Noch nie haben wir so viel über Leid und Leben der Tiere debattiert wie derzeit, und trotzdem ist für sie kaum etwas besser geworden. Das gilt auch für die Menschen, die in Schlachthöfen schuften. Inmitten der Pandemie müssen sie weiterhin die miserabel bezahlte Drecksarbeit erledigen, empfindsame Wesen zu töten und zu zerlegen. Auf engem Raum, mit unethischen Mitteln, ohne Gesundheitsschutz – und am Abend kehren sie zurück zu ihren Familien, die sie einem erhöhten Covid-19-Infektionsrisiko aussetzen müssen.
Ausgerechnet diese Menschen sollen bald eine Fleischsteuer zahlen, wie es Grüne und SPD fordern und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) jetzt erwägt? Die wahrscheinlichste Variante ist diese: Aktuell gilt für Fleisch der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben statt 19 Prozent. Das soll sich ändern. Dadurch könne zum einen der Fleischkonsum zurückgehen. Zum anderen sollen die Mehreinnahmen den Landwirten zugutekommen, um die Haltungsbedingungen ihrer Nutztiere verbessern zu können.
Doch wer glaubt ernsthaft, dass in der bevorstehenden Wirtschaftskrise ein relevanter Teil der Steuereinnahmen zweckgebunden für eine bessere Lebens- und Sterbequalität in den Ställen eingesetzt wird? Wer kann Klöckner überhaupt noch abnehmen, ihr gehe es um das Tierwohl? Die Ministerin, für deren Partei die Bauern traditionell eine treue Wählergruppe sind, hat erst zu Beginn dieses Jahres die Ferkelkastration ohne Betäubung verboten – nach einem sieben Jahre währenden Prozess. Sieben Jahre, in denen Abermillionen Neugeborene unter schlimmsten Schmerzen das Abschneiden ihrer Hoden ertragen mussten, weil ihr Fleisch sonst später unangenehm riechen könnte. Der sogenannte Kastenstand, in dem Muttersauen monatelang in körpergroße Kästen gesperrt werden, in denen sie sich nicht einmal ausstrecken können, ist mindestens noch acht Jahre lang legal. Acht Jahre!
Völlig absurd ist der Kurzschluss, wonach mehr Geld für die Landwirtschaft automatisch das Elend der Tiere mildere. Eine aktuelle Studie des Bündnisses „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ belegt, dass der Staat die Erzeugung tierischer Produkte bereits mit mehr als 13 Milliarden Euro pro Jahr subventioniert. Es gibt zahlreiche Steuervergünstigungen für Landwirte (Zugmaschinen sind etwa von der Kfz-Steuer befreit). An der systematischen Tierquälerei hat sich dadurch nichts geändert.
Wer die Belastung durch Steuererhöhungen allein auf die Verbraucher abwälzt, kann kein Interesse an einer grundlegenden Verbesserung der Tierhaltung haben. Die lässt sich in einer Demokratie ohnehin nicht erzwingen, schon gar nicht durch den Ausschluss finanzschwacher Bevölkerungsgruppen vom Fleischkonsum. Menschen, denen die Politik jahrzehntelang die soziale Sicherheit entzogen und sie damit gezwungen hat, sich als Einzelkämpfer zu definieren, sorgen sich logischerweise mehr um ihre eigene Haut als um die eines Schweins. Mehr Würde kann es für Tiere darum nur nach einer massiven ökonomischen Umverteilung von oben nach unten geben.
Doch das reicht noch lange nicht. Anstatt die vorgetäuschte Weltrettung mit dem Griff in die Tasche der Prekären und Armen zu finanzieren, wäre es an der Zeit, auch in der Fleischindustrie die Eigentumsfrage zu stellen. Der Schweineschlachter Clemens Tönnies hat ein Vermögen von 1,5 Milliarden Euro aus der Arbeitskraft seiner Belegschaft herausgepresst. Als in seiner Tötungsfabrik die Corona-Infektionszahl nach oben schnellte, verlangte er vom Staat, die Löhne seiner in Quarantäne befindlichen Arbeiter zu erstatten. Nur in einer profitgetriebenen Wirtschaft kann ein Mensch dem Leben der anderen mit so viel Verachtung begegnen wie dieser Mann. Befände sich die Produktion von Fleisch, Milch und Eiern unter gesellschaftlicher Kontrolle, könnte der Weg zu mehr Empathie über mehr Transparenz führen. Niemand müsste aus Profitgründen die Schmerzensschreie der Tiere unterdrücken oder verdrängen. Die Verantwortung läge bei uns allen. Und wir alle könnten dafür sorgen, dass kein Mensch mehr unter Tönnies-Bedingungen arbeiten muss.
Kommentare 18
Upton Sinclair, Der Dschungel – 120 Jahre her, und immer noch dieselbe Chose.
Kapitalismus – du hast es weit gebracht.
Frau Klöckner ist generell gar nichts abzunehmen, das stimmt schon.
Aber man sollte dennoch deutlich weniger Fleisch essen im Interesse der Tiere, der Bauern, der Konsumenten, der Arbeiter und der Zukunft des Klimas.
Die Veränderung des Bewusstseins ist der eine Aspekt, das läuft ja schon, immer mehr Menschen (bei uns) essen weniger Fleisch, aber die, die es noch tun, essen dafür umso mehr. Nicht wenige davon sind der Ansicht, dass, weil es ihnen schlecht geht, sie, solange dies der Fall ist, von ethisch relevanten Fragen ausgenommen sind, weil es ihnen ja schlecht geht.
Genau das geht aber nicht, auch wenn es menschlich verständlich ist, doch es befördert die Opfermentalität, in der man meint, die Welt habe sich erst mal um die Belange zu kümmern, von denen man selbst betroffen ist und wenn das gelöst ist, Abbitte geleistet wurde usw. kann man noch mal demütig anfragen, ob man gewillt ist, vom gefühlten Recht sich etwas mehr herausnehmen zu können, abzurücken.
Sie kennen die Ausweg selbst, es ist die Selbstermächtigung, sich nicht auf diese oder jene Herkunft reduzieren zu lassen und auch nicht selbst zu reduzieren. Die damit einhergehende Verantwortung ist die andere Seite der gleichen Medaille.
Der untergeordnete Aspekt ist die Frage nach der Regulation über den Preis. In einer Zeit von Bekenntniskultur und Ankündigungen darf man sicher sein, dass die Preise gerade so erhöht werden, dass es keinem weh tut und die ungetrübte Fleischeslust und industrielle Tierquälerei und Ausbeutung auch weiter als Einnahmequelle gesichert ist.
Die Agrarlobbyisten sind in Berlin die gefürchtetsten und zugleich die konservativsten Säcke. Kleineren Bauern, die umsteigen wollen, wird das Leben schwer gemacht, dass eine immer größere Agrarindustrie, mit ihren grotesken Auswüchsen weiter expandieren kann, dafür steht Frau Klöckner mit ihrem Namen und einem Rückgrat aus Gelatine.
Die Kunden können es aber anders machen, engagierte Kleinbauern machen es anders, die kann man unterstützen, mit jedem Einkauf, vor allem auch mit jenen, die man nicht tätigt. Da ich aber nicht auf Verbote stehe und Menschen die gerne Fleisch essen, das nicht madig machen will, würde ich dazu raten, dass, wenn man schon etwas gerne isst, man auch auf gute Qualität achten sollte. Mehr Genuss ins Leben zu bringen, ist gut. Sich für Qualität zu interessieren, ist emanzipierend.
Wenn man eigentlich gar nicht das Fleisch gerne isst, sondern dies nur dazu dient, um in Sauce oder Ketch up ertränkt zu werden oder es um den Röstgeschmack oder die typische Würzmischung geht, kann man durchaus auch mal was anderes probieren, ich glaube, das ist noch keine Folter, sondern ein Schritt zu mehr Offenheit, die ja jedem gut tut.
Dialog extérieur! Kind: "Mami, warum essen wir Tiere?" Mutter: "Weil sie uns schmecken!" Kind: "Mir nicht!" - Es wird sich in der nächsten Generation regeln! Je früher, desto besser für uns!
Schliessung aller Schlachthöfe.
https://www.youtube.com/watch?v=ixZdIt8JZ1U
https://plantbasednews.org/news/over-3-000-vegan-activists-animal-rights-germany/
nicht subventionierung muß wachsen,
sondern qualität/ökologische verträglichkeit.
die lächelnde zaghaftigkeit in den koalitions-ministerien
verdeckt nur das bremsen vor einem wirk-lichen umbau.
Bedauerlicherweise fördern die bestehenden Gesetze, samz Veterinärämtern, die Konzentration in "Tönnies-Anlagen", samt der im Vorfeld existierenden Mästereien.
Abhilfe wäre zu schaffen durch:
1. Regionale Schlachthöfe, auf der Basis von Landkreisen. Wenn der Markt die nicht schafft, dann eben die Kommunen !
2. Flächenbezogene Tierhaltung mit max. 1,5 GVE/Ha - damit könnte auch das Gülleproblem und das Nitrat im Trinkwasser angegangen werden.
3. Statt Flächenprämien, Subvention von landwirtschaftlichen Arbeitplätzen.
4. Mindestens 4-zügige Fruchtfolgen
5. Abkehr von der Mensch- und Bodenzerstörenden Wirtschaft von landwirtschaftsfremden Investoren/Konzernen.
Wir brauchen Strukturwandel in der Landwirtschaft. 1960 erhielten die Bauern (ich meine nicht die alten und neuen Barone vom Bauernverband) 65% des Konsumentenpreises, heute sind es noch klägliche 25% im Schnitt auf alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Die Verbraucher zahlten aber auch nicht 50% ihres Einkommens an Miete (für andere Landlords)
Wir sind Kannibalen
Wir brennen Urwälder nieder um Soja anzubauen. Das Soja landet in den Trögen der Massentierhalter. Das eiweisshaltige Food verkürzt die Verweildauer der (Schlachtgewicht) Säue.
Damit die Bänder bei Tönnies nie stillstehen. Die Filets landen bei Lidl, Aldi, bis China, der Abfall geht nach Afrika.
Der Fleischkonsum bleibt hoch, die daraus folgenden chronischen Erkrankungen unterhalten die Gesundheitsindustrie und landen zuletzt als Belastung (Frührente, Pflege) in den Sozialkassen.
Damit ist die Rendite wieder mal (Tönnies) privatisiert und Schäden (Mitwelt, Mensch, Tier) sozialisiert.
Darum hat der schweizer Friedensforscher Jean Ziegler recht, wenn er sagt:
"Jedes Kind - das irgendwo auf der Welt an Hunger stirbt, wird in Wahrheit von diesem kannibalistischen Wirtschaftssystem gemordet!"
Es ist nicht das Elend vom Tier. Es ist das Elend des Tiers.
!
Zum Beispiel. Auch an weiteren guten Ideen mangelt es nicht, die manche sogar schon umsetzen, die Politik unterstützt aber lieber die Agrargroßindustrie, die wirklich niemandem hilft.
Sie ist ungesund, bringt Qualzuchten hervor, kostet Arbeitsplätze, geht auf Kosten von Qualität, Regionalität und Genuss, schadet der Umwelt und so weiter.
Das Tier sein Elend.
!!!
Der Arbeiter und die Arbeiterin haben das Anrecht auf saftige Steaks – ebenso morgens/abends Schinken und Salami auf dem Tisch. Alles andere ist neoliberale Propaganda respektive Verzichtsethik aus den einschlägigen grünen Mittelklasse-KIetzen – also von dort, wo sich Asketentum, Pilates-Kurs & Identitätspolitik gute Nacht sagen.
ich glaube eher, die tun asketisch. ich finde bei zon und spon, immer rezepte mit fleisch, fisch, ei, tiermilchprodukten. natürlich hinter der bezahlschranke. aber klar, den armen den konsum vorwerfen. ich bin immer noch für einen budget, im sinne eines ökolog fussabdrucks. da ich von eiweissen nur fleisch und fisch vertrage, aber gerade so wenig esse, dass ich eher im unteren tagesbedarf bin, aber ich maloche auch nicht, da hat man andere bedarfe, nie fliege, min seit 30 jahren kein auto gefahren bin, jetzt ab und an wegen pflegebedürftigkeit, denke ich, dass ich summa summarum keine umweltsau bin. ich bin gespannt, ob auch bio teurer wird, dass wer verschärft, denn da zahlt man ja schon mehr wegen tierwohl.
ps die guten werke, die da aus der co2 steuer kommen, werden auch zulasten der armen finanziert. das ist eben das konzept von schwarz gelb rot grün. und sich dann über blau wundern....
aha wer bio kauft finanziert trotzdem die verbesserung mit. na ich werde mir dann kein bio mehr leisten können. das ist sicher eine verbesserung. für die tiere und mich.
die guten werke die angeblich kommen sollen...
erinnert irgendwie an die obamas und ihre netflix gesund essen show. das ist auch nix für arme, obwohl die angeblich sogar die zielgruppe von michelle sind.
" Es gibt zahlreiche Steuervergünstigungen für Landwirte (Zugmaschinen sind etwa von der Kfz-Steuer befreit). An der systematischen Tierquälerei hat sich dadurch nichts geändert."
Wird hier eine 'Neiddebatte' mit Tierquälerei verquickt... 🤔
Traurig