein perfektes Wesen. Wie verhält es sich also in der Praxis?
Thomas Jefferson schrieb: „Der natürliche Lauf der Dinge ist es, dass die Freiheit nachgibt und die Regierung Boden gewinnt.“3 Ebenso Platon: „Diktaturen entstehen natürlicherweise aus Demokratien, und die schlimmsten Formen der Tyrannei aus der extremsten Freiheit heraus.“3 Diese paradoxe Sicht scheint sich in der Geschichte zu bestätigen. Präsidenten werden nach dem Willen des Volkes gewählt, werden aber zu Diktatoren (so z.B. Venezuelas Hugo Chavez4). Die NS-Diktatur wurde aus der Weimarer Republik geboren, der „ultimativen Demokratie“, die sich zu einer „Demokratie ohne Demokraten“ wandelte. Die USA, bekannt als „land of the free“, hat mittlerweile in ihrem Kampf gegen den Terrorismus u.a. das Recht auf habeas corpus ausgesetzt, sowie die gezielte Tötung von ihren Bürgern auf Geheiß des Präsidenten erlaubt und geheime Gerichtshöfe der Spionageabwehr eingerichtet.
Jonathan Turley, Autor des oben genannten Washington Post Artikels, bemerkt völlig richtig, dass autokratische Nationen nicht nur darüber definiert sind, dass sie autokratische Macht ausüben, sondern auch darüber, dass ihre Regierungen in der Lage sind, diese Macht auszuüben. Um es mit Ronald Reagan zu sagen: „Konzentrierte Macht war schon immer der Feind der Freiheit.“3 Es sei denn, diese Macht liegt beim Volk.
Genau deswegen sollten wir extrem vorsichtig damit sein, in welchem Maß wir als Bürger eines demokratischen Landes die Beschränkung unserer Rechte zulassen. Ein paar Beschränkungen sind unumgänglich. Aber zwischen einer sicheren Demokratie und einem totalitären Sicherheitsstaat ist es oftmals eine allzu schmale Gratwanderung.
Welche Antwort soll ich nun auf die oben gestellte Frage geben? Inwieweit darf die Freiheit des Individuums begrenzt werden, um die Sicherheit der Gesellschaft zu gewährleisten? Meiner Meinung nach nur so weit, dass die Demokratie nicht gefährdet ist. Auch, wenn diese Gefährdung nur eine potentielle ist. Ich schliesse mit den berühmten Worten der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung:
„Wir halten diese Wahrheiten für selbsteinleuchtend, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit bestimmten unveräusserbaren Rechten ausgestattet wurden, zu denen Leben, Freiheit, und das Streben nach Glück gehören;
Dass, um diese Rechte zu sichern, Regierungen eingesetzt worden sind unter den Menschen, die ihre gerechte Macht aus der Zustimmung der Regierten erhalten; dass wann auch immer eine Regierungsform diese Ziele zerstört, es das Recht des Volkes ist, diese zu ändern oder zu entfernen; und eine neue Regierung einzusetzen, deren Fundament sie auf solche Prinzipien gründen, und deren Mächte sie in solcher Form organisieren, wie es ihnen scheint dass sie am wahrscheinlichsten ihre Sicherheit und ihr Glück gewährleisten.“5

Autor: Daniel Vedder
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

CATO

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