TTIP - Von Chlorhühnchen und Schiedsgerichten

Freihandel Transatlantic Trade and Investment Partnership - kurz TTIP. So lautet der Name des Abkommens über das europaweit zurzeit wohl am meisten diskutiert wird.

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Kurz zusammengefasst möchte TTIP durch Schaffung eines Binnenmarktes zwischen USA und EU eine Freihandelszone entstehen lassen. Auch Normen und Standards sollen teilweise angeglichen werden.

Ziel dieses Vertrages ist es, europäischen und amerikanischen Unternehmen die Möglichkeit zu geben, international ihren Profit zu steigern. Sicherlich hat dieses Freihandelsabkommen ökonomisch gesehen viele Vorteile (Schaffung von Arbeitsplätzen, Marktvergrösserung für Unternehmen, günstiger Erwerb von Produkten des anderen Staates), jedoch überwiegen eindeutig die Nachteile!

Die wichtigsten sind die folgenden: Der durch die Presse am populärsten gewordene ist, das es durch TTIP möglich werden würde, Produkte aus Amerika, die europäischen Standards nicht entsprechen, trotzdem hier zu verkaufen. Das beliebteste Beispiel sämtlicher gegen das Abkommen protestierende NGOs ist das "Chlorhühnchen". Die Produktion und der Verkauf dessen ist in der EU nämlich verboten, in den USA hingegen nicht. Mit dem freien Verkauf amerikanischer Produkte nach Europa würde das Freihandelsabkommens europäisches Recht zu Gunsten Unternehmen umgehen können, das Chlorhühnchen und andere von der europäischen Union verbotene Nahrungsmittel wären bald hier erhältlich. Genau so wäre dies nicht nur für Genussmittel, sondern auch für Umweltvorschriften möglich. Das von der EU eingeführte Emissionshandelssystem, das vorsieht dass Flugzeuge für ihre verursachten Abgase bezahlen müssen, könnte durch TTIP für nicht europäische Fluggesellschaften ausgehebelt werden, eine gravierende Umweltverschmutzung wäre die Folge. Jedoch würde das Transatlantic Trade and Investment Partnership nicht nur unsere Lebensmittelqualität und Umweltsstandarts herabsetzen (in den Diskussionsrunden sprechen die verhandelnden Politiker fast schon zynisch von "anpassen" ) sondern mit der Zeit auch eine ernsthafte Gefährdung für unsere Demokratie bedeuten. Durch das geplante Abkommen hätten Unternehmen die Chance ganze Staaten zu verklagen: Möchte ein Firmeninhaber beispielsweise Fracking in Europa betreiben, hat aber nicht die gesetzliche Erlaubnis dazu, kann er seinen Staat wegen Wettbewerbsnachteil zum Prozess mit einem Schiedsgericht zwingen und Schadensersatz fordern. Indem sich diese privaten Schiedsgerichte über Urteile unserer staatlichen Judikative hinwegsetzen können, würde darunter nicht nur unsere parlamentarische Demokratie leiden, sondern indirekt würde auch der Steuerzahler finanziell für die Entschädigung der Unternehmen aufkommen müssen.


Ein weiteres Argument gegen die europäisch-amerikanischen Verhandlungen ist der unfaire Wettbewerb, der logisch aus ihnen resultieren würde. Drittstaaten, die in einen der beiden Binnenmärkte liefern wollen, hätten aufgrund von steuerlichen Nachteilen extreme Produktabsatzschwierigkeiten, weil sie Waren nicht so billig wie die USA und EU liefern können. Eine faire Weltwirtschaft sieht anders aus, da vor allem ärmere Länder diese finanziellen Defizite spüren würden.

Zu diesen ganzen Nachteilen kommt noch hinzu, dass die Verhandlungen, die ja immerhin mehr als 1 Milliarden Menschen betreffen, im Geheimen stattfinden. Zwar sind die Protokolle der Handelsgespräche wegen öffentlicher Forderung jetzt im Internet nachzulesen (http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/), jedoch ist das Material für die meisten Bürger viel zu komplex, als das sie einen wirklichen Überblick bekommen könnten. Hinzu kommt noch, dass einzelne EU-Mitgliedstaaten keine wirkliche Stimme haben, um die geforderten Gesetze an ihr Land anzupassen: Die EU beschließt als Union, ob sie TTIP annimmt oder ablehnt.

Die Stimmen der Kritiker des TTIPs werden immer lauter, trotzdem werden die Gespräche zu dessen Einführung fortgeführt. Da die Nachteile aber eindeutig überwiegen, kann man nur hoffen, dass die Verhandlungen abgebrochen oder zumindest solche Vereinbarungen getroffen werden, dass keine europäischen oder auch amerikanischen Standards im moralischen, ökologischen, demokratischen oder für den einzelnen Bürger ökonomischen Sinne herabgesetzt werden müssen.

Autor: Lea Heinrich

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