Was fällt Ihnen ein, wenn Sie das Wort „Mittelklasse“ hören? Wer in einer deutschen Fußgängerzone wahllos Menschen anspricht und ihnen diese Frage stellt, wird sich eher in einen netten Plausch über Autos vertiefen als in eine kontroverse Diskussion über soziale Ungleichheit. Und das, obwohl wieder vermehrt über das gesprochen wird, was früher als „Soziale Frage“ bekannt war. In Wissenschaft, Medien und Kunst ist „Klasse“ kein unbekannter oder unerwünschter Begriff mehr. Zur Wahrheit gehört aber auch: eben nur dort. Denn außerhalb intellektueller Debatten, also im Vokabular großer Parteien und Verbände oder in der Alltagssprache, spielt diese soziologische Großkategorie entweder keine Rolle, oder aber sie gilt als Relikt längst überwundener Zeiten.
Selbst in populären Sachbüchern, die den Begriff im Titel tragen, ist ein Unbehagen enthalten. Der Journalist Ronen Steinke, von dem kürzlich die Streitschrift Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich. Die neue Klassenjustiz erschien, gesteht einleitend: „Das Wort ‚Klasse‘ kommt mir schwer über die Lippen. Es klingt nach einer Vereinfachung eines Problems, das viel komplexer ist.“ Sie ist zurück, die gute alte „Klasse“. Von ihr ist aber selten im marxistischen Sinn die Rede als Manifestation des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit. Durchgesetzt hat sich ein weit gefasstes Verständnis, das alle Kämpfe um Teilhabe auch jenseits der ökonomischen Sphäre als Klassenkämpfe begreift. Gemeint sind nicht mehr nur Arbeit und Ausbeutung, sondern auch Diskriminierung und Anerkennung.
Klassismus ist der älteste Diskriminierungsbegriff überhaupt
Hier knüpft ein Konzept an, das sich in den Diskurs geschlichen hat. Wer noch vor kurzer Zeit bei einer Suchmaschine im Internet „Klassismus“ eingab, erhielt den Korrekturvorschlag „Klassizismus“. Damit ist es nun vorbei. Sogar die künstliche Intelligenz hat gelernt, dass es sich beim Klassismus nicht etwa um eine Kunstepoche handelt, sondern um klassenbezogene Ungerechtigkeit. Es geht analog zu Begriffen wie Rassismus und Sexismus sowohl um das Zurückweisen der Abwertung etwa finanziell benachteiligter Menschen als „Sozialschmarotzer“ als auch um die Kritik beispielsweise am deutschen Bildungssystem, in dem es stark vom Konto- und Vermögensstand der Eltern abhängt, ob ein Kind studieren kann. Vergangenes Jahr setzte dazu eine Publikationswelle auf dem Buchmarkt ein, parallel begann eine Feuilletondebatte um den scheinbar neuen Begriff.
Tatsächlich jedoch ist Klassismus der älteste Diskriminierungsbegriff überhaupt. In den 1840er Jahren bezeichnete der britische Sozialreformer Samuel Bamford in Passagen aus dem Leben eines Radikalen die strukturelle Benachteiligung aufgrund einer unteren Klassenzugehörigkeit als „classism“. Der Begriff fand jedoch erst in den 1970er Jahren in den politischen Aktivismus. Das Lesbenkollektiv The Furies benannte damit die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft und verband den Feminismus mit dem Klassenkampf. Ähnliches taten kurz darauf Gruppen des Schwarzen Feminismus, die Engagement gegen Sexismus, Rassismus und Klassismus zusammenführten. Und doch dauerte es bis zum Jahr 2009, ehe in Deutschland mit Klassismus. Eine Einführung im Unrast-Verlag eine Monografie zum Thema erschien. Heike Weinbach und Andreas Kemper beschreiben in ihrem kleinen, aber feinen Standardwerk die Geschichte des Begriffs und weisen nach, wie verbreitet das Phänomen auch bei uns ist. Inzwischen haben sich an vielen Universitäten sogar Arbeiterkinderreferate gegründet.
Dass ausgerechnet jetzt immer häufiger von Klassismus die Rede ist, hat einerseits mit der Rückkehr des Sozialrealismus in Literatur und Kino zu tun. Viel wichtiger dürften aber die Erfahrungen mit der Pandemie seit 2020 sein. Hier sind soziale Unterschiede sogar jenen ersichtlich geworden, die bis dahin vehement das Ausmaß von Elend und Armut in diesem reichen Land leugneten. Während der Lockdowns machte es einen Unterschied, ob man die sonnigen Tage im Eigenheim mit Garten im Homeoffice verbrachte und die Kinder mit je eigenen Laptops und Zimmern via Internet die gymnasiale Schulbildung genießen ließ, oder ob man als alleinerziehende Reinigungskraft in Zwangskurzarbeit in der Zweizimmerwohnung ohne Balkon bei gesperrten Spielplätzen und mit technisch schlecht ausgestatteten Schulkindern verbringen musste.
Wenn Deutungskämpfe zu Klassenkämpfen werden
Es gibt also eine Marktnische, in die bereits einige Publikationen vorgestoßen sind. Zuletzt erschienen etwa die Sammelbände Solidarisch gegen Klassismus, Klassen sehen. Soziale Konflikte und ihre Szenarien (beide bei Unrast), Klassenfahrt. 63 persönliche Geschichten zu Klassismus und feinen Unterschieden (Edition Assemblage), Klassismus und Wissenschaft (BdWi-Verlag) und die vom Autor dieser Zeilen mitherausgegebene Anthologie Klasse und Kampf (Claassen). Im Sommer veröffentlicht Freitag-Autorin Marlen Hobrack das Buch Klassenbeste. Wie Herkunft unsere Gesellschaft spaltet (Hanser Berlin). Bereits im März kam von Francis Seeck eine neue Einführung in den Klassismus heraus, unter dem Titel Zugang verwehrt (Atrium).
Manche Exponenten medial zuletzt viel beachteter Themen wie Rassismus und Sexismus fürchten sich im Wettbewerb um Debattenräume vor einer Art Opferkonkurrenz. Im Februar 2021 berichtete der Regisseur Thomas Ostermeier in einem Interview mit der Zeitschrift Theater der Zeit, was geschah, nachdem er in einem Seminar mit Regiestudierenden bei einer Diskussion um Gendergleichheit und Rassismus den Begriff des Klassismus ins Spiel gebracht hatte: „Eine der Studentinnen entgegnete, das sei ein typischer Diskurs von weißen männlichen Heteros, der letztlich nur die anderen Formen der Diskriminierung verwässern und ihnen die Gelegenheit geben wolle, sich selbst auch als Opfer der Gesellschaft darzustellen.“
Je tiefer man sich in die Debatten um Klassismus hineinbegibt, umso emotionaler wird es. Das hat mit persönlicher Betroffenheit und Scham zu tun; auch damit, dass im digitalen Zeitalter mit einer abstiegsbedrohten Mittelklasse eben auch Deutungskämpfe zu Klassenkämpfen werden. In linken Zeitungen wie der Jungen Welt, aber auch in konservativen und liberalen Medien wie FAZ, Zeit und Spiegel erschienen Texte, die den Klassismusbegriff als unwissenschaftlich abqualifizieren und als Versuch verstehen, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Die meisten Wortmeldungen eint ein Kritikpunkt, der als Achillesferse jeder linken Identitätspolitik gelten kann: Der Fokus auf dem Aspekt der Diskriminierung bekämpft Vorurteile, anstatt gegen das vorzugehen, was diese Vorurteile erzeugt. Ein Nutzen des Begriffs liegt dagegen aus Sicht seiner Befürworter in der Eingängigkeit. Sobald wieder mehr Menschen akzeptiert haben, dass Deutschland eine Klassengesellschaft sei, ließe sich der Klassismusbegriff für Slogans und Kampagnen nutzen, die an ihrer Abschaffung arbeiten.
Miese Löhne? Egal!
Das klingt überzeugend, reicht aber noch nicht aus, um den Begriff emanzipatorisch aufzuladen. Olaf Scholz, der die Agenda 2010 noch nie infrage stellte, ließ im Oktober 2020 auf seinem Account bei Twitter mitteilen: „Progressive Politik muss auch den Klassismus ansprechen, also den Mangel an Respekt gegenüber vielen, die hart arbeiten.“ Die Initiative „Soziale Herkunft: Die 7. Dimension“ ist ein Teil der vom Kanzleramt unterstützten „Charta der Vielfalt“, in der sich Unternehmen verpflichten, ihre Belegschaft nicht zu diskriminieren. Die Klassenfrage wird hier zum Diversity-Faktor degradiert. Ein Betrieb gilt demnach als diskriminierungsfrei, wenn Chefs die Untergebenen im Ton respektvoll behandeln und über eine diverse Belegschaft verfügen. Ob sie den Diversen miese Löhne zahlen, befristete Arbeitsverträge ausstellen oder die Wahl von Betriebsräten blockieren, ist dabei egal.
Beim Klassismus gibt es ein schwer lösbares Kategorienproblem. Menschenrassen existieren nicht. Dem Antirassismus geht es also darum, dieses Phantasma zu dekonstruieren und Menschen in ihrer ethnischen oder kulturellen Besonderheit zu akzeptieren. Der Feminismus setzt sich unter anderem für die Anerkennung von Frauen und LGBTQIA ein. Wer sich dagegen in einer unteren sozialen Klassenlage befindet, möchte nicht in seiner Besonderheit anerkannt werden, sondern diese Klassenlage loswerden.
Millionen Menschen in Deutschland müssen ihr Einkommen mit Hartz IV aufstocken, obwohl sie nicht arbeitslos sind. Die Steuern wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten für das obere Drittel der Einkommen gesenkt, für die untere Hälfte stark erhöht. Nur etwa 20 Prozent aller Arbeiterkinder studieren, aber mehr als 70 Prozent der Akademikerkinder. All das ist bekannt, und doch bleiben Zahlen oft abstrakt. Es gibt kaum Studien, die sich der subjektiven Seite der Armut nähern.
Dabei wäre gerade das wichtig. Ein zentraler Grund, warum literarische Erzählungen über das Aufwachsen in Armut aus erster Hand derzeit so viel gelesen werden, liegt genau darin: Offenbar treibt viele Menschen die Frage um, wie es sich „anfühlt“, wenn am Ende des Geldes noch zu viel Monat übrig ist und kein dauerhaft gutes Leben möglich ist. Man kann das als Voyeurismus abtun – oder sich freuen, dass ein Bewusstsein dafür entsteht, wie brutal sich ungerechte soziale Verhältnisse auf Lebenschancen auswirken. Das Klassenhafte an der Mittelklasse lag jahrzehntelang gerade darin, dass sie die Existenz der Klassengesellschaft leugnete. Diese ideologische Gewissheit ist ins Wanken geraten. Ein richtig konzipierter Begriff des Klassismus könnte sich in dieser Gemengelage als Diskursbeschleuniger erweisen, weil er die Gewalt der Klassengesellschaft aus der Perspektive von unten erfahrbar macht.
Kommentare 17
Armut ist solch ein schwieriges Thema das kann ich für einen allgemeingültige Aussage der man glauben soll nicht erklären. Selbst eine gewisse Selbsterziehung mit ihrem anhaftenden Tunnelblick kann Armut erzeugen.
Bedürfnisse nicht befriedigen zu können, ist das die Armut um die es geht?
Die ganze menschliche Welt ist auf Ungleichheit aufgebaut und wie soll sich das verändern, außer über eine Selbsterziehung, um aus diesen prekären misslichen Lagen herauszukommen, wobei das Ziel ist, über ein mehr an Geldvolumen, besser seine Bedürfnisse befriedigen zu können.
Für mich ist das kein Klassenkampf, sonder ein Konkurrenzkampf um bessere Lebensbedingungen in dem wir all involviert sind.
Diese kurz zusammengefasste ist auch ein wichtiger Grund, warum es keinen Klimaschutz geben kann.
Ein Extraapplaus für den Titel (die Überschrift)...
Eine KLASSE Überschrift gibt aber noch keine Gewähr dafür, dass darunter ein KLASSE Artikel aufscheint [;-)] - hier: Unbedingt!
Letztlich kommt bei der genauen Analyse des Begriffs und deren Geschichte meiner Auffassung nach mal wieder heraus, was so explizit einfach nicht ausgesprochen werden darf: Es findet eine VERLAGERUNG des Diskurses statt, an der interessierte Kreise durchaus interessiert sind.
P.S.: In dem Sinne klingt der Begriff in meinen Ohren auch - affektiert.
Wohl: "...dessen Geschichte..."
So, so: "Das Klassenhafte an der Mittelklasse lag jahrzehntelang gerade darin, dass sie die Existenz der Klassengesellschaft leugnete."
Und das kommt nicht von ungefähr, denn der maristische klassenbegriff ist eine nicht-empirische kategorie! Zwar kann jeder die "arbeiterklasse" sehen, wenn arbeiter*innen am 1. Mai oder aus anderen anlässen demonstrieren, aber kaum eine/r, der dort demonstrierenden wird sich als "arbeiter*in" klassifizieren, wenn er/sie danach gefragt würde. Die häufigste antwort wäre wohl "mittelklasse" oder hin und wieder auch "unterklasse".
Dies rührt offenbar daher, dass die meisten "arbeiter*innen" menschen kennen, denen es schlechter, und auch welche, denen es besser als ihnen selbst geht. Also sind sie irgendwo in der mitte, ergo "mittelklasse".
(Vgl. dazu die aufschlussreiche studie: Alexander, P., Ceruti, C. et al.: Class in SOWETO, University of Kwa-Zulu-Natal-Press, Scottsville 2013.)
Im Westen geht alles: Diskriminierungsverbot- aber hehe nicht für Arme. AGG und LADG- also die Gleichbehandlungsgesetze exkludieren explizit die Armut- auch im GG muss man herleiten. Das ist eben wie mit der Freiheit, es darf immer mehr überwacht werden, aber wir sind ja frei unsere Bürgerrechte herzugeben, das freie Amerika möchte nicht, dass Assange freikommt etc.. Diese Scheindebatten machen den Westen einfach unangenehm, weil sich unter der moralischen Öberfläche sehr unangenehmes verbirgt.
Was muss meinereiner da lesen: "Ausbeutung"
Igittigitt sagt da der blonde Olaf von den "sozialen" Demokraten. "Pfui Teufel" sagen die "christlichen" und "christlich-sozialen" Demokraten von der schwarzen CDU bzw. CSU.
Die grünen Demokraten sagen: Das Wort kennen wir nicht, das ist "old-school" und Geschichte war nicht mein Lieblingsfach in der Schule, da hatte ich fast immer eine 4 und manchmal sogar eine 5 im Zeugnis.
Die AfD sagt, was die sogenannten Alternativen von der AfD bei jedem Thema und Problem sagen: schuld daran sind die Ausländer und die Muselmänner. Ohne Migranten und Ausländer wäre jeder anständige, ordentliche und fleißige Deutsche so reich wie Jeff Bezos.
Die Bürger der gelben FDP fahren bekanntlich immer mit 250 km/h auf der Überholspur. Bei diesem Tempo muss man schon aus Sicherheitsgründen auf die Fahrbahn schauen und hat keine Zeit für "Ausbeutung" und die vielen Geringverdiener, Arbeitslosen, Obdachlosen, Armutsrentner und das Prekariat am linken oder rechten Straßenrand.
Die Führung der Partei "Die Linke" ist schon seit geraumer Zeit verwirrt und weiß nicht so recht, was sie dazu sagen soll.
Das Wort "Ausbeutung" klingt nach Sklaverei und zugigen Holzhütten, die im Winter arschkalt sind und im Sommer brütend heiß.
Ausbeutung schmeckt nach Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Zwangsarbeit, Dritte Welt, Armut, Vergewaltigung, Kolonialisierung, Peitschenhieben, Fußfesseln und abgehackten Händen.
Ausbeutung gab es vielleicht einmal auf den riesigen Baumwollfeldern in den Südstaaten der USA, wo die Sklaven nichts zum Fressen bekamen oder mit der Peitsche blutig geschlagen wurden, wenn sie nicht schnell genug waren mit der Arbeit. Aber das ist 10.000 Jahre her oder noch viel länger. Da gab es noch kein Fernsehen geschweige denn Smartphones und auch kein Snickers, kein Knoppers, kein Duplo und keine Milch-Schnitte.
Wir aber leben heute im modernen, zivilisierten und kultivierten Wertewesten. Da gibt es keine Ausbeutung schon lange nicht mehr. In Europa und vor allem in Deutschland regiert seit Jahrzehnten die neoliberale Marktwirtschaft zusammen mit der Freiheit.
Wer sich in diesem unserem Lande für 9,82 Euro Mindestlohn pro Stunde brutto den Arsch aufreisst und am Monatsende nicht weiß, womit er die Miete für seine schimmelige Bude bezahlen soll, der wird nicht ausgebeutet, der ist "frei", sich jederzeit einen anderen Job zu suchen, bei dem er 5.000 oder sogar eine halbe Million Euro pro Stunde verdient und das 24 h/Tag, also auch im Schlaf. Wie wird man sonst Multimilliardär?
Fragen Sie den Altbundespräsidenten Joachim Gauck, wenn es um Marktwirtschaft und "Freiheit" geht. Freiheit ist nicht nur das Lieblingswort von Joachim Gauck. Der Mann ist ein ausgewiesener und erfahrener Experte für Freiheit.
Jetzt braucht man nur noch Idioten, die an das Dogma der "Freiheit" und den Mythos vom Aufstieg des Spülmachinenbedieners in der Frittenbude von Mc Donalds zum Oligarchen und "Leistungsträger" glauben, aber das ist in Deutschland nicht schwer. Davon gibt es Millionen. Viele sitzen sogar im Deutschen Bundestag und geben vor, die Interessen des Volkes zu vertreten.
Zu erwarten, in diesen neuen kriegerischen Zeiten, die wir mit unserer einfältigen Sichtweise, für pro schwere Waffen bestärken wollen, ist das ca. 50 Nationen ein Hungerproblem, ein Versorgungsproblem in ihrer Bevölkerung bekommen werden und das führt zu nicht gewollte Veränderungen in der Stabilität der Daseinsvorsorge und Arbeitsplatzerhaltung. Auch hier bei uns. Und auch das mit dem Hunger, verlangt nach neuen stärkeren Waffen. Und schon erweitert sich die Farbgebung für die kriegerischen Tendenzen über ein mehr an Farben, wie nur ein blau und gelb für unser denken und handeln.
Lieber Christian Baron, danke für den Artikel. Ich würde sagen, Klassismus ist das, was Klassen herstellt und aufrecht erhält.In the long run geht es bei Antirassismus, Antiklassismus und Antisexismus um die Abschaffung von Race, Class und Gender. Also auch Antirassismus und Antisexismus verfolgt wie Antiklassismus keine Identitätspolitik, sondern eine Transidentitätspolitik.
Lieber Christian Baron, danke für den Artikel. Ich würde sagen, Klassismus ist das, was Klassen herstellt und aufrecht erhält.In the long run geht es bei Antirassismus, Antiklassismus und Antisexismus um die Abschaffung von Race, Class und Gender. Also auch Antirassismus und Antisexismus verfolgt wie Antiklassismus keine Identitätspolitik, sondern eine Transidentitätspolitik.
So wünschenswert es ist, dass Kinder der abgehängten Klasse bei entsprechender Begabung studieren sollen, so kurzsichtig erscheint mir die Ausrichtung vor allem auf einen akademischen Abschluss.
Gerade auch in dem Corona-Krise genannten Maßnahmen-Wahnsinn wurde deutlich, was die wirklich systemrelevanten Berufe sind und das waren nicht die akademischen oder all die Bullshit-Jobs für akademische Absolventen. Eine Gesellschaft wird getragen von den mit Händen und Körpern Arbeitenden.
Die weitgehende Gleichstellung von akademischen und handwerklichen, sozialen, dienstleistenden und sozial ähnlich aufgestellten Berufen sollte das Ziel sein.
Zitat: "Gerade auch in dem Corona-Krise genannten Maßnahmen-Wahnsinn wurde deutlich, was die wirklich systemrelevanten Berufe sind und das waren nicht die akademischen oder all die Bullshit-Jobs für akademische Absolventen."
Da haben sie durchaus recht. Aber viele akademische Quaksalber und Scharlatane verdienen eben wesentlich mehr als zum Beispiel eine ausgebildete Pflegekraft im Krankenhaus oder Altenheim.
Wir leben in einer kapitalistischen Marktwirtschaft. In einer kapitalistischen Marktwirtschaft entscheidet das Kapital darüber, was wichtig bzw. systemrelevant ist und was weniger wichtig ist, weil es keinen Gewinn bringt.
Deshalb heißt der Kapitalismus auch Kapitalismus, weil das Kapital bestimmt, was effektiv und effizient ist, weil gewinnbringend, und wo es in der Demokratie lang geht.
"Die weitgehende Gleichstellung von akademischen und handwerklichen, sozialen, dienstleistenden und sozial ähnlich aufgestellten Berufen sollte das Ziel sein."
Genau - und das unabhängig von der Frage oder Erörterung, welche Augen-, welche Haarfarbe oder welche Art von Schnürsenkeln diese Person so trägt.
Ich versuche ja immer noch, Menschen zu erklären, dass "klimagerecht" bedeutet, dass ich für eine Reise nach Norwegen einen dicken Wollpulli anziehe & für eine auf die Bahamas die gleichnamigen Shorts. Und dass der Nominativ dazu "Klimagerechtheit" ist. Weil alle diese im Deutschen fest gefügten Verwendungen der adjektivischen Silbe "-gerecht" (bedarfsgerecht, altersgerecht, artgerecht) absolut nichts mit "Gerechtigkeit" zu tun haben.Dass also Worte tatsächlich eine Bedeutung haben, über die aber nicht ein zwitschernder Mob sondern diese seltsamen Gestalten namens Logik, Semantik, Etymologie & Grammatik bestimmen. Aber von solchen Ausländern lässt sich die bewegte DeutschIn wohl nicht reinreden.Nun also auch hier die tiefe Überzeugung, Veränderung der Verhältnisse erschöpfe sich doch wunderbar in der Erfindung oder Hashtag-isierung von Worten & Begriffen. Was für eine Zeitverschwendung. Wenn wir schon über Worte sprechen wollen, wie wäre es mit "Enteignung". Wie in "Enteignung Ihrer obszön reichen Eltern,..." (hier bitte wahlweise die Namen von Grünen-PolitikerInnen oder FFF-AktivistInnen einsetzen).Natürlich mit freundlichen Grüßen,
jmf
Die Kritik an Klassismusbegriff von links war nicht, dass der angeblich unwissenschaftlich sein soll. Vielmehr hat Christian Baron selber den Grund genannt, wenn Olaf Scholz auf einmal den Klassismus-Begriff entdeckt und von Respekt für die Beschäftigten im Niedriglohnsektor verlangt. Dabei müsste die Forderung nicht der Respekt der Beschäftigen sein, sondern die Unterstützung bei dem Kampf der Niedriglohnbeschäftigten bei der Abschaffung dieses Sektors. Das ist dann Klassenkampf. Ich kann aber durchaus möglich sein, dass Beschäftigte über die Kritik am Klassismus, auch zum Klassenkampf kommen. Das schließt sich ja nicht aus. Wichtig ist nur, dass Klassismus nicht zu einem Konzept wird, mit dem eine schlechte Realität der Arbeitswelt schöngeredet wird. Genau in der Abwehr dieser Bestrebungen bin ich mir sicher auch mit Vertreter*innen des Klassismus-Konzepts wie Andreas Kemper einig. Daher kann in der Praxis der alltäglichen Kämpfe beides zusammengehen.
Selbst der linksliberale Böhmermann hat einen Chor von Niedrigbeschäftigen organisiert, die in einer Strophe gesungen haben:
"Ich bin kein Mensch, ich bin kein Tier
Nein, ich bin Paketkurier".
Wenn der Song nur ein TV-Gag war, ist er wertlos, wenn er zur Bewußtwerdung der Beschäftigten beiträgt, ist er sinnvoll. So würde ich auch an das Klassismus-Konzept rangehen.
Hier kann man das Lied auch hören
https://www.youtube.com/watch?v=pQsS0VqM4aA
Hier kann man das Lied auch hören
https://www.youtube.com/watch?v=pQsS0VqM4aA